London/Dortmund. . Auch wenn rein rechnerisch der Einzug in die nächste Runde noch möglich ist, ist Borussia Dortmund nach der bitteren 1:2-Niederlage bei Arsenal London aus der Champions League ausgeschieden. Wie so oft in der jüngeren Europapokalgeschichte der Borussen war auch diese Pleite vor allem eins: unnötig.
Machen wir uns nichts vor: Nach der 1:2-Niederlage am Mittwochabend bei Arsenal London ist der BVB raus aus der Champions League.
Deswegen jetzt den Stab über diese Mannschaft zu brechen und ihr gehobenes Niveau abzusprechen, ist allerdings ebenso unnötig. Sicher wird es Kommentatoren geben, die nun wieder von „Naivität“ oder „fehlender Cleverness“ sprechen, doch das trifft es nicht. Der BVB ist in London nicht - wie beispielsweise in Marseille und Piräus - mit fliegenden Fahnen blindlings ins Verderben gestürmt, sondern hat sich bemüht, besonnen und clever auf seine Chancen zu warten, ohne seine Deckung zu entblößen.
Das Scheitern dieses Plans ist zu einem großen Teil einer riesigen Portion Pech geschuldet, dass auch „größere“ Mannschaften nicht so einfach weggesteckt hätten. Denn gleich zwei Schlüsselspieler frühzeitig durch Verletzungen zu verlieren, dass steckt keiner so einfach weg. Und der BVB verlor Mario Götze, das Herzstück seiner Offensivabteilung, bereits bei dessen erster Aktion. Ein Zusammenstoß, ein Pferdekuss und das war’s. Da half kein Eis, Götze war draußen, ohne nennenswert ins Spiel eingegriffen zu haben, auch wenn sich die Medizinmänner nach Kräften mühten, das Unausweichliche noch herauszuschieben.
Verschwörung
Dass sich an diesem Novemberabend in der britischen Metropole so gut wie alles gegen den deutschen Meister aus Dortmund verschworen hatte, wurde wenige Minuten später klar, als Sven Bender nach einem Zweikampf mit anschließender Flugeinlage des Gegenspielers auf dem Rasen liegenblieb. Jedem war sofort klar: Wenn „Manni“ nicht mehr aufsteht, dann ist Schlimmes passiert (doppelter Kieferbruch. Gute Besserung von dieser Stelle, lieber Sven!) . Nach seinem offensiven Herz war Borussia Dortmund auch seines defensiven Schlüsselspielers beraubt, gerade einmal 25 Minuten waren gespielt. Nur vier Minuten später musste auch Götze ausgewechselt werden, der allerdings faktisch schon längst nicht mehr im Spiel war. Und das soll eine Mannschaft einfach so wegstecken, dass nach nicht mal einer halben Stunde die beiden vielleicht wichtigsten Spieler nicht mehr auf dem Feld stehen? Bei aller Liebe, nein! Das kann kein Mensch erwarten.
Es spricht für die Moral und die Klasse dieser Mannschaft, dass sie Arsenal dennoch weiter „am Haken“ hatte. Nur leider fehlte wie so oft auf europäischem Parkett die Durchschlagskraft in der Offensive. In der Champions League rächt es sich eben leider, wenn gute Chancen so leichtfertig vertan werden wie jene von Shinji Kagawa, der ein sensationelles Lewandowski-Zuspiel nicht zu nutzen vermochte. Ob Arsenal einen Rückstand gegen den BVB aufgeholt hätte, ist zumindest zweifelhaft. Denn übermächtig war dieser Gegner beileibe nicht.
Der BVB verliert in London
Der Gastgeber ging nicht als Sieger vom Platz, weil er das weit bessere, überlegene Team gestellt hätte. Nein, die „Gunners“ gewannen, weil Borussia Dortmund zweimal gütige Mithilfe leistete und sie zu Treffern förmlich einlud. Und sie gewannen, weil sie Leute in ihren Reihen haben, die verdammt viel Klasse besitzen. Alexandre Songs Vorarbeit zum Führungstreffer war, wenn man kein Schwarz-Gelber ist, schon sehenswert. Frech, wie er durch drei Dortmunder hindurch tanzt, als wären die gar nicht da. Aus Dortmunder Sicht unverzeihlich, dass drei Mann nicht imstande sind, den Kerl am Flanken zu hindern. Auch das zweite Tor war überflüssig wie ein Kropf, nicht ein Ansatz von Zuordnung in der Hintermannschaft war erkennbar. Warum ausgerechnet Robin van Persie im Strafraum „blank“ steht, muss man nicht verstehen. Solche Fehler werden von solchen Gegner halt unmittelbar bestraft.
Weiterkommen wäre absurd
Fast schon absurd ist die Tatsache, dass der BVB nach der dritten Niederlage im fünften Spiel noch immer weiterkommen kann. Besonders realistisch ist das nicht. Borussia müsste mit mindestens vier Toren Unterschied gegen Marseille gewinnen, Piräus zugleich gegen Arsenal verlieren. Besonders das zweite „wenn“ lässt mich zweifeln: Die Griechen spielen zuhause, die Londoner sind bereits als Gruppensieger für die K.o.-Runde qualifiziert. Was werden sie also groß machen? Mit einer besseren Reserve in Griechenland antreten, um die Spitzenleute zu schonen. Davon sollte man sich nicht allzu viel versprechen, sondern den Tatsachen ins Auge sehen und sich vom Europapokal verabschieden. Europa sei allerdings gesagt: So schnell werdet ihr uns nicht mehr los, wir kommen wieder!
Machen wir also einen Häkchen an die Geschichte und schauen nach vorn. Es ist vielleicht eine glückliche Fügung, dass es nun ausgerechnet gegen die „Blauen“ geht. Eine bessere Form der Frustbewältigung als einen Derbysieg ist doch weder für die Mannschaft noch ihre Fans vorstellbar. Über Europa reden wir dann in zwei Wochen nochmal, am 6.12. spielt Borussia gegen Olympique Marseille. Vielleicht ein gutes Omen: Dortmund hat schon einmal an einem Nikolaus-Abend ein Fußball-Wunder erlebt: 1994 gegen La Coruna. Man wird ja wohl noch träumen dürfen...
Uli Vonstein (www.die-kirsche.com), 24.11.2011