Dortmund. . In drei aufeinanderfolgenden Bundesliga-Duellen hat der BVB seinen Revier-Rivalen aus Gelsenkirchen spielerisch deklassiert. Zwei dieser Spiele wurden siegreich gestaltet. Und der jüngste Derbysieg machte Borussia zum Tabellenführer.

Nach der 139. „Mutter aller Derbys“ - einem Spiel, nach dem der BVB einerseits im Liga-Klassement und andererseits in Sachen Bundesliga-Bilanz gegen die Blauen vorne steht - zog es den Großteil der schwarzgelben Schlachtenbummler in die Gaststätte ihrer Wahl. In der Gaststätte meiner Wahl gestaltete sich der erste Wortwechsel denkbar angenehm: „Hier, Dein Bier, Spitzenreiter“ - „Danke, Derbysieger“. So macht ein Spieltag Spaß. Und so gab es in Dortmund (fast) nur Grund zum Feiern.

Ein Derby nach Maß

Denn die ca. 70.000 Borussen unter den 80.700 Zuschauern im Dortmunder Fußballtempel hatten ein Derby gesehen, wie man es sich aus schwarzgelber Sicht nur wünschen kann. Betrachtete man die Spielanteile in der Anfangsphase und die Körpersprache ihrer Protagonisten, konnte man schon nach wenigen Minuten den Sieger der Partie prognostizieren. Schalke 04 war über 90 Minuten nahezu chancenlos, einzig Torwart Unnerstall verhinderte ein Debakel für die Gäste in einem der einseitigsten Revierduelle aller Zeiten.

Robert Lewandowski und Felipe Santana markierten recht unaufgeregt die Treffer, die den Borussen zum Sieg verhalfen und nach dem Schlusspfiff stürmten die Spieler den Zaun, der sie von den treuesten ihrer Anhänger trennte.

„Schnarch 04“ versagt in der „Hinrichtung“

Zu den hochverdienten Schalker Kosenamen „Uschis vom Revier“ und „Die Schalenlosen“ kamen nach dem blau-weiß-blutleeren Auftritt der Knappen noch einige hinzu. Beispielsweise „Schlappe 04“oder, noch passender, „Schnarch 04“.

Kreativer als Fans und Reporter präsentierte sich Schalkes Zehner Holtby nach dem Schlusspfiff: „Wir haben in dieser Hinrichtung versagt“ diktierte er nach der Begegnung in die Mikrofone und Schreibblöcke der Sport-Journalisten. Eine Hinrichtung, lieber Lewis, wäre es wohl ohne Unnerstall tatsächlich geworden.

Fußballfest mit Wermutstropfen

Da nicht nur der Revier-Rivale, sondern auch der Rekordmeister aus München an diesem 14. Spieltag Federn ließ, war es für die meisten Borussen ein perfektes Fußballwochenende. Anscheinend aber nicht für alle. Der Wermutstropfen: Einige wenige BVB-Anhänger waren nach dem Spiel wohl nicht in ausgelassener Feierlaune, sondern spielten stattdessen lieber auf der Hohen Straße in ihrem ganz persönlichen Actionfilm mit.

Kurz nachdem erfreuliche Meldungen wie „Polizei meldet keine Zwischenfälle“ oder „Kaum Ärger nach dem Spiel“ im Netz auftauchten, kam es im Bereich um die LenzsTUbe nämlich noch zu einem außerplanmäßigen Polizeieinsatz, der laut Medienberichten ohne ein Zusammentreffen zwischen beiden Fanlagern provoziert wurde und somit noch weniger mit Fußball zu tun hatte, als jegliche Gewalt es ohnehin schon tut.

Ohne die Sachverhalte abschließend aufgeklärt zu haben, kündigte die Stadt Dortmund deshalb an, zu prüfen, ob man dem Betreiber der Fankneipe, der Dortmunder Ultra-Gruppierung „The Unity“ die Konzession entziehen könne. Unabhängig davon, dass so eine Maßnahme vollkommen nutzlos wäre, würde man mit ihr sicherlich die Falschen bestrafen. Zumindest größtenteils. Deswegen bleibt zu hoffen, dass nicht nur die Stadtangestellten, sondern auch die Polizisten und die Medienschaffenden mehr Augenmaß im Umgang mit solchen Situationen beweisen. Die Diskussion über Gewalt im Fußball findet nämlich bisher nur sehr oberflächlich und tendenziös statt.

Das richtige Ziel verfolgen

Ebenso tendenziös allerdings ist auch der durch Ehrenkodexe, Polizeimaßnahmen und einseitige Berichterstattung hervorgerufene Solidarisierungseffekt mit den Straftätern, der sich in einigen Fankreisen oftmals ausbildet. Wenn man nach solchen Vorfällen nach außen geschlossen auftritt, darf man sich zwar der Zustimmung und Dankbarkeit der Randalierer sicher sein, bewegt aber auch Außenstehende nicht grade dazu, zu differenzieren. Würde man diese wirklich wenigen Einzeltäter, die nicht in der Lage sind, friedlich ein Fußballspiel zu besuchen, hingegen ausgrenzen und sich eben nicht mit ihnen, sondern dem ganzen großen Rest der riesigen schwarzgelben Fangemeinde solidarisieren, wäre das mit Sicherheit zielführender. Vielleicht nicht in allen, aber mit Sicherheit in einigen Fällen. Vorausgesetzt, man verfolgt das richtige Ziel. Nämlich Ausschreitungen um Bundesligapartien herum zu verringern.

Die Dortmunder Fanszene ist, eingedenk ihrer enormen Größe und auch im Vergleich mit anderen Fanszenen, sicherlich ziemlich besonnen. Dortmund-Fans - und vor allem auch den oftmals unter Generalverdacht stehenden Ultras - gelingt es zum Glück sehr häufig, positiv auf sich und den BVB aufmerksam zu machen. Da braucht man nur mal im europäischen Ausland nachzufragen. Dass dann einige wenige nach so einem tollen Sieg für negative Schlagzeilen sorgen, ist schade.

Hoffentlich gibt es da innerhalb der betroffenen Personenkreise die notwendige Selbstreinigungskraft. Hoffentlich versteht die Stadt Dortmund, dass es absolut unverhältnismäßig wäre, eine ganze Fangruppe wegen solcher Vorkommnisse noch weiter auszugrenzen. Und hoffentlich wird nach solchen Zwischenfällen in Zukunft weniger häufig in unreflektierter Art und Weise von „den Ultras“ oder sogar „den Fußballfans“ gesprochen.

Mit Fußball hat so etwas nicht das Geringste zu tun. Und mit Liebe zur Borussia, der man mit so etwas immer schadet, ganz sicher auch nicht. Fußball wird am Samstag wieder gespielt. Auf einem Ponyhof nahe Mönchengladbach, wo der Tabellenführer beim Tabellenzweiten auf Fohlenjagd geht.

28.11.2011, Rutger Koch (Gib mich DIE KIRSCHE)