Essen. Am 17. April erscheint „Thomas Tuchel: die Biographie“. Die Journalisten Daniel Meuren und Tobias Schächter erklären den komplizierten Trainer.

Das große Rätsel, das die Erzählungen über die zwei BVB-Jahre von Thomas Tuchel unterschiedlich geraten lässt, kann auch die neue Biographie über den komplizierten Trainer nicht lösen. Vielleicht weil bei einem Streit nie die eine Wahrheit existiert, kein Schwarz oder Weiß, sondern Grau. So bleibt die rätselhafte Rolle von Tuchel in den 24 Stunden nach dem widerwärtigen Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus im April 2017 vor dem Champions-League-Spiel gegen die AS Monaco aber weiterhin undurchsichtig.

Hat Tuchel eine SMS an BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke geschickt, in der er für ein Nachholspiel am nächsten Tag plädiert hat, obwohl er selbst im Bus sein Leben hätte verlieren können? Hat er geschwiegen? In jedem Fall erklärt Tuchel anschließend: „Wir hätten uns mehr Zeit gewünscht.“ Wodurch er Watzke wie einen skrupellosen Boss aussehen ließ, weil dieser mitentschied, dass nur einen Tag später das Nachholspiel angepfiffen und eine traumatisierte Mannschaft auf den Rasen geschickt wurde.

Das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen und ihrem Trainer ist seitdem endgültig zerrüttet. Obwohl der BVB den DFB-Pokal gewinnt, trennen sich beide Seiten am Saisonende. Tuchel geht im Streit, nicht zum ersten Mal.

Thomas Tuchel - von Mainz bis nach Paris

„Thomas Tuchel: die Biographie“ heißt das 192-seitige Buch der beiden Journalisten Daniel Meuren und Tobias Schächter, die den mittlerweile 46-jährigen Trainer vor allem bei seiner ersten Profistation beim FSV Mainz 05 erlebt haben. Schon da begeisterte Tuchel mit seiner Mannschaft, sorgte hinter den Kulissen aber für einige Kopfschmerzen. Fachlich besticht der Trainer, menschlich sorgt er für Widersprüche, enttäuscht Förderer. Trotzdem hat er es geschafft, nun beim Weltklub Paris Saint-Germain große Stars anleiten zu dürfen.

Ihre stärksten Momente hat die Biographie durch die Gespräche mit Christian Heidel, der Tuchel in Mainz als Manager 2009 zum Cheftrainer beförderte und in den folgenden fünf Jahren immer mehr Konflikte mit dem vorherigen Jugendtrainer ausfechten musste. Meuren und Schächter gelingt es dadurch, den komplizierten Charakter Tuchels aufzuzeigen. Dieser Charakter wird ihm auch beim BVB zum Verhängnis.

1998 muss Tuchel aufgrund eines Knorpelschadens seine aktive Profikarriere beim Regionalligisten SSV Ulm beenden. Er wechselt in den Jugendfußball, wird Trainer. Erst beim VfB Stuttgart, dann beim FC Augsburg, dann ab 2008 bei Mainz 05. Nur ein Jahr später folgt die Beförderung von Heidel, da Tuchel mit all seinen Jugendmannschaften berauschenden Fußball spielen ließ. Es gelingt ihm, Mainz in der Bundesliga zu etablieren, er führt den Klub sogar nach Europa.

Schalke wollte Thomas Tuchel verpflichten

Andere Vereine werden zwangsläufig auf den Trainer aufmerksam. Tuchel führt Gespräche mit Schalke und Bayer Leverkusen, verrät Heidel aber nichts davon. Der Manager ist gekränkt, gerade weil Jürgen Klopp – Heidels andere große Entdeckung – ihn immer über Angebote informiert hatte.

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„Ich habe ihm mehrere Brücken gebaut, um sein Gesicht wahren zu können, aber er ging nicht drüber“, erklärt Heidel in der Biographie. Der Verein möchte Tuchel nicht ziehen lassen, dieser ist über dieses Vorgehen enttäuscht. Er deutet seinen Abschied daher schon vor dem letzten Saisonspiel im Sommer 2014 an. Trotz der Qualifikation für den Europapokal hört er auf, ohne dieses Vorgehen mit Heidel abzustimmen. Tuchel hinterlässt einen aufstrebenden Verein und viele, viele Scherben.

Es folgt ein Sabbatjahr, dann wechselt er zum BVB. Wieder muss er in die großen Fußspuren von Jürgen Klopp treten, der zuvor mit den Schwarz-Gelben wunderbare Jahre genossen hat. „Vor Dortmund hat Thomas Tuchel immer gesagt, dass er nie wieder Nachfolger von Klopp werde“, sagt Heidel. „Das Problem war aber, dass er es so viele interessante Vereine natürlich auch nicht gibt und er nach einem Jahr wieder arbeiten wollte.“

In Dortmund lässt Tuchel wieder berauschenden Fußball spielen, gleichzeitig eckt er mit den Verantwortlichen an. Nicht nur mit Watzke, auch Sportdirektor Michael Zorc schüttelt immer heftiger den Kopf über das Verhalten des Trainers. Nach zwei Jahren hinterlässt Tuchel daher wieder viele, viele Scherben.

Thomas Tuchel soll mit Paris die Champions League gewinnen

Nun arbeitet er bei Paris Saint-Germain. Im Champions-League-Achtelfinale hat er seinen Ex-Klub BVB rausgeschmissen, durch die Corona-Krise weiß allerdings niemand, ob der Titel in der Königsklasse in diesem Jahr vergeben wird. Die Biographie beschreibt Tuchel als einen Trainer, der Stillstand nicht ausstehen kann. Der von seinen Profis Perfektion einfordert, auf und neben dem Platz.

Vielleicht schafft er es, sich trotz seiner menschlichen Schwierigkeiten so zu einem großen Welttrainer zu entwickeln. In Paris befindet sich Thomas Tuchel auf dem richtigen Weg. Doch es wäre wichtig, bei einem Abschied einmal keine Scherben zu hinterlassen.

„Thomas Tuchel: die Biographie“ erscheint am 17. April, Verlag Die Werkstatt, 19,90 Euro