Essen. In den ersten Spielen der EM 2021 stellen Jude Bellingham (17) und Pedri (18) neue Rekorde auf. Talente sind immer jünger. Was sind die Gründe?

Das historische Foto bei der EM 2021, das Jude Bellingham nach seinem ersten Einsatz bei dieser Europameisterschaft in den sozialen Medien veröffentlichte, kommt unschuldig daher. Der Engländer reißt nach dem 1:0-Erfolg über Kroatien die Arme hoch, seine Augen schauen in Richtung Tribüne, auf seinem weißen Trikot hebt sich die Rückennummer 26 in Rot ab. Nur seine Worte deuten darauf hin, dass dieser Einsatz etwas Besonderes war. „Verfolge deine Träume“, schreibt Bellingham zu seinem Eintrag auf der Fotoplattform Instagram.

Jude Bellingham stellt bei der EM 2021 einen neuen Rekord auf

Denn durch seine Einwechslung in der 82. Minute hat sich der Profi von Borussia Dortmund mit 17 Jahren und 349 Tagen als bislang jüngster Spieler in das EM-Geschichtsbuch eingetragen. Er löste damit den Niederländer Jetro Willems ab, der bei der EM 2012 bereits 18 Jahre und 71 Tage alt war.

Dass der bisherige Rekord bei der EM 2021 purzelt, bestätigt einen Trend, der sich in den vergangenen Jahren abzeichnet. Talente rutschen immer früher in den Profi-Kader. Sie sind immer früher in der Lage, auf dem höchsten Niveau nicht nur mitzuhalten, sondern die Partien sogar zu prägen.

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Der jüngste Spieler in diesem Sommer gehört zum polnischen Kader. Kacper Kozlowski ist knapp dreieinhalb Monate jünger als Bellingham, die bittere 1:2-Niederlage der Polen im Auftaktspiel gegen die Slowakei verfolgte er allerdings nur auf der Bank. Überhaupt sorgt Kozlowski bei den meisten Fans noch nicht für einen schnelleren Herzschlag. Der Mittelfeldspieler bastelt gerade erst daran, seinen Marktwert beim polnischen Erstligisten Pogon Stettin zu steigern.

Der deutsche Nationalspieler Jamal Musiala spielt beim FC Bayern.
Der deutsche Nationalspieler Jamal Musiala spielt beim FC Bayern. © dpa | Matthias Balk

Andere Talente bei der EM 2021 hingegen haben sich schon jetzt einen Namen im europäischen Spitzenfußball erspielt. Etwa Bellingham. Auch Deutschlands Jamal Musiala (18, FC Bayern). Portugals Nuno Mendes (18, Sporting Lissabon). Und Spaniens Pedri (18, FC Barcelona), der beim 0:0 gegen Schweden in der Startelf einen weiteren neuen Rekord aufstellte. Mit 18 Jahren, sechs Monaten und 18 Tagen darf er sich jetzt als bislang jüngster EM-Spieler in Spaniens Fußball-Geschichte bezeichnen.

Der ehemalige Nationalspieler Markus Babbel über den Trend bei der EM 2021: „Wahnsinn“

Markus Babbel bezeichnet diese Entwicklung als „Wahnsinn“. Der ehemalige Verteidiger zählte wie Musiala schon einmal zu den jüngsten Spielern im Kader der deutschen Nationalmannschaft bei einer Europameisterschaft. 1996, vor 25 Jahren. Damals ackerte sich die DFB-Elf zum EM-Titel in England, die Verteidigung ordnete noch ein Libero. Matthias Sammer bekleidete die längst ausgestorbene Position. Und Babbel galt noch im Alter von 23 Jahren als Talent, nur René Maric war ein paar Monate jünger. Ein Alter, in dem Nationalspieler heute in der Regel zu den gestandenen Profis zählen. Kai Havertz (22) etwa hat schon in über 100 Bundesliga-Spielen geschwitzt und gerade Chelsea zum Champions-League-Triumph geschossen.

Als Gründe nennt Babbel die bessere Ausbildung, die professionellere Arbeit. „Wir kannten damals keinen Kraftraum“, meint der 48-Jährige. „Mit 17 hatten wir nicht den Hauch einer Chance, den Sprung nach oben zu schaffen. Der Abstand war einfach viel zu groß.“ Leicht sei es für ihn bei der EM 1996 nicht gewesen. Die Älteren hätten um ihren Platz gekämpft, „den hat keiner freiwillig geräumt. Ich musste durch ein Stahlbad gehen, es gab klare Hierarchien. Doch das hat mir auch geholfen“, sagt der Ex-Spieler des FC Bayern.

Gerade beim Rekordmeister habe er als junger Profi viele Arbeiten übernehmen müssen. „Ich habe es einmal gewagt, mich in den Bus zu setzen, nachdem ich gefühlt 20 Kisten mit Utensilien geschleppt hatte. Da hat mich der Physio nur angeschaut, schon musste ich wieder helfen“, erzählt Babbel.

Der Druck für Talente ist auch bei der EM 2021 hoch, einige scheitern

Natürlich wirft der Trend auch Schatten. Schließlich prasselt auf die jungen Fußballer eine Menge ein. Der Druck ist groß. Die Liste der Talente, die in ihrer Karriere die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten, liest sich lang. Zudem wird sich zeigen, ob Karrieren in Zukunft eher enden, weil die Spieler früher die Belastung des Profifußballs verarbeiten müssen.

Wobei Markus Babbel da mit Blick auf die EM 2021 einwendet, dass sich im Vergleich zu früher die medizinische Betreuung und die Pflege weiterentwickelt haben. „Ich habe ja noch kaum auf meinen Körper geachtet.“