Dortmund. Beim 2:1 gegen Leipzig geht BVB-Kapitän Marco Reus voran und erzielt das wichtige 1:0. Er ist nicht der einzige unverhoffte Held.

Sebastian Kehl hatte noch etwas zu sagen. Der Sportdirektor von Borussia Dortmund hatte schon eine ganze Menge gesagt, hatte zahlreiche Fragen von Journalisten beantwortet. Aber die eine Frage, auf die Kehl offensichtlich gewartet hatte, war nicht gekommen, und so setzte der Sportdirektor ungefragt an – zu einem Sonderlob auf Marco Reus. „Marco hat heute sein 159. Pflichtspieltor für Borussia Dortmund geschossen und damit mit Michael Zorc gleichgezogen“, sagte Kehl. „Es war großartig, dass er beim Elfmeter Verantwortung übernommen und den Ball reingeknallt hat.“

BVB-Kapitän Marco Reus leitet Sieg im Topspiel ein

Man ist es ja fast schon gewohnt beim BVB, dass Reus Spiele in die richtigen Bahnen lenkt, immer wieder trifft er zum wichtigen 1:0 – so auch beim 2:1 (2:0)-Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel gegen RB Leipzig: Der BVB-Kapitän erlief einen wunderbar mit dem Außenrist geschnibbelten Steilpass von Marius Wolf, umkurvte Janis Blaswich – und wurde vom Leipzig-Torhüter dann zu Fall gebracht. Den fälligen Elfmeter übernahm Reus selbst und verwandelte sicher (21.).

Mit 159 Toren ist er nun auf Platz zwei der ewigen Dortmunder Torjägerliste, nur Adi Preißler liegt mit 177 Treffern noch vor Reus. Und so merkte ein Journalist an, dass Kehl seinem Kapitän ja nur einen neuen Vertrag geben müsse, dann könne er auch den scheinbar ewigen Rekord angreifen. Da grinste Kehl und ging dann doch.

Mit diesem verwandelten Elfmeter zog Marco Reus in der ewigen BVB-Torjägerliste mit Michael Zorc gleich.
Mit diesem verwandelten Elfmeter zog Marco Reus in der ewigen BVB-Torjägerliste mit Michael Zorc gleich. © dpa

Das Vertragsthema nämlich bleibt komplex, auch Reus äußerte sich dazu nur äußerst schmallippig: „Wir sind in Gesprächen, mehr kann man nicht sagen.“ Ob er denn bleiben wolle? „Ich habe meinen Standpunkt öfter klargemacht, mehr kann ich nicht sagen.“ Grundsätzlich will er schon bleiben, der gebürtige Dortmunder schätzt die Nähe zur Familie und das Leben in gewohnter Umgebung. Der Klub will ihn auch halten – allerdings das Gehalt von bislang etwa zwölf Millionen Euro im Jahr deutlich reduzieren. Darauf wiederum hat Reus wenig Lust – und gegen Leipzig sammelte er durchaus Argumente für einen ordentlich dotierten Vertrag, nachdem er in den vergangenen Spielen oft nur Ersatz gewesen war. Er nahm sich zwar immer wieder auch Pausen, er prägt Spiele nicht mehr so stark wie zu besten Zeiten – aber er schoss ein Tor, er ging voran, er übernahm Verantwortung.

BVB im zweiten Durchgang gegen RB Leipzig mit Problemen

Und er fand hinterher auch kritische Worte, die dem Geschehen durchaus angemessen waren. Denn einerseits hatte der BVB zwar einen direkten Konkurrenten an der Tabellenspitze durchaus verdient besiegt, hatte durch die Art und Weise des Erfolgs – viel Kampf, viel Biss, viel Galligkeit – ein Ausrufezeichen gesetzt und die Partie lange Zeit beherrscht. Nach Emre Cans Fernschuss zum 2:0 (39.) steuerte der BVB auf einen ungefährdeten Sieg gegen wenig zielstrebige Leipziger zu.

Die aber erhöhten im zweiten Durchgang gehörig den Druck, wurden durch die Hereinnahme der Nationalspieler David Raum und Timo Werner deutlich gefährlicher, weil sie immer wieder hinter die Abwehrkette kamen. Und spätestens nach Emil Forsbergs Anschlusstreffer (74.) musste noch einmal mächtig gezittert werden in Dortmund. „Wir haben es in der ersten Halbzeit viel, viel besser gemacht als zweiten“, monierte Reus. „Da hatte Leipzig ein gutes Positionsspiel und wir nur wenig Lösungen dagegen. Wir mussten viel hinterherlaufen, weil wir oft die Bälle verloren haben.“

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Und so rückte ein Mann in den Blickpunkt, der dort gar nicht erwartet worden war: Alexander Meyer war erst kurz vor Anpfiff ins Tor gerückt, weil Stammtorhüter Gregor Kobel nach dem Aufwärmen über Muskelprobleme klagte. Und nachdem er lange einen ruhigen Nachmittag erlebte, musste er gegen Ende immer öfter eingreifen – und rettete in der fünften Minute der Nachspielzeit mit einer Parade gegen Forsberg den Sieg. „Es ist nicht so leicht, wenn man lange nicht gespielt hat und erst kurz vor dem Spiel reinkommt“, lobte Reus. „Das war bravourös, er war ein sicherer Rückhalt.“ Und als er bei Werners Schuss kurz vor Schluss doch geschlagen war, klärte Nico Schlotterbeck mit der Schulter auf der Linie. Der achte Bundesligasieg in Serie wackelte gewaltig, aber die Dortmunder retteten ihn ins Ziel. „Wir hatten in ein, zwei Situationen Glück“, bekannte Reus. „Aber das hast du halt, wenn du da oben stehst.“

BVB-Kapitän Marco Reus dürfte neuen Vertrag erhalten

Und da oben dürften die Dortmunder nun noch eine Weile stehen, neben Leipzig ließen auch die Verfolger Union Berlin und SC Freiburg am 23. Spieltag Federn. Der BVB aber gewinnt in beeindruckender Regelmäßigkeit, acht Bundesligasiege in Serie bedeuten die Einstellung des Vereinsrekords. Das spricht für einen besonderen Geist in der Mannschaft: „Egal wer gebracht wird, er kommt rein, haut sich rein und kriegt Unterstützung von allen“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Wie der unverhoffte Rückhalt Alexander Meyer. Und wie Marco Reus, der schon fast aufs Altenteil geschoben schien – aber neben Lob des Sportdirektors bald auch ein neues Arbeitspapier vorliegen haben dürfte.