Dortmund. 2020/21 spielte Thomas Meunier eine Saison zum vergessen und galt schon als gescheitert. Erst jetzt ist er eine Verstärkung. Die Hintergründe.
Jude Bellingham hatte seinen Spaß. Zwei Meter vor ihm stand Thomas Meunier und gab gerade ein Fernseh-Interview. „Der belgische Beckham“, witzelte Bellingham – eine Szene, die die Medienabteilung von Borussia Dortmund sofort über die Sozialen Medien verbreitete.
Es gab Zeiten, da wäre das nicht passiert. Da hätte der BVB ein solches Video sicher nicht in die Welt gesendet, sondern ganz tief im Giftschrank versteckt, weil es erhebliche Zweifel an Bellinghams Sachverstand geweckt hätte. Mit ziemlicher Sicherheit wäre der junge Engländer zu diesen Zeiten auch gar nicht auf die Idee gekommen, seinen Mitspieler mit der englischen Fußball-Ikone zu vergleichen. Und diese Zeiten liegen nicht etwa in grauer Vorzeit, sondern sind gerade erst ein paar Monate her.
Der 30-jährige Meunier geht in seine zweite Saison in Dortmund – und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die erste eine zum Vergessen war. Der belgische Nationalspieler, mit großen Erwartungen von Paris Saint-Germain gekommen, war nicht die erhoffte Verstärkung auf der rechten Abwehrseite. Ihm fehlten das Tempo und die Offensivgefahr seines Vorgängers Achraf Hakimi, nicht aber dessen defensive Aussetzer. Meunier verschuldete so manches Gegentor und war weit davon entfernt, jener Stabilitätsfaktor zu sein, den man angesichts seiner Erfahrung von ihm erwartet hatte. Und so spielte zum Saisonende nicht Meunier, sondern der längst nicht mehr überragende, aber verlässliche Lukasz Piszczek.
Der BVB suchte nach Alternativen für die rechte Seite
Einer der prominentesten Meunier-Kritiker in dieser Zeit war: Thomas Meunier. „Diese Saison war keine gute von mir“, sagte er im Sommer dem Portal Spox. Weil Meunier schwächelte, Piszczek die Karriere beendet hat und Mateu Morey noch längere Zeit verletzt fehlt, sah sich der BVB im Sommer nach Alternativen um. Doch für eine große Lösung fehlte in Corona-Zeiten das Geld – auch weil Meunier zwar ablösefrei kam, aber einen großen Batzen Gehalt bindet.
Allerdings: Inzwischen wird die rechte Abwehrseite nicht mehr genannt, wenn von Dortmunder Problemzonen die Rede ist. Dabei lief der Saisonstart alles andere als gut: Meunier wurde positiv auf Corona getestet, musste zwei Wochen in Quarantäne – und im Klub war man wenig begeistert, weil der 30-Jährige einer der ganz wenigen ungeimpften Spieler im Kader war.
Drei Vorlagen – und ein Beckham-Vergleich
Seit er aber wieder fit ist, hat Meunier einen ordentlichen Neustart hingelegt, er hat sich nach wackligem Beginn zusehends gesteigert. In vier Spielen stand er in der Startelf, in den jüngsten drei Partien bereitete er jeweils einen Treffer vor. Einmal profitierte Bellingham, zweimal bediente er Erling Haaland mit scharfen und präzisen Flanken – daher der Beckham-Vergleich.
„Er hat sich deutlich verbessert“, lobt Sebastian Kehl, Lizenzspielerleiter des BVB, im Gespräch mit dieser Zeitung – und benennt einen simplen Grund: „Thomas hat unter die vergangene Saison einen Strich gemacht. Er ist ganz anders in diese Saison hereingegangen – und obwohl er durch die Corona-Erkrankung und eine Muskelverletzung zurückgeworfen wurde und er sich noch nicht auf seinem absoluten Fitnesslevel befindet, gefällt mir sein Spiel jetzt deutlich besser.“
Profiteur des neuen Systems von Marco Rose
Und Meunier kommt die Spielweise des neuen Trainer Marco Rose durchaus zupass: Weil der sein Mittelfeld gerne in einer Raute ohne echte Flügelspieler formiert und dadurch auch Gegenspieler im Zentrum bindet, haben die Außenverteidiger viel Platz für Vorstöße. Das liegt Meunier, der kein Edeltechniker ist – keiner, der die Gegenspieler durch feine Dribblings austanzen lässt. Noch immer verspringen ihm Ballannahmen auch mal ins Aus.
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Aber dank seiner Laufstärke und Dynamik kann er dem BVB-Spiel Breite geben, er kann lange Diagonalbälle erlaufen und diese immer häufiger zu brauchbaren Flanken nutzen. Und die BVB-Verantwortlichen sind sicher: Da kann noch mehr kommen. „Er wird weiter Selbstbewusstsein tanken“, sagt Kehl. Und wer weiß, mit wem der Belgier dann noch verglichen wird.