Münster.. In Westfalen steigt am Sonntag eines der interessantesten Spiele in der ersten DFB-Pokalrunde: Der traditionsreiche Drittligist Preußen Münster empfängt den Branchenriesen FC Bayern München. Preußen-Sportvorstand Carsten Gockel spricht im Interview über den Reiz dieser Partie.

Carsten Gockel sitzt in seinem Büro in der Geschäftsstelle von Preußen Münster. Das Stadion ist nur ein paar Meter entfernt. Das Stadion, in dem der Fußball-Drittligist am Sonntag den FC Bayern München zum Erstrundenspiel im DFB-Pokal erwartet (16 Uhr, live in unserem Ticker). Der Sportvorstand - gebürtig aus Soest - spricht im Interview über Chancen und Gefahren.

Herr Gockel, Münster schlug im Pokal zuhause bereits Zweit- und Erstligisten wie den FC St. Pauli oder Werder Bremen. Erleben die Fans am Sonntag eine noch größere Sensation?

Carsten Gockel: (lacht) Der FC Bayern ist im Vergleich zu diesen Klubs leider nochmal eine andere Welt. Wenn die Bayern in den zweiten Gang schalten, werden wir abgehängt, so denn alles normal läuft.

Die Bundesliga schöpft ihre Hoffnung daraus, dass die Bayern im Jahr nach einer WM oft schwächelten. Sind sie deshalb nicht auch in der ersten Pokalrunde zu diesem frühen Zeitpunkt eher schlagbar?

Gockel: Vor diesem Gedanken sollten wir uns hüten. Wir bleiben krasser Außenseiter, Weltmeisterschaft hin oder her.Wenn Sie etwa mit einem gut abgestimmten DTM-Wagen gegen einen gut abgestimmten Formel-1-Wagen fahren und dieser Gas gibt, sehen Sie nur noch dessen Rücklichter. Das ist einfach so.

Aber wenn der Formel-1-Wagen einen Fahrfehler macht, kann der DTM-Wagen trotzdem gewinnen.

Gockel: (lacht) Klar. Aber ich sehe dieses Spiel nicht unter dem Stichwort Sensation, sondern unter dem Gesichtspunkt des Erlebnisses für unsere Fans. Die haben noch nie ein Pflichtspiel Preußen gegen den FC Bayern in Münster gesehen. Das sollen sie genießen.

Die Stadt muss derzeit voller Vorfreude sein. Spüren Sie dies?

Gockel: Bei den Menschen in der Stadt ja, bei der Stadt-Verwaltung bin ich mir nicht so sicher. Ich habe immer das Gefühl, dass wir schon extrem viel machen müssen, um dem Fußball hier eine gewisse Stellung zu verleihen. Der Verein besitzt nach wie vor eine sagenhafte Strahlkraft – nur die Stadt hat noch nicht begriffen, dass Preußen Münster überregional ein Begriff ist. Die Unterstützung könnte besser sein.

Der Start Ihrer Mannschaft in die neue Saison der 3. Liga ist mit nur einem Sieg und insgesamt vier Punkten aus vier Spielen eher misslungen. Leidet die Konzentration auf die Meisterschaft unter dem kommenden Pokalspiel?

Gockel: Ich will keine Ausflüchte zulassen. Dieses Spiel ist in aller Munde und die Spieler müssen sich extrem darauf fokussieren, dass die Meisterschaft für sie das Allerwichtigste ist. Aber das ist schwer, denn für viele wird es das erste und einzige Mal sein, ein Pflichtspiel gegen die Bayern zu absolvieren.

Sie geben aber nach diesem Auftakt das Ziel Meisterschaft und Aufstieg noch nicht verloren, oder?

Gockel: Anders: Es wäre total unseriös gewesen, hätten wir Meisterschaft und Aufstieg vor der Saison als unsere Ziele genannt. Man kann nur sagen, wir wollen in der oberen Tabellenhälfte mitspielen – und das bedeutet, dass man Schlagdistanz zur Spitze hat. Ich wehre mich nicht dagegen, oben zu sein. Ich steige auch gerne auf. Aber das kannst du in einer sportlich so ausgeglichenen Liga nicht seriös vorhersagen. Wir haben schon viel auf den Weg gebracht. Aber der Sprung in die 2. Bundesliga gäbe dem Verein einen extremen Schub.

Sie sagten, die Fans sollten das Spiel genießen. Was sagen Sie Ihrer Mannschaft?

Gockel: Vor einem Spiel gegen den FC Bayern werde ich ihr ebenfalls sagen, dass sie dieses eine Spiel genießen sollte. Natürlich: Am Anfang steht es null zu null. Und je länger es null zu null steht… Heilloser Außenseiter bleiben wir dennoch.

Wie sehr werden Sie das Spiel genießen können? Knapp 17 000 Fans im Stadion, die Bayern als Gegner und große Bühne – und Preußen-Fans gelten nicht als die pflegeleichtesten.

Gockel: Wir sind ja leider Spitzenreiter in dieser Pyrotechnik-Tabelle. Das ist ein Titel, auf den wir gar nicht stolz sind. Zudem sind wir auch noch die, die zu Hause immer auffallen. Ich hoffe sehr, dass sich das ändert.

Eine Sanktion war ein vor der Saison verabschiedeter Maßnahmenkatalog. Haben Sie diesen auf Grund des stillen Protests der Fans wieder ausgesetzt?

Gockel: Wir können nur versuchen, die Situation bestmöglich zu händeln. Wir haben den Maßnahmenkatalog verabschiedet, die Fans haben gesehen, dass er für sie nicht so toll ist und nun stellen wir ihn unter eine gewisse Bewährung. Nichts anderes ist das. Wenn etwas passiert, werden die Maßnahmen sofort wieder umgesetzt.

Warum sind zum Beispiel Fahnenpässe gewaltmindernd?

Gockel: Fahnen werden oft dazu benutzt, sich unter ihnen umzuziehen oder zu vermummen, damit unerkannt gezündelt werden kann. Das ist seit Jahren ein Räuber- und Gendarm-Spiel. Man darf nicht die Illusion haben, dass dies durch die Maßnahmen schlagartig besser wird, aber es ist ein Versuch, Verantwortlichkeiten festzulegen, wenn den Fahnen Namen und Adressen zugeordnet werden können.

So denkt Gockel über die Debatte um Polizeipräsenz bei Fußballspielen in NRW

Wie verfolgen Sie unter diesem Aspekt die derzeitige Debatte um die Verringerung der Polizeipräsenz bei Fußballspielen in NRW?

Gockel: Dass sich die Polizei mehr im Hintergrund aufhalten soll und nicht mehr so sichtbar sein soll, wenn denn nichts ist, finde ich gut. Aber sie muss natürlich da sein, gerade was Strafverfolgung angeht, was Gefahrenabwehr angeht. Ganz abgesehen davon, dass im öffentlichen Raum die Polizei für die Ordnung sorgen muss.

Der NRW-Innenminister strebt aber eine Reduzierung der Kräfte vor Ort an, da sonst auf Grund der zwei weiteren Bundesligisten SC Paderborn und 1. FC Köln zu viele Einsatzstunden für die Beamten anfielen.

Gockel: Diese Diskussion wird mir ein bisschen zu pauschal betrieben. Diese Einsatzstunden werden da sein und sie werden auch vonnöten sein. Die Polizei ist ein wichtiger Player beim Thema Sicherheit und Ordnung, auch im Zusammenhang mit der Organisation von Fußballspielen. Wir sind das als Verein, aber eben auch die Polizei, auch die Feuerwehr, auch die Städte und Kommunen.Alle sind mit am Tisch. Da kann sich keiner wegducken.

Funktioniert die Zusammenarbeit in Münster?

Gockel: Wir haben uns in Münster so organisiert, dass wir nicht irgendwem den Schwarzen Peter zuschieben. Wir sagen, wenn irgendetwas passiert, sind wir gemeinsam für die Situation verantwortlich. Ich habe das auch im Zusammenhang mit dem Bayern-Spiel erlebt.

Inwiefern?

Gockel: Wir hatten den Antrag gestellt, mehr Leute ins Stadion zu lassen. Aber es war seitens der Ordnungsbehörden stets der warnende Zeigefinger da – und gemeinsam haben wir dann entschieden, es bei dieser Größenordnung zu belassen. Ich finde es wichtig, dass man dann - auch wenn man nicht immer seine Ideen durchsetzen kann – nicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger herumläuft, sondern die Situation gemeinsam schultert. Das ist ein Prozess, das klappt auch nicht überall.

Das Bundesland Bremen will sogar Geld von der Deutschen Fußball-Liga für Polizeieinsätze kassieren.

Gockel: Das ist ein absurder Vorschlag, reinster Populismus. Eine Beispiel: Wenn wir ein Auswärtsspiel in Bielefeld haben, schicke ich nach Empfehlung der vorher stattfindenden Sicherheitskonferenz 20 Ordner mit auf den Zug, der nach Bielefeld fährt. Soll ich für die 20 Leute dann der Polizei eine Rechnung schreiben, wenn sie mir Rechnungen schreibt, weil sie irgendwo am Bahnhof die Leute abholt? Das ist doch Quatsch, das ist nicht zu Ende gedacht.