Dortmund. .

Schlägt man mal in Enzyklopädien nach, wird das oft verwendete, englische Wort Party mit „Feier und Gesellschaft zu einem bestimmten Anlass“ gleichgesetzt. Diese Art von Feiern werden derzeit in Dortmund im Umfeld der kickenden Zunft in regelmäßigen Abständen praktiziert. Der grund dafür ist eine Mannschaft in schwarz und gelb, die alle begeistert.

Gewiss, nimmt man einmal die schwarzgelbe Brille ab und schaut genauer hin (und das werden die Trainer sicher tun), bleiben kleinere, kosmetische Schönheitsoperationen von für uns auf der Tribüne zu vernachlässigenden Korrekturen. Denn das was wir sehen, erleben und feiern, ist mehr als nur Inhalt einer Spaßgesellschaft. Es deutet vieles darauf hin, dass hier der Grundstein gelegt wurde für die Wiedergeburt einer großen Mannschaft, die Titelambitionen nicht mehr grundsätzlich ausschließen lässt.

Bank als Garant für Stabilität

Dafür sprechen mehrere Faktoren. Ein Garant für die Stabilität über die gesamte Partie ist die Bank. Dort sitzen Spieler, die – wie es Aki Watzke so süffisant formulierte – bei anderen Clubs in der Startformation zu finden wären. Die „Polenfraktion“ um Robert Lewandowski und Jakub Blaszczykowski beispielsweise. Beide kamen rein und trafen in Hannover. Zufall? Nein, eher Beleg eines gelebten und wahrzunehmenden Zusammengehörigkeitsgefühles. Und ein „Mo“ Zidan kommt ja erst noch zurück. Mit ihm gibt es eine weitere Alternative mit Anspruch auf die erste Elf im Kader. Glänzende Perspektiven also. Bei aller Tiefstapelei.

Robert Lewandowski kam von der Bank und traf.
Robert Lewandowski kam von der Bank und traf.

Kein Wunder, dass die Fans aus dem Häuschen sind. In Paris habe ich allein 85 Busse gezählt. In Hannover waren es wieder 8000-9000 Fans, die alte Gassenhauer aus den Meisterjahren zu neuem Leben erweckten. Und mal ehrlich, was ist schon dabei? Nuri Sahin hatte erst vor kurzem mehr als deutlich erklärt, dass die Mannschaft das zwar sehr wohl wahrnehme, aber damit umzugehen wisse. Weiß sie das wirklich? Bei einem Altersschnitt von knapp 23 Jahren im Team? Kann man da wirklich so viel Ratio voraussetzen?

Mein Gott, lasst sie doch Freude haben und jede Woche hören, dass sie Deutscher Meister werden. Desto eher verinnerlichen sie es und gehen diesem Ziel allwöchentlich weiterhin so konsequent nach, wie bisher.

Starkes Team hinter dem Team

Es wird immer so viel von Jürgen Klopp und dem „Weg von Borussia“ gesprochen. Unzweifelhaft gebührt ihm ein großes Verdienst an dieser Leistungsexplosion – keine Frage. Aber es ist mehr, viel mehr. Zum einen muss man von einem „Team hinter dem Team“ sprechen. Angefangen von der Troika der Verantwortung Watzke, Zorc und Klopp, harmoniert besonders das Trainergespann daneben optimal miteinander. Zum einen natürlich Željko Buvač, seines Zeichens Chefanalytiker, und Peter Krawietz, genannt „Das Auge“ - die rechte und die linke Hand des Jürgen Klopp. Die immer wieder bestaunte Fitness ist ebenso kein Zufall. Diplom-Sportlehrer Oliver Bartlett, fünf Jahre an der Sporthochschule in Köln, Athletik- und Fitness-Coach und staatlich anerkannter Physiotherapeut, bringt Erfahrungen mit Leistungssportlern aus verschiedensten Sportarten beim BVB ein. Wie man allwöchentlich sehen kann, hat es sich gelohnt, um seinen Verbleib zu kämpfen.

Doch das alles stand auch in der vergangenen Saison zur Verfügung. Da muss es noch einen anderen Faktor geben. Und in der Tat, findet man ihn bei näherer Betrachtung. Er heißt Zusammenhalt! Die Mannschaft ist in sich geschlossen, gefestigt und versteht sich gut. Die einen nennen es „Guppendynamik“, andere sagen schlicht „Disziplin“ dazu. Fakt ist: sie verstehen sich auf dem Platz, rennen füreinander und erarbeiten sich den Erfolg gemeinsam. Und die, die dann von der Bank ins Geschehen geworfen werden, knüpfen nahtlos da an, wo der ausgewechselte Kollege zuvor geackert hat. Was schert da die 300. Frage nach Verschleiß und Müdigkeit? Erfolg macht nicht müde, sondern hungrig! Und da diese jungen Borussen noch nicht viel an sportlichen Erfolgen vorzuweisen haben, marschieren sie halt weiter wie im Rausch. Sie sehen ja, dass – wenn man sich seiner vorgegebenen Tugenden besinnt – jeder zu schlagen ist. Da kann man ihnen nur zurufen: Macht weiter so! Wir sind schon jetzt stolz wie Oskar auf Euch. Freitag kommt der Hamburger Sportverein ins Westfalenstadion. Es könnte wieder ein Fußballfest werden und ich bin sicher, dass alle wieder dabei sein werden. Mit Freude im Herzen.

(08.11.10 – Holger W. Sitter– www.die-kirsche.com)