Dortmund/Duisburg. Gegen Feyenoord kassiert der BVB die erste Testspiel-Niederlage und zeigt Abwehr-Probleme. Sportdirektor Zorc sieht keine grundsätzlichen Mängel.

Lucien Favre klang nicht alarmiert, aber der Trainer von Borussia Dortmund hatte doch einen gewissen Nachdruck in der Stimme, als er erklärte: „Bei den vielen Englischen Wochen, die es in dieser Saison gibt, braucht jeder Klub zwei komplette Mannschaften, anders ist es unmöglich. Und die haben wir momentan nicht.“

Seine Spieler hatten für diese Sichtweise zuvor einige Argumente geliefert. Beim Testspielturnier, dem Cup der Traditionen in der Arena des MSV Duisburg, hatte der BVB den gastgebenden Drittligisten mit 5:1 (3:1) besiegt, bevor eine gänzlich anders zusammengestellte Dortmunder Mannschaft Feyenoord Rotterdam mit 1:3 (0:2) unterlag.

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Bei allem Testspielcharakter in der Saisonvorbereitung: Nach den Partien am Samstag kamen einige alte Sorgen neu auf. Gerade in Sachen Defensive. Gegen Duisburg ließen Mats Hummels und Manuel Akanji im Zentrum der Viererkette wenig anbrennen, das Gegentor entsprang einem absurden Fehler von Torhüter Marwin Hitz. Gegen Feyenoord versuchten sich Lukasz Piszczek und Emre Can – und waren zu selten auf der Höhe.

BVB: Ohne Zagadou fehlen Alternativen

Ist Dortmund nur bedingt abwehrbereit? Nein, meint Sportdirektor Michael Zorc: „Im Spiel gegen Duisburg war ich auch mit der Defensive zufrieden. Mats Hummels benötigt natürlich noch Spielpraxis, das war ja sein erster Auftritt nach einer Verletzungspause und nur ganz wenigen Einheiten.“ Die Partie gegen Rotterdam „war insgesamt nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben, egal ob in der Offensive oder in der Defensive.“

Und doch ist das Abwehrzentrum einer jener Bereiche, in denen Favre vollwertige Alternativen fehlen. Dan-Axel Zagadou ist am Knie verletzt, niemand vermag derzeit zu sagen, wann er zurückkehrt. So sind der von einer Knöchelverletzung genesene Hummels und Akanji die Erstbesetzung im Abwehrzentrum. Was aber kommt dahinter?

Der zweite Anzug in der Abwehr sitzt nicht

Can, mit dem Favre in der Abwehr plant, fühlt sich noch erkennbar unwohl, wenn er einer von nur zwei Innenverteidigern ist. Ähnlich geht es Piszczek. Rechtsverteidiger Thomas Meunier, der mit 1,98 Metern Körpergröße und breiten Schultern die Statur fürs Zentrum eigentlich mitbringt, hat jedoch bereits deutlich wissen lassen, dass das keine gute Idee wäre.

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Offensiv zeigte der BVB bislang große Spielfreude und eine beeindruckende Frühform – in vier Testspielen gelangen 22 Tore. Es fielen aber auch sechs Gegentreffer, was auf eine Saison hochgerechnet deutlich mehr wären als jene 26 bis 28 Gegentore, die Favre für akzeptabel hält. Und sie befeuern die im Umfeld köchelnde Diskussion ums richtige Abwehrsystem: In der vergangenen Saison spielte der spätere Vizemeister erst dann richtig stark, als er auf eine Dreierkette umgestellt hatte. Nun aber scheint Favre zur von ihm favorisierten Viererkette zurück zu wollen, alle Trainings und Tests wurden so bestritten. Ein Risiko?

Zorc: „System-Thema wird überbewertet“

„Das System-Thema wird überbewertet“, meint Zorc. „Wir können beide Systeme spielen, wir haben auch in der vergangenen Saison von heute auf morgen umgestellt.“ Prompt sank die Zahl der Gegentore. „Es hat aber auch gepasst, weil wir mit Achraf Hakimi rechts und Raphael Guerreiro links Spieler hatten, denen diese Rolle auf dem Flügel auf den Leib geschneidert war“, sagt Zorc. „Mit Thomas Meunier und Mateu Morey ist es egal, ob wir Dreier- oder Viererkette spielen, die können beides.“

Die Frage bleibt, ob Guerreiro das auch kann und will. Erst kürzlich ließ er durchblicken, dass ihm ein System mit Dreierkette lieber ist. In Duisburg wirkte er auf der linken Abwehrseite lustlos. Ob überbewertet oder nicht: Will Favre wirklich zurück zur von ihm favorisierten Viererkette, muss er noch einige Überzeugungsarbeit leisten.