Dortmund. Die Polizei durchsuchte Ultras und andere Fans auf dem Weg zum Stadion und sprach ein Verbot von Trommeln aus — die Ultra-Gruppierungen reagierten mit einem Stimmungsboykott. Darunter litt die Stimmung im Stadion. Die meisten Fans haben sich daran gewöhnt, auf die Vorsänger zu achten.
Ein Weiterkommen im Pokal und zwei Siege zum Bundesligastart: Der sportliche Saisonbeginn ist für die Mannen von Jürgen Klopp mehr als gelungen. Wurde auch teilweise Kritik geübt, spielerisch sportlich noch einige Luft nach oben sei, so sollte man zwei Dinge im Hinterkopf behalten: Einerseits hat es sechs Punkte zum Saisonstart selbst in den beiden letzten Meisterjahren nicht gegeben, andererseits hat Jürgen Klopp bereits in der Vorbereitung klar betont, dass der BVB nicht darauf trainiere, seine Höchstform zu Saisonbeginn zu erreichen, sondern vielmehr in der entscheidenden Saisonphase am Ende. Man ist also vollkommen im Soll!
Einen Aufreger gab es zum Saisonstart auf Fanebene dann doch: Bei der Anreise zum Stadion wurden die drei Ultragruppen Jubos, The Unity und Desperados von der Polizei aufgehalten, die Personalien wurden aufgenommen und die Anwesenden durchsucht. Schwerpunktmäßig waren es wohl Mitglieder der Desperados, aber auch ehrenamtliche Helfer der Becherspendeaktion, die für den „Franz Jacobi-Film“ stattfand, gehörten dazu. Diese waren Teils kein Mitglied einer Ultragruppe. Der Fluch der guten Tag also.
Banner mit verbotenem Inhalt gesucht
Die Polizei begründete das Vorgehen damit, dass in der Vergangenheit Banner mit beleidigendem Inhalt (gemeint ist wohl das Kürzel „A.C.A.B.“ gegen die Polizei) gezeigt wurden und auch beleidigende T-Shirts getragen wurden. Letztlich soll die Polizei auch von ihrem erweiterten Hausrecht Gebrauch gemacht und die Mitnahme von Trommeln verweigert haben. Dies führte dazu, dass die Ultras zum Teil das Spiel komplett boykottierten und die Vorsänger nicht wie gewohnt auf dem Podest auf der Südtribüne die Stimmung anheizten.
In Fankreisen führte dieses vorgehen teilweise zu Kritik, wurde doch angebracht, die Gruppen würden ihre eigenen Animositäten über das Wohl des Vereins stellen. Fest steht jedoch auch, dass eine Verhinderung der Mitnahme von Trommeln in keinem Maße verhältnismäßig ist und schlichtweg wie eine Gängelung der Ultragruppierungen wirkt.
Stimmung leidet unter Boykott der Ultras
Eines sollte jedoch auch klar sein: Privilegien bedeuten auch Verantwortung. In diesem Falle Verantwortung für die Stimmungskoordinierung im Stadion. Wer das Recht zugesprochen bekommt, ein Podest und eine Mikrofonanlage in bester Position auf der Südtribüne zu nutzen, der hat damit meiner Meinung nach auch die Verpflichtung, diese Mittel im Sinne der Fans für die Organisation der Stimmung zu nutzen.
Es ist nicht so, dass die Ultragruppierungen alleinverantwortlich sind für die Stimmung, es gehört immer dazu, dass der Rest der Südtribüne oder im Optimalfall des ganzes Stadions mitzieht und nicht einen kleinen Teil des „Block Drölf“ alleine singen lässt. Doch viele Jahre mit einem Vorsänger haben dazu geführt, dass die Südtribüne daran gewöhnt ist, von einem oder mehreren Männern an Mikrofon oder Megafon dirigiert zu werden, den Takt vorgegeben zu bekommen und zumeist auch die Liedwahl.
Der kalte und unvorbereitete Entzug führe gestern dazu, dass die Stimmung in der ersten Halbzeit auf der Heimseite am Boden war. Ausgerechnet im ersten Heimspiel, dem Start einer hoffentlich großartigen Saison, auf die man sich als Fan schon seit Wochen freut. Nur vereinzelte Gesänge, die zum Teil von der Südwesttribüne, die ihr 10jähriges Bestehen vor Anpfiff mit einer ansehnlichen Choreografie feierte, an die Südtribüne gelangten, erreichten wirkliche Stadionlautstärke.
BVB besiegt Braunschweig
Die zahlreichen Gäste aus Braunschweig, gefüllt von Stolz über den Aufstieg ihrer Mannschaft nach vielen Jahren, nutzten die Gunst der Stunde und sangen die „Gelbe Wand“ in der ersten Hälfte an selbige. Wann musste man sich schon einmal gefallen lassen, dass ein Gast ein „Heimspiel in Dortmund besingen durfte“ und sich kaum zur Wehr gesetzt wurde? Fairerweise muss man hier sagen, dass die Stimmung der Gäste auch bei einer Südtribüne in „Normalform“ als großartig geadelt hätte werden müssen.
„Ersatzvorsänger“ übernimmt in der zweiten Hälfte das Ruder
Ob die Stimmung auch ausschlaggebend für die eher durchwachsene Leistung des BVB in der ersten Hälfte war, mag so nicht beurteilt werden, eine Verbesserung ergab sich aber in der zweiten Hälfte sowohl auf dem Platz als auch auf der Tribüne: Ein „Ersatzvorsänger“, der nicht aus den Ultragruppen stammte, nahm recht weit oben in Block „Drölf“ das Zepter in die Hand. Anfangs noch belächelt, war das Ergebnis für einen Erstversuch größtenteils doch recht ansehnlich. Waren provozierende Gesten Richtung Ultragruppierungen zwar mehr als unnötig, wurde die Stimmung dennoch in der zweiten Hälfte deutlich besser und auch mehrere Male vom ganzen Stadion getragen.
Interessant zu beobachten war die Wirkung eines höher positionierten Vorsängers auf das Stimmungsbild der Südtribüne: Der Stimmungskern verlagerte sich deutlich nach oben und auch die „80er-Blöcke“ wirkten subjektiv betrachtet deutlich aktiver als man es bei normalen Bundesligaspielen gewohnt ist. Den höher positionierten Vorsänger hatte es auch früher schon einmal –gegeben, der Umzug der Ultras erfolgte vor dem Hintergrund, dass man von unten aus die gesamte Tribüne besser koordinieren wolle. Hier wäre es vielleicht einmal interessant darüber nachzudenken, ob ein zweiter Vorsänger oder eine zweite Lautsprecheranlage im oberen Bereich des „Block Drölf“ vielleicht dafür sorgen könnte, dass die gesamte Tribüne konstant lauter wird.
Julian Bräker (www.gibmich-diekirsche.de), 19. August 2013