Essen. Nationalmannschafts-Torhüterin Almuth Schult ist die erste Expertin bei einer Männer-EM. Sie agiert im Studio wie sonst im Tor: stark.
Es ist nichts Neues für Almuth Schult, die Nummer eins zu sein. Die ist sie beim Frauen-Bundesligisten VfL Wolfsburg, die trug sie jahrelang bei der Nationalmannschaft auf dem Trikot – und nun ist die 30-Jährige bei der ARD die erste Expertin bei einer Männer-EM. Eine Tatsache, die nach einer großen Bürde klingt, die Almuth Schult aber kaum zu beeindrucken scheint. Die EM ist nun vier Tage alt und die Torhüterin hat schon einige Schichten hinter sich. Entsprechend routiniert sitzt sie im Studio neben Kevin-Prince Boateng und U-21-Nationaltrainer Stefan Kuntz. Eine Frage zum polnischen Team, eine Einschätzung zur Slowakei – Schult lässt kein Lampenfieber erkennen. Sie ist vor der Kamera so routiniert wie auf dem Platz.
Frauen haben es im Männerfußball nicht leicht, das wissen wir spätestens seit Claudia Neumann, die 2016 die erste Kommentatorin bei einer Männer-EM war und dabei unsäglich beschimpft wurde. Auch Schult erinnert sich gut daran. „Ich glaube, viele Männer haben noch im Kopf, dass Frauen keine Ahnung vom Fußball haben.“ Und so hofft sie, dass es schön wäre, „dieses Vorurteil aufzubrechen“.
Aber mal ehrlich: Wer glaubt, mehr Ahnung von Fußball zu haben als Almuth Schult, der muss erst einmal so viel leisten wie Almuth Schult. Sie war Welttorhüterin, Olympiasiegerin, Europameisterin, mehrfache Deutsche Meisterin und Pokalsiegerin. Sie ist Mutter von Zwillingen, sie trainierte noch bis kurz vor der Geburt und stand schon bald darauf wieder auf dem Platz. Schult ist die einzige Bundesligaspielerin, die sich neben der Sportkarriere auch um ihre Kinder kümmern muss. Kürzlich hat sie mit acht anderen prominenten Frauen ein Positionspapier für mehr Gleichberechtigung im Fußball verfasst. Den Job als DFB-Präsidentin? Würde sie sich zutrauen. Warum sie nun auch noch im TV-Studio sitzt? „Ich hab einfach Bock drauf“, lautete die Antwort vor der Premiere.
Almuth Schult: meinungsstark, wortgewandt, inhaltsstark
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Das merkt man auch vor der Partie zwischen Polen und der Slowakei. Schult duckt sich nicht weg, meistert auch die Frage nach den Bedenken über die recht lockere Auslegung der Russen in Sachen Corona-Vorsichtsmaßnahmen und sie hat insgesamt einen oft höheren Redeanteil als Boateng und Kuntz. Sie kommt auf den Punkt und stellt Fragen an die Kollegen, übernimmt phasenweise also den Job von Alexander Bommes. Den Moderator hatte sie beim Eröffnungsspiel schon gleich korrigiert und ihm den Unterschied zwischen Angriffs- und Gegenpressing erklärt. Spätestens da war Almuth Schult angekommen in dieser Expertenrunde. Meinungsstark, wortgewandt, inhaltsstark: Dass sie eine Frau und kein Mann ist – völlig egal.