Dortmund. Muss die Preisspirale in der boomenden Bundesliga wirklich derart angezogen werden? Beim Gastspiel des BVB in Leverkusen kostete ein Sitzplatz hinterm Fangnetz satte 73 Euro. Und das zu einer Zeit, da die Initiative “Kein Zwanni“ Nachahmer in England gefunden hat.

Es ist mehr als nur ein Fingerzeig. Erst in der vergangenen Woche hatte die englische Fangruppierung "Football Supporters' Federation" (FSF) öffentlich dazu aufgerufen, die Ticketpreise bei Auswärtsspielen im Mutterland des Fußballs zu deckeln. Mit der den deutschen Fußballfans nachempfundenen "Twenty Plenty"-Kampagne ("Zwanzig sind mehr als genug") fordern sie eine Preisobergrenze von zwanzig Pfund - umgerechnet etwa 23,50 Euro analog den Forderungen ihrer deutschen Kollegen.

Hintergrund sind utopisch gestiegene Ticketpreise, die immer mehr junge Fans vom Besuch eines Auswärtsspiels ausschließen. Auslöser für das Aufbegehren war das Auswärtsspiel von Manchester City beim Londoner FC Arsenal am 13. Januar. Dabei kostete eine Karte für City-Fans 62 Pfund, also satte 73 Euro! Von den 3.000 Karten wurden deshalb 900 nicht verkauft. Hier wie da gilt: Massive Preiserhöhungen zerstören auf Sicht die Fankultur. Still und leise durch die Hintertür umgesetzt, haben sie gravierende Ursachen bis hin zu einer Entfremdung zur Folge. Aber bei uns sind die Presseabteilungen dann mal ausnahmsweise eher unverständlich zurückhaltend oder merklich unkreativ wenn es gilt, etwas nicht ganz so schönes zu „verkaufen“.

Derbys waren nicht ausverkauft

Doch es scheint, als sei da etwas im Bewusstsein der Fans in Bewegung geraten, was längst bei den begierigen Clubs Ausmaß und Tragweite ihres unersättlichen Handelns verlustig geraten ließ und an dem Ast sägt, auf dem man nur allzu bequem sitzt derzeit. So waren das Derby am Niederrhein und das Nordderby erstmals nicht ausverkauft, doch auch das gibt leider (noch) niemandem zu denken.

Auch nicht Bayer Leverkusen mit dem unsäglichen Duo Holzhäuser und Völler zuvorderst, was unter der Woche – u.a. durch eine gezielt gestellte Frage auf der Pressekonferenz des BVB – neue Nahrung erhielt . Denn da wurde die Frage aufgeworfen, ob man BVB-Fans für einen Platz quasi „hinterm Fangnetz“, unterhalb der feudalen Konzern-Logen wirklich ungeheuerliche 73 € abnehmen könne (bei einem Drittel aller Heimspiele, die zu sogenannten „Topspielen“ hochgejazzt werden, wird dieser sagenhafte Kurs aufgerufen). Und der von dieser Frage so überraschte Borussen-Trainer antwortete gewohnt ehrlich: „Das ist viel zu viel“. Punkt. Mehr muss man dazu nicht sagen.

Preise zwischen 65 und 75 Euro sind ein Wahnsinn

Und der Tat muss man mal laut fragen, ob die Preisspirale in Zeiten des Bundesligabooms tatsächlich derart angezogen gestaltet werden muss. Im Gästeblock der BayArena , der regelmäßig auch immer wieder im Bereich H1-H4 von großen Teilen der mitreisenden Anhängerschaft des Gastvereins genutzt wird, stehen optional zwischen 65 und 75 € zu Buche. Was ein Wahnsinn! Dennoch ist festzuhalten, dass die Bay(er)-Arena ausverkauft war und wiederum mindestens 8.000 Schwarzgelbe – vermutlich sogar noch viel mehr – im Rheinland den BVB unterstützt haben. Frei nach dem Motto: Des einen Leid, ist des anderen Freud. Zwar erweisen diese Fans allen Bemühungen um faire Preise einen Bärendienst, aber soll man dieses Interesse an Borussia Dortmund wirklich ernsthaft geißeln?

In diesem Anliegen habe ich bereits auch mehrmals die immer wieder gesund gebetete Preispolitik des BVB angeprangert, wo insbesondere bei den nicht ganz so zahlungskräftigen Sitzplatzinhabern in den unteren Bereichen der West und Ost zu Beginn der Saison - wenig maßvoll - in den letzten Jahren durch nichts zu rechtfertigende Erhöhungen eiskalt durchgezogen wurden. Das alljährlich immer wieder stereotype heruntergeleierte Inflations-Argument ist in mehrerlei Hinsicht jedenfalls eine ziemliche Zumutung.

BVB-Fanabteilung ist gefordert

Für mich wäre hier in erster Linie auch die Fanabteilung gefragt, intern Gespräche mit dem Maßgabe mäßigender Teuerungsraten für Gästefans und bei strukturgebeutelten eigenen Anhängerschichten zu führen und mit Cramer, Watzke und auch Treß, als dort maßgeblich zuständige Personen, zielführende Gespräche dahingehend zu suchen. Dies zumal, da die KGaA den Mammutanteil ihrer Einnahmen aus TV Erlösen, werblichen Vermarktungen, Sponsoreneinnahmen, der Bewirtschaftung von VIP-Logen, sowie der Teilnahme im nationalen und internationalen Wettbewerb und einer gängigen Formel zufolge etwa nur zu 20 % aus dem Ticketing erzielt.

Ach ja, Fußball gespielt wurde auch gestern. Der vormalig aktuelle Tabellenzweite musste den schwarzgelben Express vorbeilassen. Borussia kann sich nach einem hochdramatischen Spiel in der erstmals (!) in dieser Saison ausverkauften Leverkusener Arena nun erster Bayern-Verfolger nennen. Am Ende gewann nämlich nicht nur das Team, das weniger Fehler gemacht hatte, sondern die Mannschaft, die ein klein wenig reifer ist. "Jetzt stehen wir wieder auf dem zweiten Platz, wo wir hingehören", ließ Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke aufhorchen. Er hätte noch dazu sagen könnten: und Bayer Leverkusen auch. Doch leider haben dies viele nicht „aktiv“ mitfeiern können, da sie zum Leverkusener Preistableau keinen erschwinglichen Zugang gefunden haben... Da sollte man mal drüber nachdenken. Jetzt!

Holger W. Sitter, www.gibmich-diekirsche.de - 04.02.2013