Rom. Nach dem 1:3 in Rom wird im BVB-Umfeld die Kritik an Trainer Favre zunehmen. Doch damit machen es sich viele zu einfach. Ein Kommentar

Es gibt so manches Rätsel, das die Gelehrten schon seit vielen Jahren beschäftigt: Wo ist das Bernsteinzimmer abgeblieben? Wie zum Henker haben es die Steinzeitmenschen hinbekommen, die Steinformation Stonehenge zu errichten und was war der Sinn dahinter? Und warum ist Borussia Dortmund Jahr für Jahr seltsamen Formschwankungen unterworfen? Warum verliert die Mannschaft immer wieder Spiele, die sie eigentlich nicht verlieren sollte?

Der Gegner zeigt mit Willen, mehr Aggressivität

Die 1:3 (0:2)-Niederlage im Champions-League-Spiel bei Lazio Rom war ja kein singuläres Ereignis, sie fügte sich ein in ein Muster, das man in der Vergangenheit allzu oft gesehen hat: auf der einen Seite die fußballerisch hochbegabten Feinfüße von Borussia Dortmund. Und auf der anderen Seite ein demgegenüber limitierter Gegner, der das aber durch mehr Galligkeit, mehr Aggressivität, mehr Willen ausgleicht.

Beispiel dafür gibt es reichlich: das 0:2 beim FC Augsburg in dieser Saison. In der Spielzeit zuvor das 0:2 gegen Mainz, das 1:3 bei Union Berlin und das Pokal-Aus bei Werder Bremen. Und wiederum eine Saison früher das 2:4 gegen den FC Schalke, das den einen Rückschlag zu viel im Meisterschaftskampf bedeutete.

Es gibt kaum mildernde Umstände

Und nun der Rückschlag von Rom, für den sich auch kaum mildernde Umstände anführen lassen. Natürlich, in der Abwehr musste ein wenig improvisiert werden. Aber Lukasz Piszczek ist häufig genug als Innenverteidiger aufgelaufen, Mats Hummels sowieso – und Thomas Delaney hat mit seiner außergewöhnlichen Zweikampfstärke beste Voraussetzungen dafür. Mangelnde Frische darf auch kein Thema sein: Lucien Favre hatte vielen seiner Stars beim 1:0-Sieg gegen Hoffenheim am vergangenen Wochenende eine Pause gegönnt, zudem ist Lazios Programm ja ähnlich eng getaktet. Dass die Italiener williger, bissiger, zielstrebiger waren, muss andere Gründe haben.

Woran liegt es, dass diese hochbegabte Mannschaft ihre PS zu häufig nicht auf die Straße bekommt? Darüber rätseln auch die Verantwortlichen immer wieder. Im Umfeld, unter den meisten Fans ist die Lösung längst ausgemacht: Der BVB ist ein Abziehbild seines zaudernden Trainers Lucien Favre, der die Spieler einfach nicht heißgemacht, nicht motiviert bekommt. Es ist eine Sichtweise, die auch im Klub ihre Anhänger hat.

Es ist aber auch eine Sichtweise, mit der man es sich zu einfach macht: Natürlich, Favre ist kein Motivator. Natürlich, seine öffentlichen Erklärungen kommen oft kryptisch daher, sein Coaching wirkt nicht immer glücklich und seine Angewohnheit, den Gegner starkzureden, ist wohl auch selten hilfreich. Er ist der Trainer, er trägt letztlich die Verantwortung für die Auftritte der Mannschaft.

Aber nicht nur er alleine. Es gibt da ja noch so manchen zum Führungsspieler auserkorenen Profi, der in die Bresche springen müssten: den erfahrenen Thomas Meunier, der noch nicht die erhoffte Verstärkung ist und in Rom völlig von der Rolle war. Kapitän Marco Reus, von dem keine Impulse kamen. Abwehrchef Mats Hummels, der mehrfach schwer patzte. Sie alle konnten die Niederlage in Rom nicht verhindern und sie konnten auch so manchen Ausrutscher der Vergangenheit nicht verhindern.

Außerdem: Wenn Fußballprofis in einem Champions-League-Auswärtsspiel tatsächlich einen heißblütigen Motivator brauchen, um mit dem nötigen Biss ins Spiel zu gehen – dann müssen sie sich zumindest leise Zweifel an ihrer Berufsauffassung gefallen lassen.