Dortmund. In seinem zweiten Spiel von Beginn an hat BVB-Rückkehrer Nuri Sahin mit starker Leistung überzeugt. Seinem Trainer Jürgen Klopp eröffnen sich damit im Mittelfeld neue Optionen: Je nach Gegner, Form und Fitness kann er auf Formationen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen zurückgreifen.
Als Nuri Sahin sich in der 41. Minute den Ball zum Freistoß zurechtlegt, hat sein bisheriger Arbeitstag wie der der gesamten BVB-Mannschaft einen eher durchwachsenen Verlauf: 0:1 liegt Borussia Dortmund gegen den SC Freiburg zurecht, und das absolut verdient. Während Freiburg geschickt verschiebt, die Räume eng macht und sich schnell durchs Mittelfeld kombiniert, haben die Dortmunder große Probleme, das Spiel von hinten aufzubauen. Mangels Anspielstation im Mittelfeld werden viele lange Bälle geschlagen und auch Sahin unterliefen im Spielaufbau einige einfache Fehler.
Doch dann kam eben jener Freistoß, den Sahin aus halbrechter Position in den Strafraum zog, genau auf den Kopf von Robert Lewandowski, der das 1:1 markierte. Und nur drei Minuten später war Sahin selbst zur Stelle und machte nach Vorarbeit von Jakub Blaszczykowski das 2:1, bevor erneut Lewandowski das 3:1 nachlegte.
In der zweiten Halbzeit war es dann eine Demonstration Dortmunder Stärke, gerade auch im Mittelfeld, wo Sahin nun deutlich selbstbewusster agierte: Er gewann seine Zweikämpfe, fing Pässe ab, kurbelte das Spiel von hinten heraus an - und erzeilte sogar noch sein zweites Tor. Vor allem aber stimmte die Abstimmung mit Mittelfeldpartner Ilkay Gündogan nun reibungslos.
"Wir haben viele gute Spieler im Mittelfeld"
"In der ersten Halbzeit standen wir vielleicht in der einen oder anderen Situation auf dem gleichen Fleck, sodass Freiburg auf unserer Sechserposition etwas Raum hatte", meinte Gündogan dazu. "Aber in der zweiten Halbzeit hat unser Zusammenspiel richtig gut funktioniert." Abwechselnd ließ sich einer der beiden zwischen die Innenverteidiger fallen, um die Bälle von hinten heraus zu verteilen und wenn der eine nach vorne stieß, dann sicherte der andere ab.
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Hatten die Zuschauer gegen Freiburg das neue Dortmunder Mittelfeldfeld-Duo gesehen? "Wir haben viele gute Spieler im Mittelfeld und die werden wir auch brauchen", antwortete Sahin mit der gebotenen Zurückhaltung. "Kehl und Bender sind heute ausgefallen und da ist es wichtig, dass wir keinen Qualitätsverlust auf dieser Position haben." Sicher ist jedoch, dass der starke Auftritt Sahins BVB-Trainer Jürgen Klopp einige neue Mittelfeld-Formationen ermöglicht, die er je nach Fitness, Form und Gegner variieren kann.
Sahin als Spielmacher aus der Tiefe
Das Duo Sahin/Gündogan stellt dabei die offensivste Variante dar. Beide Spieler haben ihre Stärken vor allem im Spiel mit dem Ball. "Wir sind beide nicht von Grund aus die Defensivstärksten", meinte Gündogan dazu. "Aber wir haben uns das erarbeitet in den letzten Jahren." Obwohl beide gute Techniker sind, die vom offensiven zum defensiven Mittelfeldspieler umgeschult wurden, unterscheiden sie sich in ihrem Spiel deutlich - und ergänzen sich deswegen sehr gut: Sahin gibt bevorzugt den Spielmacher aus der Tiefe, der die Bälle weit hinten in Empfang nimmt und dann - gerne auch mit langen Diagonalbällen - verteilt.
Gündogan dagegen ist der schnellere, trickreichere der beiden, der gerne häufig nach vorne stößt und das Kurzpassspiel mit den Offensivspielern sucht. In der Defensivarbeit kann er die Gegenspieler dank seiner höheren Dynamik aggressiv unter Druck setzen und die Zweikämpfe suchen, während Sahin eher abwartend agiert, mit seiner starken Partizipationsfähigkeit Lücken erkennt und zuläuft und versucht, Pässe abzufangen.
Das Duo Gündogan/Sahin hat auch Schwächen
Doch bei allem Lob: Das Spiel gegen Freiburg offenbarte auch Schwächen dieser Formation: Weil es vor allem Sahin an Grundschnelligkeit fehlt, gelang es ihm nicht immer, das schnelle Spiel der Freiburger zu unterbinden. Einige Konter konnte er nicht verhindern, weil er den Gegnern nicht hinterherkam. Sahin und Gündogan sind eben eher offensiv orientiert, zudem fehlt beiden im Zweikampf die Robustheit, die Sebastian Kehl oder Sven Bender mitbringen, gerade in Luftduellen - auch ein Grund, warum BVB-Trainer Jürgen Klopp dieser Formation ein gewisses Misstrauen entgegenzubringen scheint. Im Champions-League-Duell gegen Schachtjor Donezk (3:0) etwa brachte er statt Sahin den angeschlagenen Kehl für den verletzten Bender - "weil wir in dieser Phase eine defensivere Lösung brauchten".
Dabei unterscheiden sich auch Bender und Kehl in ihrem Verhalten ohne Ball: Hier ist Bender eher der aggressive Jäger, während Kehl den absichernden Part gibt. Damit wäre Kehl eher der natürlich Partner für Gündogan, während sich Bender und Sahin gut ergänzen - wie sich in der Meistersaison 2010/2011 zeigte. Aber auch das Duo Bender/Gündogan zeigte in der laufenden Saison schon starke Spiele zusammen.
Aufstellung je nach Ausgangslage
Wen Klopp künftig aufstellt, dürfte also stark von der Ausgangslage abhängen: Braucht er - wie zur Halbzeit des Revierderbys gegen Schalke (1:2) - eine offensivstarke, ballsichere Aufstellung, die ein gegnerisches Pressing gut umspielen kann, dürfte er sich für Gündogan/Sahin entscheiden. Braucht er gegen offensiv- und zweikampfstarke Gegner mehr defensive Robustheit, dürfte er sich für die Hereinnahme von Bender oder Kehl und trotz dessen starken Auftritts vermutlich gegen Sahin entscheiden - zu stark spielt Gündogan derzeit. Lässt sich ein Gegner per Kurzpasspiel nicht knacken, könnte aber Sahin mit seinen präzisen langen Bällen wieder eine vielversprechende Alternative seien. Und nicht zuletzt kann Gündogan auch im offensiven Mittelfeld vor zwei absichernden Sechsern spielen.
Jürgen Klopp hat also einige Alternativen im Mittelfeld - spätestens seit jenem Freistoß gegen Freiburg dürfte das klar sein.