Dortmund. .
Es war schon ambivalent, was sich da nach dem Abpfiff des Europa-League-Spiels zwischen Borussia Dortmund und dem FC Sevilla im Westfalenstadion abspielte: Stehende Ovationen und begeisterte Sprechchöre für die Mannschaft, die den Rasen als Verlierer verlassen musste.
Die Zuschauer wussten, warum: Der Fußballgott war an diesem Tage leider zu früh schlafen gegangen, und das offenbar auch noch im blau-weißen Nachthemd…
Enttäuschend waren lediglich der sportlich limitierte Gast sowie der Zuschauerzuspruch. Das aus Spanien nur 38 Fans kamen, ist verständlich, bei dem unattraktiven Mist, den der FC Sevilla auf den Rasen bringt. Aber von uns hätte ich mehr erwartet: Da mischt der BVB seit Wochen alles auf und dann bleiben beim ersten echten Europapokalspiel seit Jahren über 10.000 Plätze frei. Das sollte zu denken geben!
Nach der bitteren, unnötigen und unverdienten Niederlage wird es sicher Stimmen geben, die behaupten, die junge Dortmunder Mannschaft habe Lehrgeld bezahlen müssen. Auf diesem „Niveau“ reiche es eben nicht, herzerfrischenden, schwungvollen Fußball zu zeigen, da müsse man „clever“ spielen, „abgezockt“, „routiniert“. So oder ähnlich werden sie argumentieren. Man mag das so sehen, vielleicht ist auch etwas Wahres daran, allein: es trifft auf dieses Spiel nicht zu!
Schon in der ersten Halbzeit hat die Borussia den spanischen Gast an die Wand gespielt, ihm den Schneid abgekauft. Ihn gezwungen, Rückwärtsfußball zu spielen. Die Verunsicherung war dem vermeintlichen Spitzenteam aus der Primera Division deutlich anzumerken, dem Dortmunder Schwung hatte es nichts, gar nichts entgegenzusetzen. Bis zu jenem unglückseligen Moment kurz vor der Pause, in dem Marcel Schmelzer an der Außenlinie ein taktisches Foul beging, dessen Notwendigkeit fraglich war und für das er Gelb kassierte. Musste er da so einsteigen? Dachte er vielleicht, „ich hau den um, dann ist ohnehin Halbzeit“? Hätte, wenn und aber - diese Überlegungen sind Makulatur.
Keinerlei Vorwurf an Schmelzer: Er konnte nicht ahnen, dass nach dem Freistoß die komplette Hintermannschaft des BVB gedanklich schon in der Kabine war und sich so ein saudummes, überflüssiges Gegentor fingt. Das den Spielverlauf in einer Art und Weise auf den Kopf stellt, der Menschen mit nervösem Magen dazu veranlasst hätte, zwei bis drei der jüngsten Mahlzeiten… - lassen wir das.
Verdammt glücklos
Der Seitenwechsel änderte nichts am Geschehen, weiter spielte nur Schwarz-Gelb. Schön, viel versprechend und leider so verdammt glücklos. Zu allem Überfluss hatten sich offensichtlich auch noch höhere Mächte gegen den BVB verschworen. Bei uns im Block standen abwechselnd der Fußballgott, die Wettmafia und der Schiedsrichter bzw. die Kombination aus den beiden letzteren Komponenten hoch im Kurs. Der Referee aus England ganz besonders, als er Schmelzer vom Platz warf. Unfassbar, unser Außenverteidiger marschiert, ein Spanier fliegt mit gefühlten 230 km/h ran, Schmelzer fällt - und der englische „Unparteiische“ erkennt darin ein Schwalbe. Und zückt zum zweiten Mal eine Karte, stellt ihn vom Platz.
Diese Situation, gepaart mit einigen weiteren Entscheidungen, ließ für die aktuelle Kolumne meiner Ansicht nach nur einen roten Faden zu: eine Reminiszenz an den ehemaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer. Das, was er einst Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen an den Kopf warf („Mit Verlauf Herr Präsident, sie sind ein Arschloch“), gedachte ich, Schiri Michael Dean mittels dieses Beitrages wissen zu lassen.
Blamable Fehleinschätzung
Es wäre eine blamable Fehleinschätzung gewesen. Denn der Pfeifenmann war nicht Schuld an der Dortmunder Niederlage, obwohl er oft komisch entschieden hat. Aber bei zwei der drei Knackpunkt-Szenen lag er wohl richtig, wie die Fernsehbilder nahe legen. Als der Gäste-Keeper den Strafraum verließ, gab er das Spielgerät millimetergenau an der Linie frei. Kein Vergehen. Das vermeintliche Handspiel eines spanischen Verteidigers - „Elfer!!!“; unser gesamter Bock schwor in der Sekunde, es aus 80 Metern haargenau gesehen zu haben – schien eine Aktion mit breiter Brust und somit regelkonform gewesen zu sein.
Indiskutabel hingegen war die Herausstellung Schmelzers. Zwar wurde er nicht berührt. Aber der Gegenspieler rauscht heran eine Gerade von Wladimir Klitschko. Der Junge ist doch kein Simulant, wenn er da vorsichtshalber abhebt, damit ihm nicht sämtliche Innereien ungebeten neu sortiert werden müssen. Wenn das eine Schwalbe war, dann ist El Kaida eine Unterorganisation des Kinderhilfswerks Unicef.
Charakterstark Sympathien gewonnen
Auch mit einem Spieler weniger dominierte die Borussia das Geschehen, erspielte sich dicke Chancen, hätte den Ausgleich und mehr verdient gehabt. Es sollte nicht sei, das Glück war dem BVB einfach nicht hold. Es gibt so Tage, daran ist nichts zu ändern. Die Mannschaft muss sich keinen Vorwurf gefallen lassen. Festhalten darf man sicher, dass der BVB auch auf internationaler Ebene einem Gegner sein Spiel aufzwingen kann. Sie kann mithalten, das ist sehr erfreulich. Trotz der Niederlage hat das Team große Charakterstärke bewiesen, Sympathien gewonnen. So gesehen war die Nummer gegen Sevilla als Lehrgeld nur ein Cent-Betrag. Den kann selbst so ein klammer Verein wie der unsere verschmerzen.
Uli Vonstein (www.die-kirsche.com), 30.09.2010