Duisburg. Marian Sarr hält sich mit anderen vereinslosen Fußballprofis im VDV-Trainingscamp fit. Der Ex-Dortmunder will wieder hochklassig spielen.
Das Gefühl für Zeit ist bei jedem Menschen individuell ausgeprägt. Ist der Champions-League-Auftritt von Marian Sarr im Dress von Borussia Dortmund erst sieben Jahre her. Oder schon?
Der 25 Jahre alte Essener lacht, während ihm die Schweißtropfen von der Stirn perlen. Es ist ein heißer Augustnachmittag und Sarr spielte seit dem nie wieder im Europapokal. Nun steht er auf dem frisch gemähten Rasen der Sportschule in Duisburg-Wedau. „Sieben Jahre ist eine lange Zeit“, beantwortet der ehemalige Junioren-Nationalspieler die Frage. „Ich bin stolz darauf, dieses Spiel gemacht zu haben, aber sehe das hier jetzt nicht als Strafe an“, so der großgewachsene, schlaksige Innenverteidiger.
Hier, das ist das Trainingslager der vertragslosen Profis der Spielergewerkschaft VDV. Sarrs Name ist der prominenteste auf der Liste von jenen Fußballern, die für die neue Saison keinen Klub gefunden haben. Auch Selim Gündüz steht darauf, einst als großes Talent beim VfL Bochum gehandelt. Oder der Ex-Uerdinger Robert Müller, der immerhin mehr als 300 Spiele in der 3. Liga auf dem Buckel hat.
Neururer trainiert arbeitslose Profis
Normalerweise finden rund 80 Prozent des Camp-Kaders im Laufe der Sommermonate eine neue Anstellung. Doch in diesem Jahr wird der Schnitt aufgrund der Corona-Pandemie wohl erheblich nach unten gezogen. Die Kader an vielen Standorten sind aufgebläht, die sportlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger müssen zunächst Spieler verkaufen, ehe sie neue verpflichten können. Die Liste ist lang, Geld fehlt. Peter Neururer, in diesem Jahr Trainer der arbeitslosen Kicker, meint, dass die Lage des Fußballs von der ersten Liga bis in die unteren Klassen in Deutschland nie so „dramatisch“ war wie im Corona-Sommer 2020. „Die Spieler von Luftschlössern träumen zu lassen, wäre mit Frustration in Verbindung zu bringen und sicherlich nicht gut“, sagt der 65-Jährige.
Am 11. Dezember 2013 hatte Sarr das genaue Gegenteil von Frust gespürt. An der Seite von Marco Reus und Robert Lewandowski lief das Nachwuchstalent ins Stade Velodrome von Marseille ein. Letzter Spieltag der Champions-League-Gruppenphase – der BVB benötigte dringend einen Sieg, um in die K.o.-Runde einzuziehen. Der gelang kurz vor Schluss durch einen Treffer von Kevin Großkreutz. Sarr spielte in der Innenverteidigung durch. Das Wasser, in das er an diesem Abend von Trainer Jürgen Klopp geworfen worden ist, war so kalt, wie er es sich sieben Jahre später in der Hitze von Duisburg als Abkühlung wünschen würde.
Sarr wurde als Jahrhunderttalent gefeiert
Klopp bezeichnete Sarr damals als „Jahrhunderttalent“ mit „wahnsinnigem Potenzial“. Der Weg schien vorbestimmt, doch Verletzungen holten den Essener nach nur zwei Auftritten im deutschen Fußball-Oberhaus immer wieder ein: Oktober 2014, Ermüdungsbruch im Schienbein, sechs Monate Pause. Rückkehr im Mai 2015, Operation an der Hüfte. In Vereinsstationen ausgedrückt bedeutete das: VfL Wolfsburg II, VfR Aalen, Carl-Zeiss Jena.
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Seit dem 30. Juni ist das einstige Talent vereinslos, hielt sich mit einem Personal Trainer fit. „Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit bekommen, hier wieder in der Mannschaft zu trainieren“, sagt Sarr. Bruder Wilfried war im vergangenen Jahr im VDV-Camp, kam dann beim TuS Ennepetal unter. Marian will noch mal möglichst hochklassig spielen: „Mein Ziel bleibt, mit dem Fußball meine Brötchen zu verdienen. Was in fünf, sechs Jahren ist, kann man jetzt noch nicht sagen.“ Er weiß, dass die Vereine auf Zeit spielen. Wegen Corona sind Möglichkeiten für die sportlichen Führungen begrenzt. Unter großen Druck wolle er sich bei der Vereinssuche trotzdem nicht setzen. „Auf Teufel komm raus etwas zu machen, ist nicht das Richtige.“
Das Ausland reize ihn sehr. Genug Jahre hätte er ja noch Zeit. Marian Sarr ist erst 25. Nicht schon.