Dortmund. .

Wir leben nun mal in schnelllebigen Zeiten. Nichts hat bestand. Nicht mal Hierarchien. Und so erfahren wir auch im beschaulichen München in diesen Tagen den munteren Zerfall von Zweckbündnissen. Hoeness hier, Nerlinger da und mittendrin ein Louis van Gaal auf Abruf, dem der Wind nach der Dortmunder Demütigung gegen seine selbstverliebten Bayern eiskalt ins ohnehin schon faltige Gesicht bläst.

„Das war teilweise ja fast eine Lehrstunde für den FC Bayern“, stellte Ex-Kapitän und Bayern-Ikone Oliver Kahn im Nachgang fast erschrocken fest. Ja, sie müssen sich Sorgen machen, die Präsidialen beim Ligaprimus. All ihre Millionen garantieren ihnen keinen Erfolg. Und wenn in ihrem Wohnzimmer dann ein Team derart dominant auftritt, welches mit nur einem Drittel des bajuwarischen Spieleretats aufgebaut worden ist, erzeugt das zudem lange Gesichter. Das unbedingt erwähnenswerte dabei: Die Personalkosten des BVB sanken antizyklisch von 57 Millionen Euro pro Jahr auf heutige 25 Millionen.

FC Bayern-Manager Christian Nerlinger, der ja in Dortmund-Wambel vor 37 Jahren das Licht der Welt erblickte, muss ob dieser Tatsache indes noch viel von seinem Vorbild lernen. Zwar hat er sich ihm optisch bereits rasant schnell angenähert, doch müssen die Versuche, seinem Meister auch verbal durchschlagskräftig nachzueifern, als mitunter kläglich gescheitert angesehen werden. Eine „auf jeder Position besser besetzte“ Bayernmannschaft musste des Öfteren dem schnellen Umschaltspiel des Tabellenführers staunend hinterher schauen. Ob Holger Badstuber oder Anatolij Timoschtschuk, ob der orientierungslos wirkende Bastian Schweinsteiger oder der indisponierte Danijel Pranjic - sie alle sahen oft nur die Hacken der Schwarzgelben.

Anders dagegen die Meinung der Dortmunder. Eine Interview-Aussage von Mats Hummels lässt einen da schon fast kopfschüttelnd und schmunzelnd zurück: „Es kann noch sehr viel schiefgehen, das ist ja das Problem. Wir können theoretisch jedes Spiel verlieren, das noch kommt.“ Meisterhaftes Understatement, oder fast schon englisch anmutender Humor?

Die Dortmunder Startelf, die – man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen –

im Schnitt erst 22,7 Jahre „jung“ war, erarbeitete sich nicht nur drei Punkte, sondern so ganz nebenbei auch gehörigen Respekt und einen tollen Imagegewinn (das Spiel wurde immerhin in 198 Länder übertragen). Dass Jürgen Klopp damit die jüngste des BVB-Elf aller Zeiten aufbot, die zweitjüngste der Bundesliga überhaupt, ist unterdessen nur eine weitere Randnotiz. Das gelungene Debüt von „Youngster“ Mitchell Langerak im Tor spricht ja für sich. Jeder ist sofort da, wenn er gebraucht wird.

Was haben wir hier und anderswo schon alles über diese Borussia der Saison 2010/11 geschrieben. Man kann es drehen und wenden wie man will, man wird diesem Durchmarsch nicht mit guten Worten gerecht. Und es ist geradezu paradox; in Zeiten stetigen Werteverfalls und dahin schmelzenden Halbwertzeiten, entsteht hier etwas Gewachsenes. Hier reift längerfristig was Großartiges heran unter dem Siegel von (vertraglich festgeschriebener) Kontinuität und jeder Menge Spaß.

Und da darf es gewiss auch nicht als bloßer Zufall gewertet werden, dass es ausgerechnet dem etatmäßigen Borussen-Kapitän bei seiner Rückkehr gefällt, als erster davon zu sprechen, „dass wir bis Saisonende oben bleiben“ wollen. Gerade er, dessen Karriere von so viel Pech durchzogen worden ist wie bei wenigen vorher, kann sich absolut als Teil dieser Mannschaft empfinden. Immer nah dran kennt er wie kein anderer, die Befindlichkeiten der Dortmunder in Team und Umfeld. Wenn gerade „Kelly“ sich jetzt nach dem Etappensieg in München so weit vorwagt, dann ist der Spurt auf die Zielgerade für alle Beteiligten eröffnet. Oder anders ausgedrückt: „Die Unken haben Sprechverbot“, wie es Fritz Eckenga mal so schön formuliert hat. Ich weiß ja nicht wie es Euch so ergeht, aber ich habe mir das komplette Wochenende am 14./15. Mai längst frei gehalten…

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