Hannover. Borussia Dortmund muss in der Fußball-Bundesliga den nächsten Rückschlag hinnehmen. Bei Hannover 96 war der BVB lange überlegen und führte dank Shinji Kagawa. Doch in der Schlussphase ließ sich die Klopp-Elf das Spiel aus der Hand nehmen.
Im Lehrbuch der Fußballgeschichte findet sich unter dem Stichwort „In Rekordzeit aus der Hand gegebene Spiele“ die Niederlage von Bayern München im Champions-League-Finale von 1999 gegen Manchester United. Bis in die Nachspielzeit hatten die Bayern 1:0 geführt. Dann gelangen den Engländern noch zwei Tore. Die 1:2-Niederlage von Meister Borussia Dortmund am Sonntag bei Hannover 96 war in Sachen Titel und Tränen weniger spektakulär. Aber bei Dramatik und Aufregung nahm die Schlussphase in der mit 49 000 Zuschauern ausverkauften AWD-Arena eindeutig Anleihen beim legendären Endspiel von 1999.
Die Dortmunder fühlten sich in der Schlussphase schon als Sieger. Endlich mal wieder. Der letzte Auswärtserfolg war den Gästen im Februar 2011 gelungen. In der laufenden Saison hatten sie noch nicht mal ein Tor auf fremden Rasen geschossen. Und so wirkte das 1:0 in der 63. Minute von Shinji Kagawa wie eine Erlösung. Für den zuletzt in der Liga schwächelnden Meister und für den Torschützen aus Japan.
Toni da Silva ersetzte Bender
Kagawa, der die gesamte Meister-Rückrunde verletzt gefehlt hatte, war sehr gut durch die Vorbereitung gekommen. In den ersten Saisonspielen konnte er aber nicht annähernd an seine beeindruckende Hinrunde aus der letzten Saison anknüpfen. Nach einem Einzelgespräch mit Trainer Jürgen Klopp hatte der Japaner schon in der Champions League gegen den FC Arsenal aufsteigende Tendenz gezeigt. Am Sonntag belohnte er sich dann mit seinem ersten Treffer seit Dezember 2010.
Toni da Silva, der wie erwartet mit Ilkay Gündogan Sebastian Kehl (Sperre) und Sven Bender (Faserriss) im defensiven Mittelfeld ersetzte, spielte den Ball an die Strafraumgrenze. Über den strauchelnden Robert Lewandowski landete die Kugel bei Kagawa, der sich gegen Emanuel Pogatetz durchsetzte und sein umjubeltes Tor erzielte.
Es war die „verdiente Führung“ (Hannover-Trainer Mirko Slomka) für die Dortmunder, die bis dahin die defensiv eingestellten Gastgeber im Griff gehabt hatten. Einzig im Abschluss haperte es wieder mal. Die Führung wollte lange Zeit nicht fallen. Bis zum Comeback-Treffer von Kagawa. Danach hatten die Dortmunder, die vier Jahre nicht gegen Hannover verloren hatten, weitere gute Chancen.
Kagawa noch der Beste beim BVB
Das nächste Tor erzielten aber die ab der 75. Minute stärker aufkommenden Gastgeber. In der 83. Minute hatte Karim Haggui mit einem Kopfball die Latte getroffen. Vier Minuten später traf der 96-Kapitän dann, nach einer Ecke, ebenfalls per Kopf und kaum bedrängt von Leibwächter Neven Subotic, zum 1:1. In der Szene vor der Ecke hatte der BVB noch Glück gehabt. Schiedsrichter Peter Gagelmann übersah ein Handspiel von Toni da Silva im Strafraum. Der Jubel über den Ausgleich war in der AWD-Arena noch nicht abgeebbt, da durften die in der Liga zuletzt ebenfalls schwächelnden Hannoveraner abermals jubeln. Didier Ya Konan kam in der 89. Minute an der Strafraumgrenze unbedrängt zum Schuss und traf.
Die Gastgeber jubelten so aufgeputscht, als hätten sie gerade eine Palette Red Bull runtergeschüttet. Beim BVB sah man nur elf Indianer vom Stamm der hängenden Köpfe. Einzig Jürgen Klopp zeigte an der Linie einen Veitstanz und wollte seine Jungs so noch einmal antreiben. Erfolglos. „Wir haben das Heft aus der Hand gegeben. Das darf nicht passieren. Und das fühlt sich so fies an, wie man es sich vorstellt“, haderte Klopp nach dem Abpfiff. „Wir werden uns zusammensetzen und das besprechen müssen“, kündigte der BVB-Trainer an. Mit der dritten Niederlage im sechsten Saisonspiel, gerade mal sieben Punkten und Tabellenplatz 11 ist der Meister-Fehlstart jetzt perfekt. „Vor dem Spiel am Samstag in Mainz haben wir richtig Druck“, sagte Klopp.