Essen. Noch nie schafften es zwei deutsche Mannschaften in ein Halbfinale der Champions League. BVB und Bayern legen Zeugnis ab vom Vormarsch der Bundesliga. Nur die Top-Ligen Spaniens und Englands sind noch erfolgreicher als das deutsche Fußball-Oberhaus. Die Bundesligisten jedoch wackeln an deren Dominanz.
Zwei deutsche Mannschaften stehen im Halbfinale der Champions League. Das gab es noch nie. Und es ist keineswegs ein Zufall, sondern vielmehr Zeugnis der Tatsache, dass die Bundesliga aufgeholt hat im Vergleich mit den anderen Topligen Europas. Aufgeholt und überholt.
Die Bundesliga hat sich in der Uefa-Fünfjahreswertung im Top-Trio etabliert. Die beiden vorderen Plätze belegen die spanische Liga BBVA (ehemals Primera División) und die englische Premier League. Die britischen Vertreter haben in diesem Jahr enttäuscht. Erstmals seit 1996 war kein Klub im Viertelfinale der Champions League vertreten. Dank BVB und Bayern wird das deutsche Fußball-Oberhaus also Boden gut machen auf Chelsea, Manu und Co. Spanien hat mit Madrid und Barcelona allerdings noch zwei Eisen im Feuer. Läuft es gut für die Iberer in der Königsklasse, zementieren sie ihren Platz an der Sonne. Kaufen ihnen Dortmund und München den Schneid ab, rückt die Bundesliga ihrem spanischen Pendant auf die Pelle. BVB und Bayern spielen also nicht nur um den Titel in der Königsklasse - sie spielen auch gegen Spanien.
Bundesliga ließ Serie A hinter sich
Die Uefa-Fünfjahreswertung ist der der sportliche Gradmesser für den Erfolg einer nationalen Liga. Der europäische Fußballverband Uefa errechnet nach jeder Saison für jede Liga einen Erfolgs-Koeffizienten. Je mehr Vertreter einer Liga in den internationalen Wettbewerben Erfolg haben und je größer dieser Erfolg ist, desto größer ist der Koeffizient. Nach der Summe der Koeffizienten der letzten fünf Jahre vergibt die Uefa die Startplätze für die internationalen Wettbewerbe. Mehr Erfolg bedeutet mehr Teilnehmer in Champions und Europa League. Weil die Bundesliga in den letzten Jahren die Serie A überflügelt hat, gewann sie etwa den dritten Qualifikationsplatz für die Königsklasse zurück.
Auch interessant
Die Vorteile dieser Entwicklung: Da, wo international gespielt wird, wird Geld generiert. Geld macht Mannschaften, Infrastrukturen - ganze Ligen besser und attraktiver. Große Spieler spielen gerne in großen Ligen. Und Teams mit großen Spielern haben mehr Erfolg. Eine positive Kausalkette.
Prestige der Bundesliga ist gestiegen
Die größten der Großen spielen noch nicht in der Bundesliga. Ein Cristiano Ronaldo etwa bezieht sein Gehalt von Real Madrid, das Salär von Lionel Messi übernimmt der FC Barcelona. Aber nicht nur, was den Erfolg anbelangt, sondern vor allem in Sachen Prestige ist die Bundesliga auf dem Vormarsch. "In den letzten Jahren ist der Respekt vor dem deutschen Fußball im Ausland größer geworden", sagte Bayerns Trainer Jupp Heynckes. Arsenal-Teammanager Arsene Wenger mahnt mit Blick auf diese Saison: "Das ist ein gewaltiger Warnschuss für den englischen Fußball. Der Rest Europas hat aufgeholt, das müssen wir klar feststellen und für die Zukunft der Premier League mit einbeziehen."
Die Bundesliga macht Umsatz, in Spanien wird auf Pump gespielt
Nicht zuletzt gründet dieser Trend auf der finanziellen Stärke der Bundesliga. Die Klubs der deutschen Eliteklasse erzielten in der Saison 2011/2012 einen Rekordumsatz von 2,08 Milliarden Euro - ein Plus von 7,2 Prozent gegenüber der Vorsaison. Alle Vereine der UEFA zusammen hingegen erwirtschafteten einen Rekord-Nettoverlust von 1,7 Milliarden Euro. Vor allem, weil man überbordenden Spielergehältern einen Riegel vorgeschoben hat.
Nur noch 52 Prozent des Gesamtumsatzes der Bundesliga werden für Personalkosten aufgebracht - weniger als in Spanien, Italien, England und Frankreich. Im Schnitt geben Europas Fußballklubs 65 Prozent ihres Umsatzes für Gehälter aus. Spätestens seit der BVB 2005 beinahe Pleite gemacht hätte, funktioniert bei den Bundesligisten wenig bis gar nichts mehr auf Pump. In Spanien ist das anders.
Das Handelsblatt beziffert die Schulden aller spanischen Erstligisten auf ungefähr 3,5 Milliarden Euro, deren Verbindlichkeiten beim Staat auf über eine Milliarde. Regelmäßig steht Real Madrid aufgrund fragwürdigen Finanzgeschachers in den Schlagzeilen.
80-Millionen-Kredit für Cristianio Ronaldo
Passend dazu noch einmal das Beispiel Ronaldo: Der Portugiese kam für 94 Millionen Euro aus Manchester zu den Königlichen. Real musste dafür einen Kredit von fast 80 Millionen Euro aufnehmen. Sein Gehalt beträgt etwa 13,5 Millionen Euro jährlich. Zum Vergleich: Javi Martinez war mit 40 Millionen Euro der teuerste Transfer der Bundesliga-Geschichte, der Top-Verdiener der Liga ist Franck Ribery mit zehn Millionen Euro im Jahr, beim BVB soll Mario Götze am meisten bekommen mit rund 4,5 Millionen jährlich.
"Als ich in Spanien Trainer war, hat der deutsche Fußball da nicht stattgefunden", sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes. Das hat sich spätestens seit dieser Woche geändert.
Italiens Serie A vom "Luxus-Restaurant zur Pizzeria"
Nicht erst seit dem Bayern-Sieg über Turin blickt der italienische Fußball neidvoll Richtung Bundesrepublik. Wenngleich das Duell der derzeit beiden stärksten Teams ihrer Ligen verdeutlichte, wie groß die Leistungs-Kluft zwischen Serie A und Bundesliga ist. "Der FC Bayern ist ein Klub von einem anderen Planeten", lobhudelte die italienische Tageszeitung Repubblica.
Jupp Heynckes hat eine Erklärung, warum die Serie A, die in der Uefa-Fünfjahreswertung mittlerweile deutlich hinter der Bundesliga liegt, an Boden verloren hat: "Wir haben viele gute, junge Spieler, viele sehr gute Mannschaften und eine sehr gute Entwicklung. Nicht nur fußballerisch", sagte der 67-Jährige. Die Stadien seien hochmodern, die Liga sei familienfreundlich: "Auch das spielt eine Rolle. In Italien ist das zum Beispiel ein großes Problem."
Juve-Coach Conte: "Stars gehen lieber nach Deutschland"
Allerdings nicht das einzige. Schon AC Mailands Präsident Adriano Galliani klagte vor Wochen: "Wir waren ein Luxus-Restaurant, jetzt sind wir eine Pizzeria." Nach der 0:2-Pleite in Turin kapitulierte Juves Trainer Antonio Conte: "Die Stars gehen im Moment lieber nach Deutschland, England oder Spanien. Im Moment sehe er keine Möglichkeit, dass eine italienische Mannschaft in den nächsten Jahren die Champions League gewinnen wird.
Das einstige Lire-Paradies hinkt der Entwicklung hinterher. Die Stadien verfallen, die Fans bleiben aus oder fallen immer häufiger negativ auf. Rassistische Ausfälle sind auf den Tribünen längst keine Seltenheit mehr. Auch die Talentförderung hält nicht Schritt mit den Vorbildern aus Deutschland oder Spanien. "Der italienische Fußball ist lahm und dazu verurteilt, es zu bleiben", sagte selbst Arrigo Sacchi, technischer Verantwortlicher des italienischen Fußballverbandes (FIGC).
Die englische Premier League wird die Schmach dieser Saison dagegen nicht auf sich sitzen lassen. Das Finale in Wembley findet ohne die großen Teams aus London, Manchester oder Liverpool statt. Die Konsequenzen sind abzusehen, immerhin verfügen die neureichen Klubs in London (Chelsea) und Manchester (City) über mächtige Geldgeber. Geldgeber, die die Bundesliga für ihren Erfolg nicht benötigt.