Dortmund. Viele Top-Talente hoffen auf eine Karriere und, erleben aber Druck und Enttäuschungen - auch beim BVB. Lohnen sich die Entbehrungen trotzdem?

Es gibt das glamouröse Bild, das für die Öffentlichkeit gezeichnet wird, wenn am Sonntag wieder die größte Bühne für Talente aufgebaut wird. In Berlin geht es um die Deutsche U19-Meisterschaft, Hertha BSC gegen Borussia Dortmund, auf den Tribünen sitzen Scouts, Vereinschefs, Sky überträgt.

Es riecht nach Profifußball.

Und es gibt das realistische Bild, das kaum beachtet wird. Es zeigt, dass es die wenigsten dieser begnadeten jungen Fußballer in den bezahlten Fußball schaffen werden. Beteiligte erzählen von einem Druck, den sich niemand vorstellen könne, von Spielern, die weinen, von Spielern, die sich übergeben.

Was wird aus all denen, deren Erwartungen platzen?

Hunderte Talente rücken jedes Jahr nach

Niclas Knoop sitzt in einem Dortmunder Café, das Stadion steht nicht weit entfernt, ganz in der Nähe lebt er ein Studentenleben, das er eigentlich nicht leben wollte. Als Heranwachsender zählte er zu den besten deutschen Verteidigern, unterschrieb einen Nike-Vertrag, wechselte aus Berlin zu Borussia Dortmund, verdiente mehr als viele Erwachsene. Jetzt sagt der 21-Jährige: „Irgendwann merkt man, dass man nur eine Nummer ist. Es geht um Geld. Bei jedem Verein.“

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Einer von vielen Hoffnungsträgern, ausgebildet in den über 50 Nachwuchsleistungszentren in Deutschland. Jedes Jahr drängen Hunderte Nachwuchsfußballer in den bezahlten Fußball, je nach Statistik schaffen es jedoch nur 2 bis 3,5 Prozent. Denn der Platz ist begrenzt, und Vereine fahnden auf der ganzen Welt nach Neuzugängen. Während die Öffentlichkeit auf Top-Talente wie Youssoufa Moukoko (17) oder Jamal Musiala (19) schaut und meist die vergisst, die aussortiert werden. Einige hören auf. Viele versuchen, über Umwege doch noch ihre Ziele zu erreichen.

Konfetti, aber kein Profivertrag

Wie Leon Klußmann, 19 Jahre alt, Torhüter in der Jugend von Borussia Dortmund, den der Weg in dieser Rückrunde zum FC Kray geführt hat. Oberliga statt Bundesliga. Dafür durfte er bei dem Klub in Essen wieder auf der Linie stehen, darum ginge es, erzählt er an einem Vormittag nahe des Dortmunder Trainingsgeländes. Hier darf er bei der Zweiten Mannschaft des BVB zusätzlich schwitzen. Zeit genug hat er, noch konzentriert er sich voll auf die Sportart, von der er leben möchte.

Von ähnlichen Plänen hat sich Jan Binias mittlerweile verabschiedet, obwohl es von ihm Bilder gibt, auf denen Konfetti durch die Luft schwirrt und er mit seinen Mannschaftskollegen die U19-Meisterschaft feiert. 2016 und 2017 hat er den Titel auf der großen Talente-Bühne mit dem BVB gewonnen. Warum es trotzdem nicht gereicht habe für die große Profi-Bühne, sei schwer zu sagen, meint er. Mit dem Druck sei er zurechtgekommen, zweimal warfen ihn aber schwere Hüftverletzungen zurück. Zuletzt stand er in der Regionalliga als Mittelfeldspieler bei der VSG Altglienicke auf dem Platz.

2016: Der BVB feiert den U19-Titel, Jan Binias ist dabei (rechts).
2016: Der BVB feiert den U19-Titel, Jan Binias ist dabei (rechts). © firo

„Ich wollte jedoch nicht bis 30 in der Regionalliga spielen und nichts nebenbei haben. Ich habe Freunde, die mit normalen Jobs echt gutes Geld verdienen“, sagt der 24-Jährige. Seinen Sportbetriebswirt hat er abgeschlossen. Nur manchmal, wenn er seinen besten Freund Jacob Bruun Larsen beim Bundesligisten TSG Hoffenheim sehe, stelle er sich vor, wie es wäre, selbst Profi zu sein. „Aber ich bin nicht neidisch, gönne es jedem. Es ist halt ein Geschäft.“

Das erste Jahr? „Grausam“

Er kenne viele, die sich an etwas klammern würden, was nicht realistisch sei, sagt Niclas Knoop, die nichts anderes hätten als Fußball, keine Ausbildung, keine Perspektive. „Die müssen weiterspielen.“

Ihn selbst habe Borussia Dortmund im Alter von 15 Jahren von Hertha BSC weggelockt, mit einem Zukunftsplan, auch mit Geld. Also Umzug von Berlin nach Dortmund. Das erste Jahr sei „grausam“ gewesen, irgendwann habe er Anschluss gefunden, wurde später sogar Kapitän. Bis er sich mit 17 eine Schulter auskugelt. Die Schmerzen? Unerträglich. Andere Talente rücken nach, der Verteidiger kämpft sich wieder heran. „Ich war aber nie mehr so gut wie zuvor.“

Bei Germania Halberstadt reißt das Kreuzband

Der BVB bietet ihm keinen Profivertrag an, Knoop versucht es bei Germania Halberstadt in der Regionalliga. Jetzt reißt das Kreuzband. Das Ende. „Ich habe dem Fußball mein Leben gewidmet, aber ich habe mich nur noch im Kreis gedreht.“

Bleibt die Frage, ob sich der Druck, die Strapazen, die Enttäuschungen gelohnt haben?

Keiner zögert, alle drei bejahen die Frage. „Ich bin stolz drauf“, meint Niclas Knoop. „Nicht viele Menschen erleben so viel in so jungen Jahren.“