Bad Ragaz. Marco Reus hat beim BVB noch ein Jahr Vertrag. Wie geht es weiter? Die Zeit drängt. Warum steht der Kapitän immer wieder in der Kritik?
„Ich lege mein Handy auch dazu“, sagt Marco Reus, weil vor ihm auf einem kleinen Stehtisch die Geräte der Medienschaffenden liegen, die seine Worte aufzeichnen wollen. Ein großer roter Schirm schützt vor der Sonne, die Kieselsteine auf der Terrasse des Dortmunder Hotels in Bad Ragaz knistern bei jedem Schritt. Reus kennt diesen Ort in der Schweiz, seit vielen Jahren bereitet sich der BVB hier auf eine neue Saison vor. Und für den 33-Jährigen beginnt nun schon die zwölfte Saison bei seinem Heimatverein. Wird es seine letzte?
Leider stören den Kapitän an diesem Samstagmittag die Fragen nach seiner persönlichen Situation. Er habe alles gesagt rund um eine mögliche Vertragsverlängerung, meint Reus. Trotzdem: Hofft er denn, jetzt, wo sich seine Karriere langsam dem Ende entgegenneigt, endlich einmal den Meistertitel gewinnen zu wollen? „Ich mag die negativen Fragen nicht so“, antwortet der Dortmunder. „Ich habe noch gute Jahre in meinem Tank, warten wir es einfach ab. Ich bin kerngesund, ich werde gut vorbereitet sein.“
BVB-Vertrag von Marco Reus gilt bis 2023
Doch ob es dem Offensivspieler gefällt oder nicht, die Fragen nach seiner Zukunft sind natürlich berechtigt. Schließlich ist er immer noch der Großverdiener im Verein, das Aushängeschild des Klubs, möglicherweise sogar der Bundesliga, nun, da Robert Lewandowski und Erling Haaland die höchste deutsche Spielklasse verlassen haben. Der Vertrag von Marco Reus gilt bis 2023, dass er diesen gerne verlängern möchte, hat er öffentlich schon verkündet. Die Verantwortlichen des BVB haben jedoch keine Eile, weil sie erst die sportliche Entwicklung des Fußballers abwarten wollen, der trotz seiner Genialität immer wieder kritisiert wird.
Für Außenstehende ist es manchmal schwer zu begreifen, warum Marco Reus einen schweren Stand bei den Fans hat. Denn eigentlich müsste diese Konstellation die Herzen der Anhängerinnen und Anhänger erwärmen, so selten kommt sie vor. Reus, einer der begnadetsten Fußballer seiner Generation, ist in Dortmund geboren und aufgewachsen, hat den Großteil seiner Karriere bei seinem Heimatverein verbracht, streift sich mittlerweile die Kapitänsbinde über. Das erinnert an Francesco Totti bei der AS Rom oder Steven Gerrard beim FC Liverpool. Nur fremdeln die Dortmunder trotzdem manchmal mit Marco Reus.
Marco Reus wechselte 2012 zum BVB
Vielleicht, weil er erst nach dem Doublegewinn 2012 von Borussia Mönchengladbach zum BVB wechselte und so in eine Phase geriet, in der der FC Bayern eine ungeahnte Dominanz entwickelte und dadurch den großen Triumph (Meisterschaft) verhinderte. Vielleicht, weil Reus ein Sinnbild darstellt für das Wankelmütige der Mannschaft, die, so scheint es, bei Gegenwind gerne den Kopf einzieht, auch der Kapitän wirkt bei Rückschlägen häufig so, als würde er sich wegducken. Oder vielleicht, weil der Offensivspieler selten ein Mann der großen Worte ist, seine Sätze ähneln viel mehr meist den Worthülsen anderer Profis.
Wie an diesem Samstag in der Schweiz, auch hier spricht Marco Reus keine Worte in die Handys der Journalisten, die lange hängen bleiben, obwohl dies ein guter Zeitpunkt wäre nach einer Saison voller Rückschläge und Pfiffe. Der neue Trainer Edin Terzic hat bei seiner Vorstellung vor einigen Wochen in einem Video versucht, die Fans zurückzugewinnen, von Reus kommt so etwas nicht. Es brauche Zeit, bis sich die Mannschaft finde, erklärt er. „Wir haben auch Qualität verloren. Wenn zehn Leute gehen, macht das was mit einer Mannschaft.“
Die vergangene BVB-Saison von Marco Reus? Bemerkenswert
Dass Marco Reus bewusst ist, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, lässt sich möglicherweise daran erkennen, dass er früher in diese Vorbereitung eingestiegen ist. Im Juni hatte er sich bei der Nationalmannschaft eine leichte Muskelverletzung zugezogen. „Für mich war das einfach wichtig, ich habe schon im Urlaub gut gearbeitet“, sagt er. Körperlich scheint es dem früher verletzungsanfälligen Spieler ohnehin so gut zu gehen wie selten, in der vergangenen Saison konnte er fast die gesamte Zeit spielen. Die Folge: 17 Tore hat er vorbereitet, neun erzielt, eine bemerkenswerte Bilanz, wenn man bedenkt, welche Probleme der Klub hatte. Trotzdem prasselte auf Reus erneut nach jedem Rückschlag Kritik ein – und es wäre interessant zu erfahren, was dies mit ihm macht. Nur möchte er darüber nicht wirklich reden.