Düsseldorf. Die Nationalmannschaft versammelt sich in Düsseldorf vor den EM-Qualifikationsspielen. Wegen Abwehrsorgen wird der Ruf nach dem Dortmunder laut.

Der graue Eingang des Düsseldorfer Hilton-Hotels wirkte ein wenig trostlos am Dienstagmittag. Der Wind pfiff, kalter Regen prasselte nieder. Während die Nationalspieler nach und nach in schwarzen Autos anrollten und durch die Drehtür verschwanden, gab es wenig, was darauf hinwies, dass eine Dienstreise zum Deutschen Fußball-Bund für Fußballer eigentlich etwas Besonderes darstellt.

Bis Niklas Stark aus einem der Wagen kletterte, bei dem die Wangen wirkten, als würden sie glühen. So groß waren die Blutergüsse in seinem Gesicht. Nur ein Stück Plastik stützte die frisch operierte Nase, die sich der Verteidiger von Hertha BSC am vergangenen Bundesliga-Wochenende gebrochen hatte. Aber „wenn der Bundestrainer mich anruft, dann komme ich“, sagte er. „Jetzt versuche ich endlich, meinen Traum wahr werden zu lassen.“

Angespannte Personalsituation

Die Chance, sich diesen Traum vom ersten Länderspiel erfüllen zu können, ist hoch. Denn Stark zählt zu den Verteidigern, die in den kommenden beiden Qualifikationsspielen für die Europameisterschaft 2020 die Hoffnung von Bundestrainer Joachim Löw nähren, dass das Thema endlich etwas stabiler steht. Wenn die DFB-Elf in den Partien gegen Weißrussland am Samstag in Mönchengladbach und am Dienstag in Frankfurt gegen Nordirland (beide 20.45 Uhr/RTL) um die Turnierteilnahme kämpft, kehren zudem Matthias Ginter und Jonathan Tah zurück. Außerdem gehört noch der Freiburger Robin Koch zum Aufgebot. Niklas Süle (Kreuzbandriss) und Antonio Rüdiger (Leistenverletzung) fehlen aber weiterhin. Die Personalsituation in der Defensive bleibt angespannt.

Dadurch sind die Rufe nach Mats Hummels nach wie vor zu vernehmen. Nicht wenige halten den Innenverteidiger von Borussia Dortmund immer noch für den besten in Deutschland. Anfang des Jahres hatte Löw allerdings Jerome Boateng, Thomas Müller und eben Hummels aussortiert. Der Bundestrainer wollte, dass die drei Weltmeister den jungen Emporkömmlingen nicht mehr den Raum nehmen, um sich entfalten zu können.

Das größte Problem ist das Fehlen von Süle

Doch vor allem der Name Hummels fällt seitdem immer wieder, wenn sich die Nationalmannschaft versammelt. Weil der 30-Jährige beim FC Bayern eine beeindruckende Rückrunde ablieferte. Weil er seit seiner Rückkehr im Sommer zum BVB weiterhin überzeugt – am Samstag bei der 0:4-Pleite des BVB in München war Hummels der einzige Dortmunder, der diesem Spiel gewachsen schien. Vor allem aber bleibt Hummels interessant, weil sich Niklas Süle das Kreuzband gerissen hat. Der 24-Jährige sollte eigentlich die zentrale Führungsfigur in der deutschen Defensive werden, nun droht der Bayern-Profi sogar die EM 2020 zu verpassen.

Dadurch sollen derzeit Verteidiger Gegentore verhindern, die von ihrem Leistungsstand her eher Ergänzungsspieler sein müssten. Und Löw steht nun vor der kniffligen Frage, ob er Hummels zurückbeordert und dadurch zwangsläufig den Nachrückern das Vertrauen entzieht. Oder ob er auf Hummels verzichtet, damit aber riskiert, dass Abwehrlöcher zu sehen bleiben. Anmerken lassen wollte sich Löw diese komplizierte Lage am Dienstag nicht, er bezeichnete die Situation in der Defensive als entspannt. „Denn ich bin froh, dass Ginter und Tah zurückkehren“, meinte er.

Starks Ziel ist die EM

Allerdings patzte Jonathan Tah bei seinem letzten Länderspiel. Robin Koch mischt erst seit Kurzem auf diesem Niveau mit. Die längste Nationalmannschaftsgeschichte hat noch Ginter vorzuweisen. Meistens saß er aber auf der Bank. Bei der Ankunft am Hotel kündigte er nun an, dass er sich weiterentwickeln wolle. „Es ist mein Ziel, so viel wie möglich zu spielen“, meinte der Gladbacher, für den die Partie im Borussia-Park ein Heimspiel wird.

Für Niklas Stark kann die Lücke in der Defensive zu einer Chance werden. „Wenn man dabei ist, will man auch zur Europameisterschaft“, sagte der Herthaner, der mit einer Maske spielen will. Vermutlich hätte Stark längst sein erstes Länderspiel absolviert, wenn ihm nicht immer wieder kurzfristig etwas dazwischengekommen wäre. Zuletzt hatte er sich beim DFB unglücklich an einer Tischkante gestoßen. „Ich werde jetzt alles in meinem Hotelzimmer wegräumen“, scherzte er.

Stark wird sich nun in der kommende Woche beweisen können, in der Löw an der Zweikampfhärte werkeln möchte. „Körperliche Robustheit ist eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein“, meinte der Bundestrainer.

Und zumindest drückten die großen Blutergüsse von Niklas Stark schon mal Einsatzbereitschaft aus.