Dublin.. Vor dem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft am Freitag in Dublin gegen Irland gibt es Probleme in der Abwehr. Linksverteidiger Marcel Schmelzer von Borussia Dortmund wird von Bundestrainer Joachim Löw als Notlösung hingestellt.

Der Bundestrainer hatte die Pflichtübung bis dahin gewohnt souverän absolviert, eine Viertelstunde lang referiert über seine Erwartungen für das heutige WM-Qualifikationsspiel der DFB-Elf in Dublin gegen Gastgeber Irland (20.45 Uhr, ZDF und im DerWesten-Ticker). Joachim Löw hatte „mehr defensive Stabilität, mehr Struktur, mehr Klarheit als zuletzt“ verlangt, die irischen Fans belobigt und überhaupt werde es ganz sicher ein „stimmungsvolles Spiel“. Was man halt so sagt.

Doch plötzlich, auf eine harmlose Frage hin, begann der Bundestrainer damit, einen seiner Spieler quasi in Grund und Boden zu reden. Es ging um Marcel Schmelzer, den Dortmunder, der mit dem BVB das Double gewann und der nach der Rückversetzung von Philipp Lahm auf die rechte Abwehrseite nun in der DFB-Elf die linke Flanke betreut. Als größter Fürsprecher des 24-Jährigen war Löw noch nie aktenkundig geworden, aber was der Trainer in Dublin über seinen Linksverteidiger sagte, ließ sich unschwer als Ohrfeige deuten: Marcel Schmelzer habe „in Österreich kein gutes Spiel gemacht“, hob Löw an. Und dann folgten die Punkte der Anklage: „Er muss sich international noch an dieses Tempo, Dynamik und den Druck gewöhnen.“

"Beim BVB leichter als in der Nationalelf"

Es sei, verteilte Löw die grobe Spitze, „in Dortmund wohl leichter als bei der Nationalelf.“ Schmelzer brauche „noch Zeit, um allerhöchste Ansprüche zu erfüllen.“ Wohl selten ist ein Spieler der Nationalmannschaft vom Bundestrainer in aller Öffentlichkeit derart kritisiert worden – nicht für ein Vergehen am Teamgeist, für Maulwurftätigkeiten oder sonstiges unbotmäßiges Verhalten, sondern schlicht ob seiner Leistungsfähigkeit.

Und so kam Löw, der Sprache des diplomatischen Korps enthoben, zu dem wenig schmeichelhaften Schluss: „Wir müssen die nächsten Monate mit Marcel Schmelzer arbeiten und Alternativen schaffen.“

Müssen.

Joachim Löw sah dabei keineswegs miesepetrig aus, was den Schluss nahelegt, dass der Bundestrainer seine überaus grobe Wortwahl womöglich nicht bemerkt hatte. Doch seine grundsätzliche Skepsis den Fähigkeiten des Dortmunders gegenüber hat er nie verborgen. Dabei zeigt der Mann, der bei Löw stets auf Bewährung spielt, beim Meister BVB regelmäßig starke Leistungen. In Dortmund weisen sie gern mit einiger Süffisanz darauf hin, dass es in ihrem Klub womöglich eine andere Form der Solidarität gäbe: „Wir tun alles dafür, dass man sich als Außenverteidiger nicht allein gelassen fühlen muss“, sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp, der sich für seinen „Schmelle“ gern mächtig in die Bresche wirft: „Wenn die Bälle zwei, drei, vier, fünf zuvor nicht thematisiert werden, ist der, der den letzten Fehler macht, der Depp. So haben wir in Dortmund Fußball nie verstanden. Deshalb ist Marcel bei uns gut aufgehoben.“

In der DFB-Elf aber symbolisiert Schmelzer nur ein seit Jahren bekanntes Dilemma. Das Grundproblem lautet: Es gibt nur einen Philipp Lahm. Und wenn der Kapitän, ein anerkannter Weltklasse-Verteidiger, auf der rechten Seite aufläuft, klafft links eine Leistungslücke; spielt Lahm – wie lange vollführt – links, entsteht auf der rechten Seite ein Qualitäts-Vakuum.

Im heutigen Spiel bei den Iren wird es auf beiden Seiten zum Test kommen; Lahm ist nicht dabei, der Bayern-Profi fehlt gelb-gesperrt. Auf seiner Position rechts dürfte Jerome Boateng den Vorzug vor Benedikt Höwedes erhalten. Nach dem Ausfall von Mats Hummels bilden Per Mertesacker und Holger Badstuber die Innenverteidigung.

Für Schmelzer ist keine Alternative in Sicht

Und links? Spielt nach Lage der Dinge Schmelzer, der Gescholtene. Nicht, weil Joachim Löw so überzeugt wäre vom BVB-Profi, sondern weil sich partout niemand anbietet. In der deutschen U21 etwa, in den letzten Jahren regelmäßiger Lieferant von höchst talentierten Spielern, spielt auf dieser Position der Freiburger Oliver Sorg – der eigentlich ein Rechtsfuß ist und auch darüber hinaus noch nicht den gern verliehenen Staus eines „Juwels“ besitzt.

„In der Bundesliga gibt es sehr, sehr wenige Alternativen“, gestand Joachim Löw und sagte mehr achselzuckend als belustigt: „Ich kann sie mir nicht schnitzen."