Noch eine Woche bis zum letzten Derby mit Gästefans?
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Dortmund. Das Sicherheitskonzept zum Derby in der kommenden Woche ist bestenfalls ein Unsicherheitskonzept. Warum? Mit Absicht? Würde man eine weitere Eskalation in Kauf nehmen und instrumentalisieren wollen? Fast scheint es so, schreibt unser Fankolumnist Rutger Koch.
Es gibt unbestreitbar sehr viele Dortmund-Fans, die im Moment noch andere Dinge umtreiben, als das anstehende Derby. Zum Beispiel die zwei Spiele bis dahin. Oder Uli Hoeneß. Oder die zurückliegende Heimniederlage gegen die Fohlen. Der Pate des FC Bayern hatte sich kürzlich als mehrfacher Lügner mit gewissem Maß an krimineller Energie entpuppt und wird nach Prozess und Gerichtsurteil von der deutschen Regierungschefin und weiteren Größen der Bundespolitik explizit für seine mutmaßlich alternativlose Schadensbegrenzungs-Notbremse gelobt, die sein Verzicht auf Revision einzig ist. Wahrlich skandalös genug und mit Sicherheit ein Thema für mehr als eine Fankolumne, in der man mal kein Blatt vor den Mund nimmt.
Das 1:2 gegen die „Elf vom Niederrhein“ wäre ebenfalls ein dankbares Subjekt für diese Zeilen, führte es doch dazu, dass einige Schwarzgelbe in Verbindung mit den vorangegangenen, sporadischen schwarzgelben Niederlagen mittlerweile schwarz statt schwarzgelb sehen und andere Schwarzgelbe dank dieser Farbenblindheit rot sehen.
Während die Mannschaft gut daran tut, die über-übernächste Aufgabe noch gänzlich auszublenden, treibt mich allerdings schon jetzt vornehmlich der kommende Revier-Schlager um, denn: Wie es aussieht, dauert es nur noch eine Woche bis zum letzten Derby mit Gästefans. Anders formuliert: noch eine Woche bis zum letzten wirklichen Derby.
Polizei lechzt nach Spielen ohne Auswärtsfans
Warum ist das so? Ganz einfach: Die Polizei lechzt schon seit Jahren nach Spielen ohne Auswärtsfans und setzt sich als politischer Akteur aktiv dafür ein. Ob das die demokratische Gewaltenteilung aushölt, darf hier jeder für sich selbst entscheiden. Rechtlich ist dem wohl nicht so.
Nach den Auffälligkeiten rund um Dortmunder Ultras beim Hinspiel-Derby – einige in der Tat extrem bestrafungswürdig und indiskutabel, andere unnötig medial aufgebauscht und fehlinterpretiert – ist es den Gesetzteshütern endlich gelungen, die Verantwortlichen in Borussias KGaA davon zu überzeugen, dass ein generelles Gästefan-Verbot ein total tolle Idee ist. Die politischen Hardliner in Bund und Ländern weiß man in dieser Sache ohnehin hinter sich. Dass zum Derby am kommenden Dienstag trotzdem Gästefans das Stadioninnere sehen werden, liegt ausschließlich am Veto von Schalke 04.
BVB-Fans randalieren beim Revierderby
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Seine Anhänger ließ Borussia daraufhin wissen, man habe sich auf eben dieses Derby als „letzte Chance für die Fans“ geeinigt und werde vorerst noch andere Möglichkeiten für Sicherheitsmaßnahmen ausschöpfen. Und dann? Dann kam das dreisteste und unsinnigste Maßnahmenpaket aller Zeiten. Zumindest dann, wenn das Ziel wirklich mehr Sicherheit und Deeskalation sein soll. Der Verdacht liegt nahe, dass dem nicht so ist, dass intern ganz andere Ziele verfolgt werden. Dass man eine weitere Eskalation – gelinde gesagt – in Kauf nehmen würde – nämlich als Anlass für die beginnende Abschaffung der Gästefans. Es scheint, als wolle man nachher verkünden können, man habe ja jetzt wirklich alles versucht und es bleibe nur das Gästefanverbot.
Sicherheitskonzept = Unsicherheitskonzept
Warum sonst sollten mehrere Zehntausend Dortmunder Umwege von ihren seit Jahren gewohnten Anreisewegen in Kauf nehmen müssen, damit 2000 Polizisten versuchen, wenige Hundert Schläger und erlebnisorientierte Jugendliche mit Pyro-Tick in Schach zu halten? Warum sollte als Sammelparkplatz für die Gelsenkirchener Gäste ein Areal ausgewählt werden, das nahezu von Parkplätzen für BVB-Fans umzingelt ist? Warum sollte man alle Schalker über die Westfalenhallen schleusen, wo gefühlt ein Drittel aller Dortmunder auf dem Weg zum Stadion vorbei kommt? Warum sollte man sich mit klaren Maßnahmen für nach dem Spiel sonst so zurückhalten?
Wenn es bei diesem (Un-) Sicherheitskonzept wirklich um die Verhinderung von Schlägereinen oder Krawallen gehen würde, würde man die Schalker mit Bussen vor die Nordtribüne fahren, würde einen Sammelparkplatz in Entfernung zum Stadion wählen und – man würde eine Blocksperre nach dem Spiel einrichten, damit Dortmunder und Schalker nicht komplett zur gleichen Zeit aufbrechen und überall und nirgends in hoher Zahl aufeinander prallen.
Traurig, aber wahr: Wer sich schlagen will, der schlägt sich
Selbst mit so einem Sicherheitskonzept, das seinen Namen wenigstens verdient hätte, würde man die insgesamt auf beiden Seiten höchstens 400 Schläger nicht in Schach halten, die anscheinend eh keiner mehr mit rationalen Argumenten erreicht. Wer sich unbedingt schlagen will, der tut es ohnehin. Und einige dieser Leute finden so einen künstlich herbeigeführten Ausnahmezustand sogar geil. Die stehen darauf.
Mit Kollektivstrafen, wie dem pauschalen Schalker Hausverbot für die komplette Dortmunder Ultraszene nach dem Hinspiel oder eben – noch unfassbarer – dem bereits geplanten Komplettverzicht auf Gästefans erreicht man nichts, außer der Zerstörung der Seele des Fußballs. Die zurecht so genannten „Problem-Fans“ bleiben bestenfalls, wie sie sind, eher radikalisieren sich noch, prügeln sich dann halt – wie ohnehin meistens schon – außerhalb der Arenen. Und die friedlichen Fußballanhänger, die immerhin 99 Prozent der Stadiongänger ausmachen, fühlen sich ungerecht behandelt.
Durch den Umstand, dass – etwas überspitz formuliert – jeder Dortmund-Fan, der nicht in der Bolmke auf den Bäumen wohnt, bei einem Abendspiel unter der Woche teils kilometerlange Umwege zum Stadion laufen muss, bleibt jeder sogenannte Kategorie C-Fan ein Kategorie C-Fan. Was allerhöchstens passieren kann, ist dass einige Kategorie A-Fans durch die massiven Polizei-Schikanen zum Kategorie B-Fan werden.
Insofern scheint das Konzept ja voll aufzugehen. Nötig wäre es wahrscheinlich nicht, weil es eben auf beiden Seiten diese unverbesserlichen Hobby-Klopper oder den einen oder Pyromanen gibt. „Irgendwo wird’s schon knallen“ befürchten viele. Oder braucht es das gar nicht? Reichen schon zwei Bengalos, um den Fußball ein Stück mehr zu Grabe zu tragen?
Alle Fans pauschal bestrafen?
Dass Vereine und Verbände auf „Empfehlung“ – sprich: Drängen – der politisch überambitionierten Polizei in immer höherem Maße alle Fans (abzüglich des besonders gut betuchten Publikums, versteht sich!) pauschal bestrafen wollen, raubt vielen friedlichen Stadiongängern den letzten Spaß am Fußball.
Irgendwann wird dieser Quatsch zum Boomerang. Und viele jahrelange Stadiongänger sitzen dann trotz sinkender Quote am TV und erinnern sich daran, was der Fußball ihnen früher mal bedeutet hat.
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