Dortmund. .

Die Rote Karte gegen Mario Götze brachte Borussen-Trainer Jürgen Klopp auf die Palme. „Emotional herausragend“ oder „geistig gestört“ – egal, wie die Kommentare lauten: Deutschland diskutiert wieder über Trainer.

Eine Bundesliga-Saison ohne weitreichende Diskussion über die Trainerzunft der Liga ist in der heutigen Zeit wohl so unwahrscheinlich wie eine Päpstin im Vatikan. Spätestens wenn der erste ambitionierte Bundesligist in den Tabellenkeller der Liga abstürzt, füllen sich die Textspalten der Zeitungen und die Sendeminuten im Fernsehen mit Spekulationen über einen der 18 begehrtesten Plätze der deutschen Trainerzunft.

Nun besitzt die aktuelle Tabelle nach erst vier absolvierten Spielrunden so viel Aussagekraft wie ein Interview mit Lothar Matthäus und doch beherrscht zu Wochenbeginn ein Trainer die Medien. Einer, der den Umgang mit selbigen beherrscht, wie kaum ein anderer: Jürgen Klopp. Der Dortmunder Meistertrainer echauffierte sich am vergangenen Samstag im Interview mit dem Bezahlsender Sky dermaßen über Moderator Ecki Heuser und seine Sicht über die Rote Karte für Mario Götze, dass die Meinungen über den ehemaligen „TV-Bundestrainer“ mal wieder von „emotional herausragend“ bis „geistig gestört“ reichen. Nun sind die Ausraster des schwarz-gelben Übungsleiters nicht erst seit seinem Amtsantritt an der Strobelalle so bekannt wie der BVB an sich - sie häufen sich aber unstrittig zu einem diskussionswürdigen Thema an.

Klopps Gratwanderung

Das Klopp-Interview am Samstag Abend kurz nach Spielschluss des Topspiels zwischen Bayer Leverkusen und dem amtierenden Meister aus Dortmund war ein Paradebeispiel für die schmale Gratwanderung, die Jürgen Klopp stets begleitet. Ein Gang zwischen „sympathisch eloquent“, wenn er schelmisch und frech in das Mikrofon grinst und selbst einen José Mourinho wie die portugiesische Ausgabe von Berti Vogts aussehen lassen würde, und „aufbrausend unverschämt“, wenn Kraftausdrücke und wilde Gesten einer Blutgrätsche mit Anlauf ähneln. Es sind die zwei Gesichter des Jürgen Klopp, die immer wieder zu einer gespaltenen Meinung über den Diplom-Sportwissenschaftler führen.

Es mag fußballinteressierte Menschen geben, denen die Art eins Felix Magath, nämlich die eines selbstverliebten und verbitterten Kolonialherrschers an der Seitenlinie, besser gefällt, als die des emotional aufbrausenden Kumpeltyps Klopp. Was es aber nicht geben dürfte ist die unterschiedliche Art und Weise der Auslegung der Charakterzüge im Erfolgs- und Misserfolgsfall. Klopps emotionale Ausbrüche, wie die seines Jubellaufs von Hamburg, als er nach dem Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit wild gestikulierend durch den Volkspark rannte, überschwänglich als „sympathisch und fannah“ zu feiern, bedeutet auch, dass man ihm auf der anderen Seite zugestehen sollte, negative Dinge so anzusprechen, wie wir Fans es im Stadion oder vor dem Bildschirm auch tun. Emotional, impulsiv und sicherlich nicht immer ganz Knigge-konform. Denn was hat der Mann mit der Brille und dem Drei-Tage-Bart am Samstag verbrochen? Er hat sich schützend vor seinen 19-jährigen Mittelfeldspieler gestellt und eine wiederholte Frage temperamentvoll, konsequent und frech zurückgespielt. Er hat nichts anderes gemacht, als das was er immer tut und genau die Authentizität gezeigt, die nicht wenige an ihm so mögen und schätzen. Wir sahen den Fußballtrainer Klopp, der sagte, was er fühlte. Und der sich an der Seitenlinie nicht anders verhält als vor der Kamera.

Eine andere Reaktion am Samstag hätte sich für mich daher zumindest so angefühlt, wie Weihnachten unter Palmen oder eine Bundesliga-Saison ohne Trainerdiskussion.

(29.08.11 – Christoff Strukamp – die-kirsche.com)