Brixen im Thale. . Sie sind wichtige Führungsspieler beim BVB: Im Interview sprechen Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller über die abgelaufene Double-Saison und die Erwartungen an die neue Spielzeit.

Sebastian Kehl, 32, und Roman Weidenfeller, 31, sind die dienstältesten Spieler bei Borussia Dortmund. Beide können 2012 ihr Zehnjähriges beim BVB feiern. Kapitän Kehl und Vize-Kapitän Weidenfeller, die Altvorderen der jungen Mannschaft, kommen entspannt zum Interview, bringen viel Zeit mit. Ein Gespräch über Hierarchien, hohe Erwartungen, junge Spieler, alte Spieler – und ihre zehn Jahre bei Borussia Dortmund.

Statt mit einer Frage beginnt das Interview mit Musik aus dem Handy. Der Refrain der BVB-Meister-Pokalsieger-Hymne: „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen.

Sebastian Kehl: Super (lacht laut)

Roman Weidenfeller: Da kommen Erinnerungen an die tolle Saison hoch, zu der das Lied perfekt passt. Wir haben es oft gehört. Meist erheblich lauter.

Kehl: Für mich bedeutet es Erinnerung und Emotion. Wir haben es so oft gegrölt. Das Lied hätte für uns geschrieben sein können. Es hat optimal gepasst. Wie so vieles in der letzten Saison.

Wie weit ist das Erlebte weg?

Kehl: Bei mir sehr weit. Ich habe es ausreichend genossen. Aber irgendwann bin ich mit der Familie in den Urlaub abgetaucht, habe alles sacken lassen. Dann fing mein Lauftraining an, und ich wusste, bald geht es wieder los. Da ist man schnell wieder in der Realität angekommen.

Die neue Saison rückt näher. Der BVB war 2011 Meister, 2012 Meister und Pokalsieger. Was kommt jetzt?

Weidenfeller: Die Messlatte liegt extrem hoch. Und das alles ist schwierig zu toppen. Wir wollen uns in der Liga-Spitzengruppe behaupten und in der Champions League beweisen, dass wir es besser können als letztes Jahr.

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Sie sind beide zehn Jahre in Dortmund. Ist es gerade Ihre beste Zeit beim BVB?

Kehl: Die Meisterschaft 2002 war auch grandios. Danach gab es viel auf und ab, Extreme, da könnte ich einiges erzählen. Meister, bankrott, wieder Meister. Das gab es in der jüngsten Geschichte der Bundesliga noch nicht. Es macht mich stolz, das alles miterlebt und auch in schwierigen Zeiten zum Verein gehalten zu haben.

Weidenfeller fühlt sich noch nicht alt

Sie beiden sind die ältesten Stammspieler in einer jungen Mannschaft.

Weidenfeller: Wir werden oft angesprochen, dass wir die alte Generation sind. Wir sind sicher reifer, erwachsener, verantwortungsvoller, haben auch andere Ziele im Leben. Ich fühle mich jedoch noch gar nicht alt. Seit drei Jahren habe ich eine gewisse Leichtigkeit. Ich habe viel Spaß und Freude an der Arbeit. Die wird natürlich durch Erfolge gekrönt. Mit 31 Jahren bin ich mitten im besten Torwartalter. Am liebsten spiele ich noch bis 40.

Herr Kehl, wollen Sie auch bis 40 spielen?

Kehl: Nein. (lacht) Torhüter haben ein anderes Leben und können dadurch doch viel mehr Erfolge einfahren und mehr Geld verdienen.

Weidenfeller: Wie? Was? (schmunzelt)

Kehl: Als Torhüter kannst du auf 24 gute Jahre kommen. Als Mittelfeldspieler läuft man deutlich mehr und hat dann weniger Jahre. 40 ist für uns Feldspieler bei dem Tempo in der heutigen Zeit ein utopisches Alter. Irgendwann überlässt du deine Position einem Jüngeren. Aber soweit sind wir noch nicht.

Rollen von Kehl und Weidenfeller beim BVB klar 

Anführer: Sebastian Kehl (l.) und Roman Weidenfeller (2.v.l.) geben auch im Training die Richtung vor. Foto: dapd
Anführer: Sebastian Kehl (l.) und Roman Weidenfeller (2.v.l.) geben auch im Training die Richtung vor. Foto: dapd

Sie sind beide beim BVB wichtige Führungsspieler.

Kehl: Unsere Rolle in der Mannschaft ist, auch weil wir so viele junge Spieler haben, ein Stück weit durch das Alter geprägt. Wir sind Kapitän und Vize-Kapitän. Und da ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen, in schwierigen Zeiten vorwegzugehen, das Wort zu ergreifen, aufzurütteln und im entscheidenden Moment entscheidende Leistung zu bringen. Das haben Roman und ich, und das soll keine Eigenwerbung sein, in den letzten Monaten und Jahren immer wieder gemacht.

Nehmen die jungen Spieler Rat von Ihnen an?

Weidenfeller: Ich denke, sie schauen schon, wie wir uns verhalten - auf und außerhalb des Platzes. Wir geben gerne die Erfahrung und Tipps an unsere jungen Spieler weiter.

Kehl: Sie wären ja dumm, wenn sie unseren Rat nicht annehmen würden. Früher hatte man andere Hierarchien und andere Ansprachen von den Älteren an die Jüngeren. Heute ist das sehr viel harmonischer. Wir sind ja so gestrickt, dass wir mit unseren Ratschlägen helfen wollen. Und junge Spieler sind gut beraten zu schauen, wie sich ein älterer Spieler in der Öffentlichkeit verhält, wie er regeneriert, was er sonst macht, um fit zu bleiben. Aus Erfahrung kann man viel lernen.

Sind gewisse Hierarchien wichtig?

Weidenfeller: Ja. Ein paar Häuptlinge sind wichtig, nicht zu viele, denn die Mannschaft braucht eine Menge Indianer. Und bei uns hat grundsätzlich jeder die Möglichkeit, etwas ordentliches vorzutragen.

Bei Ihrer ersten Meisterschaft 2002, Herr Kehl, waren Sie Indianer und der BVB hatte sehr viele Häuptlinge.

Kehl: Da hatten wir eine andere Struktur im Kader. Das ist mit heute nicht ganz zu vergleichen. Der Verein und auch Jürgen Klopp prägen nun einen anderen Stil und setzen stark auf junge Spieler. Und so hat sich das Verhältnis von jungen und erfahrenen Spielern gewandelt. Ebenso wie die Spielweise sich verändert hat. Das tut uns gut. Und wir haben Erfolg. Die Mischung aus älteren erfahrenen und jungen hungrigen Spielern scheint auch jetzt wieder zu stimmen.

Weidenfeller: 2002 wurden beim BVB Stars gekauft. Heute werden bei uns die Stars aus den jungen Spielern geformt.

Die Jungprofis heute sind besser ausgebildet

Wie haben sich die jungen Spieler von heute verändert?

Weidenfeller: Sie sind zum einen besser ausgebildet und kommen sehr gut vorbereitet zu uns in den Profikader. Zum anderen, erhalten die Jungs eine Menge Hilfestellung vom Verein, werden früher ins kalte Wasser geworfen, können so schnell auf dem Platz dazulernen.

Kehl: In meiner Zeit gab es keine Internatsstrukturen und keine solche Unterstützung durch den Verein. Ich musste mich alleine durchbeißen, die Tage im Abitur und Profifußball selbst organisieren. Heute bieten die Vereine unglaublich früh viel Hilfestellung. Und die jungen Spieler haben riesige Möglichkeiten, sich zu weiterzuentwickeln. Und es gibt viele Trainer wie zum Beispiel Jürgen Klopp, die sie reinschnuppern lassen. Früher hat man diese Chancen gar nicht so schnell bekommen.

Sie feiern beide 2012 Ihr zehnjähriges Jubiläum beim BVB. Können Sie sich vorstellen, in Dortmund die Karriere zu beenden?

Kehl: Ich habe ja gerade erst verlängert. Der BVB ist ein toller Verein, ich habe ihm viel zu verdanken. Und der Verein hat über die vielen Jahre gespürt, wie wichtig es ist, den einen oder anderen bei der Stange zu halten, auf ihn zu bauen und sich auf ihn verlassen zu können. Ich lass mich mal überraschen, wie das bei mir in den nächsten Jahren weitergeht.

Weidenfeller: Ja absolut. Ich möchte noch gerne ein paar Jahre ein Teil der Borussia sein. Nach zehn Jahren sind mir der Verein und die Stadt ans Herz gewachsen.