Sevilla.

Borussia Dortmunds Europa-League-Gegner FC Sevilla galt lange Jahre als Musterbeispiel, wie ein kleiner Verein Großes leisten kann. Die Idealisten sind aber um einen Traum ärmer.

In der Kabine feierte der FC Sevilla den Gewinn des spanischen Königpokals mit Champagner, als der Planer des Erfolgs, ihr Sportdirektor Monchi, um das Madrider Bernabéu-Stadion schlich, um bei einem Journalisten eine Zigarette zu schnorren. Es war Monchis stille Belohnung in jenem Juni des Jahres 2007.

Der FC Sevilla hatte soeben innerhalb eines Monats den Uefa-Cup und den spanischen Pokal erobert. Alle, die daran glauben, dass auch im Profifußball mit Logik und Systematik für kleine Klubs große Erfolge möglich sind, sahen in Monchis Sevilla ihr Modell. Doch wenn die Spanier am Mittwoch (21.05 Uhr, live im DerWesten-Ticker) in der Europa League mit Borussia Dortmund darum kämpfen, die Vorrunde zu überstehen, sind die Idealisten um einen Traum ärmer: Aus dem Uefa-Cup-Sieger von 2006 und 2007 ist nur ein weiteres Beispiel geworden, dass ein Klub selten dauerhaft über seine natürlichen Grenzen wachsen kann.

Glücksfall Monchi

Auf Platz elf der spanischen Liga ist der FC Sevilla zurückgefallen, in der Champions League-Qualifikation gescheitert, die jüngsten fünf Spiele verlor er allesamt. Dabei arbeitet der Klub nach denselben Kriterien, die einen Zweitligisten innerhalb weniger Jahre in eine europäische Spitzenelf verwandelten. Doch ein Mittelklasseverein, der in die Liga der Schwergewichte schleicht, bewegt sich sportlich und finanziell so am Limit, dass ihn kleine Misskalkulationen und Fehler aus dem Gleichgewicht werfen können. Sevilla, Leeds, La Coruna, Bremen – der Vereinsname dieser Geschichte ist austauschbar.

Sevillas Manager Monchi
Sevillas Manager Monchi

Sevillas Glück war (und ist) ein ehemaliger Ersatztorwart, der nach eigener Aussage „immer Durchfall bekam, wenn ich mal spielen musste“. Ramón Rodriguez, nur unter seinem Kosenamen Monchi bekannt, erwies sich als Sportdirektor mit einer Begabung: unter all den guten Profis des globalen Markts die guten Profis mit dem Etwas zu finden. Dani Alves, Luis Fabiano, die Liste der guten Profis, die sich in Sevilla als Extraklasse entpuppten, ist über 20 Zeilen lang.

Mit seiner Trainerauswahl sorgte der Klub dafür, dass die Grundidee der Elf – mit schnellen Dribblern über die Flügel angreifen – über Jahre konstant blieb. In einem stabilen Klima entwickelt sich ein Fußballer besser.

Doch während Sevilla Pokale sammelte, musste es feststellen, dass es mit Eintrittskarten und Fernsehrechten nie genug verdienen würde, um eine Weltklasseelf zu finanzieren. Das Durchschnittsgehalt stieg seit 2002 von 400 000 auf 1,5 Millionen Euro. Um das Jahresbudget von nun 107 Millionen Euro zu stemmen, muss der Klub jedes Jahr ein Viertel des Geldes bei Spielertransfers einnehmen. So verkaufte Sevilla seine Besten, Sergio Ramos, Dani Alves, José Reyes und viele mehr. Dank Monchis Auge konnte man den sportlichen Verlust immer ausgleichen – bis zu dieser Saison.

Diesmal ging Abwehrchef Sébastien Squillaci zum FC Arsenal, Adriano nach Barcelona, dann verletzte sich Weltmeister Jesús Navas, Stürmer Luís Fabiano hat den Blues, so setzte die Dynamik des Misserfolgs ein. „Eine Truppe mit der Moral am Boden“, erkennt Trainer Gregorio Manzano. Es hat etwas Zwangsläufiges, dass in einer Elf, die ständig die Besten veräußert, irgendwann die Puzzleteile nicht mehr passen.

Die existenzielle Frage für übergroß gewordene Mittelklasseklubs wie Sevilla oder Bremen ist, ob sie sich dem Strudel widersetzen können, in den sie eine missglückte Saison oft schon bringt: Qualifizieren sie sich nicht für die Champions League, fehlen fast 20 Prozent des Budgets, es müssen immer mehr Klassespieler verkauft werden, so verschwand etwa La Coruna wieder im Mittelmaß.

Schon wird in Sevilla sogar Monchi kritisiert. Das Publikum hat kein Gedächtnis. Es erinnert sich nicht, wo dieser Klub herkam. Monchis erste Dienstreise, um für den Zweitligisten Sevilla erschwingliche Profis zu finden, führte ihn 2000 nach Argentinien – zu einem Drittliga-Spiel. Die Paarung lautete: Gymnastik Yuyu gegen FC Eisenbahn West.