Dortmund. Borussia Dortmund schafft in letzter Minute ein 2:2 gegen Bayern. Das erhöht die Spannung an der Spitze. Es war ein BVB-Abend voller Emotionen.
Am Sonntag mussten die ganzen Gefühle, die dieses wilde Topspiel hinterlassen hatte, erst mal geordnet werden. Freude, Wut, Erstaunen, Rührung – ausgelöst durch einen Treffer von Anthony Modeste in der Nachspielzeit, der verdeutlichte, wie schnell im Fußball Ärger in Glück umschlagen kann.
„Es war unfassbar laut nach dem Ausgleich, das hatte vom Kulminationspunkt fast schon etwas von Malaga“, sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke dieser Redaktion. Malaga, dieses Wort löst in jedem Schwarz-Gelben etwas aus, es beschreibt die legendäre Aufholjagd im Champions-League-Viertelfinale 2013. Diesmal schafften es die Dortmunder, einen 0:2-Rückstand gegen den FC Bayern aufzuholen. Der Ligahit, den zuvor siebenmal der Rekordmeister dominiert hatte, endete durch Tore von Youssoufa Moukoko und Modeste am Ende 2:2.
Man kann dieses Ergebnis nun nüchtern beschreiben, beide Großmächte des deutschen Fußballs bleiben gleichauf (16 Punkte). Vor ihnen stehen die Überraschungsmannschaften Union Berlin und SC Freiburg. „Es ist wieder spannend an der Spitze, das tut der Liga gut“, meinte Watzke.
Punktgewinn fühlt sich für den BVB wie ein Sieg über den FC Bayern an
Man kann aber auch darauf eingehen, dass dieses Spiel durch seinen Verlauf etwas freisetzen könnte in Dortmund, dass sich der Punktgewinn für den BVB wie ein Sieg anfühlte. Nach dem Ausgleich schwankte das Stadion, selbst der zuvor wegen Kreislaufproblemen ausgewechselte Mats Hummels stürmte auf den Rasen. Karim Adeyemi brüllte in eine TV-Kamera. Die Fans sangen plötzlich den Namen des viel kritisierten Modeste. Moukoko hüpfte Edin Terzic in die Arme. Dem Trainer standen Tränen in den Augen. Später wurde bekannt, dass am 2. Oktober sein Vater Ibrisim Terzic im Alter von 72 Jahren verstorben war. „Den Spielern und natürlich auch Edin Terzic ist es wieder gelungen, eine Einheit mit den Fans zu bilden“, sagte Watzke.
Nach 2:2 beim BVB: Druck auf Bayern-Trainer Nagelsmann nimmt zu
Während der FC Bayern in der Liga schwächelt wie lange nicht mehr, fünf der vergangenen sechs Bundesligapartien konnte der Deutsche Meister nicht gewinnen. Damit nimmt der Druck auf Trainer Julian Nagelsmann automatisch zu. Nach dem Schlusspfiff raste ein TV-Ausschnitt durch das Internet, der den normalerweise bemüht zurückhaltenden Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn zeigte, wie er nach Modestes Ausgleich aufschreit, nach hinten fällt. Das erinnerte an vergangene Zeiten, als der Torhüter Kahn in solchen Momenten manchmal die eigenen Mitspieler attackierte. Am Sonntag versuchte es der 53-Jährige mit Selbstironie und schrieb zu dem Video in den Sozialen Medien: „Dieses Ergebnis haut einen doch vom Stuhl…“
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Seinem Ärger hatte Kahn schon am Samstagabend Luft gemacht. „Das ist eine erstaunliche Saison. Wie wir es immer wieder hinbekommen, uns um den verdienten Lohn zu bringen: Da muss ich weit zurückdenken, um mich an so eine Saison erinnern zu können“, sagte er. Und: „Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen. Wir müssen schnell auf Platz eins.“
Dabei gab es während der 90 Minuten eine Phase, in der es so wirkte, als könnten die Münchener das Spiel sogar deutlich für sich entscheiden. In einer umkämpften ersten Halbzeit glitt ein Fernschuss von Leon Goretzka, den Dortmunds Torhüter Alexander Meyer nicht mehr erreichen konnte, in die linke Ecke (33.). Leroy Sané erhöhte ebenfalls aus der Entfernung, diesmal hätte Meyer den Ball allerdings abwehren müssen (53). Mit der 2:0-Führung spazierten die Bayern fast ein bisschen zu lässig über den Platz, Jamal Musiala vergab die größte Möglichkeit zum dritten Tor (64.).
Entscheidende Wechsel von BVB-Trainer Edin Terzic
Dortmunds Trainer Terzic wechselte erst Karim Adeyemi (54.) und später Anthony Modeste (70.) ein, beide veränderten das Spiel. Adeyemis Tempo bekamen die Bayern nie unter Kontrolle. Modeste bereitete erst den Anschlusstreffer des erneut starken Youssoufa Moukoko vor (74.), vermasselte dann eine riesige Chance (83.) und köpfte doch noch im letzten Moment den Ausgleich nach einer wunderbaren Flanke von Nico Schlotterbeck (90.+4).
„Wir haben es uns am Ende verdient, diesen Punkt mitzunehmen, da wir alles nach vorne geworfen haben. Ich würde mich über eine Mentalitätsfrage freuen“, sagte Terzic.
Der Spieler, in dem sich alle Gefühlsschwankungen dieses Abends vereinten, verließ das Stadion mit seinen beiden Kindern an der Hand. „Ich habe viel auf den Deckel gekriegt. Ich habe mich belohnt. Das war wichtig für mich“, hatte der Dortmunder Neuzugang Anthony Modeste zuvor in die TV-Kameras gesagt. Mit seinem so viel jüngeren Konkurrenten Moukoko (17), der ihm vorgezogen worden war, hatte Modeste (34) nach dem Schlusspfiff gemeinsam den denkwürdigen Schlusspunkt gefeiert, Arm in Arm standen sie vor der Südtribüne. „Ich bin quasi sein Vater, kann man so sagen“, meinte Modeste. Weiter geht es für den BVB schon am Dienstag in der Champions League gegen den FC Sevilla.