Paris. Die Uefa hat auf die Krawalle von Marseille reagiert und ihr Sicherheitskonzept bei der EURO 2016 angepasst. England und Russland droht sogar der EM-Ausschluss.

  • Die Uefa hat auf die Krawalle von Marseille reagiert und ihr Sicherheitskonzept angepasst.
  • England und Russland droht sogar der EM-Ausschluss.
  • Am Samstagabend gab es Jagdszenen.

Scharfe Drohungen gegen Russland und England, neue Sicherheitsmaßnahmen und das Eingeständnis eigener Fehler: Die schweren Krawallen in Marseille haben die Europäische Fußball-Union (Uefa) am Sonntag in Aufruhr versetzt. Dem Verband stehen gleich zum EM-Start stressige Tage bevor, sogar die Fifa äußerte aus Zürich ihre Besorgnis.

Dem englischen und russischen Verband drohte die Uefa angesichts der Krawalle sogar mit dem EM-Ausschluss. Das Exekutivkomitee werde von Strafen "inklusive der möglichen Disqualifikation vom Turnier" nicht zurückschrecken, sollten sich Szenen wie am Samstag wiederholen, teilte die Uefa mit. Zuvor hatte die Uefa bereits ein Verfahren gegen den russischen Verband RFS eingeleitet, vorausgegangen war ein kurzfristig einberufenes Treffen des Exekutivkomitees. Ermittelt wird wegen Aggressionen russischer Zuschauer im Stadion, rassistischen Verhaltens in der Form von Affenlauten und des Abbrennens von Feuerwerkskörpern. Ob und wie der Verband bestraft wird, entscheidet sich am Dienstag (14. Juni).

Jagdszenen am Samstagabend

"Dieses Verhalten ist nicht zu akzeptieren und hat keinen Platz im Fußball", teilte die Uefa mit. Unmittelbar nach dem Vorrundenspiel zwischen England und Russland (1:1) war es am Samstagabend zu Jagdszenen gekommen. Gleichzeitig gab die UEFA Probleme bei der Trennung der Fangruppen im Stade Velodrome zu.Als erste Folge änderte die Uefa für den Rest des Turniers ihr Sicherheitskonzept, bei sämtlichen Partien wird das Sicherheitspersonal erhöht. Das gilt besonders für die noch anstehenden Hochrisiko-Spiele, darunter auch Deutschland gegen Polen am Donnerstag in Stade de France. Trotzdem gab es am Sonntagnachmittag im Pariser Prinzenpark eine Panne, als ein kroatischer Fan nach dem 1:0 durch Luka Modric gegen die Türkei auf den Platz, gelangte, den Spieler umarmte und ihm einen Kuss aufdrückte.

Unterdessen gab der europäische Dachverband seiner großen Besorgnis aufgrund der Vorkommnisse vor der Partie in der Innenstadt von Marseille Ausdruck. Bei den schweren Ausschreitungen zwischen zumeist englischen und russischen Hooligans hatte es 35 Verletzte gegeben, eine Person befindet sich weiterhin in Lebensgefahr. Mit Entsetzen reagierte indes auch der Weltverband Fifa auf die Bilder aus Frankreich. "Die Fifa verurteilt jegliche Gewalt und findet es total inakzeptabel, solche beschämende Szene während eines Fußballspiels sehen müssen, die von einer Minderheit idiotischer Krawallmacher, die nichts mit dem Fußball und wirklichen Fans zu tun haben, verursacht wurden", schrieb die Fifa ungewohnt drastisch. Die im französischen Fernsehen live übertragenen Bilder aus dem alten Hafen hatten für Entsetzen gesorgt. Die Ausschreitungen in Stadion waren dagegen nicht überall zu sehen, da die Uefa solche Szenen in ihrem TV-Signal aus Angst vor einem Nachahmungseffekt ähnlich wie bei Flitzern nicht zeigt. Das ZDF hätte die Ausschreitungen aber mit eigenen Kameras zeigen dürfen, hieß es. (sid)

Hooligan-Krawalle in Marseille

Es sind Szenen, die niemand bei einer Fußball-EM sehen möchte. Die Partie zwischen England und Russland (1:1) war fast vorbei, als russische Anhänger über Absperrungen kletterten und auf englische Fans losgingen. Viele Briten versuchen, aus ihrem Fanblock zu fliehen.
Es sind Szenen, die niemand bei einer Fußball-EM sehen möchte. Die Partie zwischen England und Russland (1:1) war fast vorbei, als russische Anhänger über Absperrungen kletterten und auf englische Fans losgingen. Viele Briten versuchen, aus ihrem Fanblock zu fliehen. © dpa
Es sind Jagdszenen: Dutzende russische Gewaltfans greifen im Stade Vélodrome englische Anhänger an, beschießen sie auch mit Leuchtraketen.
Es sind Jagdszenen: Dutzende russische Gewaltfans greifen im Stade Vélodrome englische Anhänger an, beschießen sie auch mit Leuchtraketen. © dpa
Menschen, die bereits am Boden liegen, werden weiter verprügelt. Insgesamt wurden am Samstag laut Angaben der französischen Behörden 35 Menschen verletzt, davon vier schwer.
Menschen, die bereits am Boden liegen, werden weiter verprügelt. Insgesamt wurden am Samstag laut Angaben der französischen Behörden 35 Menschen verletzt, davon vier schwer. © imago/Sportimage
Dieser britische Fan wird von gleich mehreren Hooligans geschlagen und getreten.
Dieser britische Fan wird von gleich mehreren Hooligans geschlagen und getreten. © dpa
Einige Fans können sich in den Innenraum des Stadions retten.
Einige Fans können sich in den Innenraum des Stadions retten. © Getty Images
Die Ordner waren mit der Situation sichtlich überfordert.
Die Ordner waren mit der Situation sichtlich überfordert. © imago/Bildbyran
Bereits während des Spiels hatten sich russische Fans vermummt und Bengalos abgefackelt.
Bereits während des Spiels hatten sich russische Fans vermummt und Bengalos abgefackelt. © imago/BPI
Anschließend gingen die Ausschreitungen im alten Hafen von Marseille und an anderen Orten der Stadt weiter.
Anschließend gingen die Ausschreitungen im alten Hafen von Marseille und an anderen Orten der Stadt weiter. © REUTERS
Polizisten der Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS), vergleichbar mit der deutschen Bereitschaftspolizei, patrouillieren im Zentrum der Stadt. Die Polizei hatte angekündigt, hart gegen die Gewalt vorzugehen, ...
Polizisten der Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS), vergleichbar mit der deutschen Bereitschaftspolizei, patrouillieren im Zentrum der Stadt. Die Polizei hatte angekündigt, hart gegen die Gewalt vorzugehen, ... © dpa
... und setzte dabei auch Wasserwerfer ...
... und setzte dabei auch Wasserwerfer ... © dpa
... und Tränengas ein. Kritiker werfen den französischen Sicherheitsbehörden vor, dass die Polizisten überfordert und übermüdet seien. Seit den Pariser Terroranschlägen im November 2015 hat die Belastung für die Beamten stark zugenommen.
... und Tränengas ein. Kritiker werfen den französischen Sicherheitsbehörden vor, dass die Polizisten überfordert und übermüdet seien. Seit den Pariser Terroranschlägen im November 2015 hat die Belastung für die Beamten stark zugenommen. © dpa
Bereits am Samstagnachmittag war es am alten Hafen von Marseille zu Ausschreitungen gekommen.
Bereits am Samstagnachmittag war es am alten Hafen von Marseille zu Ausschreitungen gekommen. © dpa
Neben russischen und englischen Anhängern waren auch Einheimische beteiligt – vermutlich Ultras von Olympique Marseille.
Neben russischen und englischen Anhängern waren auch Einheimische beteiligt – vermutlich Ultras von Olympique Marseille. © dpa
Die Polizei nahm einige Randalierer fest. Auch zivile Streifen waren im Einsatz.
Die Polizei nahm einige Randalierer fest. Auch zivile Streifen waren im Einsatz. © REUTERS
Der Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern zeigte oft nur kurz Wirkung. Immer wieder gingen die Hooligans aufeinander los – oder lieferten sich eine Straßenschlacht mit der Polizei.
Der Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern zeigte oft nur kurz Wirkung. Immer wieder gingen die Hooligans aufeinander los – oder lieferten sich eine Straßenschlacht mit der Polizei. © dpa
Zehn Personen waren laut der französischen Nachrichtenagentur am Sonntag noch in Polizeigewahrsam. Auch aus Nizza wurden am Samstagabend Ausschreitungen gemeldet.
Zehn Personen waren laut der französischen Nachrichtenagentur am Sonntag noch in Polizeigewahrsam. Auch aus Nizza wurden am Samstagabend Ausschreitungen gemeldet.
Viele Geschäfte und Bars am alten Hafen waren geschlossen. Der Platz, auf dem sich sonst Touristen tummeln, ist an vielen Ecken von zerbrochenen Bierflaschen bedeckt – neben Stühlen das wohl beliebteste Wurfgeschoss der Gewaltfans.
Viele Geschäfte und Bars am alten Hafen waren geschlossen. Der Platz, auf dem sich sonst Touristen tummeln, ist an vielen Ecken von zerbrochenen Bierflaschen bedeckt – neben Stühlen das wohl beliebteste Wurfgeschoss der Gewaltfans. © dpa
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Die Hochrisikospiele (Alarmstufe 3):

England – Russland (11. Juni, Marseille)

Türkei – Kroatien (12. Juni, Prinzenpark)

Deutschland – Polen (16. Juni, Stade de France)

England – Wales (16. Juni, Lens)

Ukraine – Polen (21. Juni, Marseille)

Die Spiele der Alarmstufe 2:

Deutschland – Ukraine (12. Juni, Lille)

Polen – Nordirland (12. Juni, Nizza)

Belgien – Italien (13. Juni, Lyon)

Russland – Slowakei (15. Juni, Lille)

Tschechien – Kroatien (17. Juni, St. Etienne)

Spanien – Türkei (17. Juni, Nizza)

Slowakei – England (20. Juni, St. Etienne)

Russland – Wales (20. Juni, Toulouse)

Kroatien – Spanien (21. Juni, Bordeaux)

Tschechien – Türkei (21. Juni Lens)