Dortmund. BVB-Trainer Lucien Favre macht seinen Spielern trotz des 0:3 im Hinspiel Mut. Kapitän Reus brennt auf das Rückspiel gegen Tottenham Hotspur.

Nur knapp einen Meter sitzt Lucien Favre am Montag von Marco Reus entfernt. Seinem Kapitän, dem er schon vor vielen Jahren in Mönchengladbach vertraute, und dem er nun auch bei Borussia Dortmund zutraut, auf dem Rasen die richtungsweisenden Entscheidungen zu treffen. Manchmal spürt man die besondere Verbindung der beiden. Dann lächelt Reus über einen Satz von Favre. Dann stimmen sich beide zu, nicken über die Worte des anderen. Während im Hintergrund das Champions-League-Logo prangt, weil beide ja gerade über die besondere Partie sprechen, in der es heute Spektakel braucht: das Achtelfinal-Rückspiel gegen Tottenham Hotspur (Dienstag, 21 Uhr, Sky).

Favre schöpft Hoffnung daraus, dass sein Kapitän wieder mitmischen kann. Dass es so wieder gelingt, überzeugender aufzutreten. Schließlich muss der Trainer gerade den Weg aus dem ersten Tief seiner Amtszeit beim BVB finden.

BVB-Situation bietet wenig Anlass zum Lächeln

Denn eigentlich bietet die Situation von Borussia Dortmund derzeit wenig Anlass zum Lächeln. Sie passt eher zum Wetter im Revier. Stürmisch. Turbulent. Trüb. Von den vergangenen sieben Pflichtspielen konnte der BVB nur eines gewinnen. Die Formkrise führte auch zur deutlichen 0:3-Niederlage im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals. Weswegen die Borussia heute (21 Uhr/Sky) eine Sensation vollbringen muss, wenn sie sich gegen den Tabellendritten der englischen Premier League nicht aus dem europäischen Wettbewerb verabschieden möchte.

Favres Elf muss mindestens drei Tore schießen, um die Verlängerung zu erreichen. Vier braucht sie, um weiterzukommen. Befördern die Londoner den Ball ins gegnerische Tornetz, müssen die Schwarz-Gelben mit mindestens vier Treffern Unterschied gewinnen, um ein Aus zu verhindern.

Und nun? Mut machen. „Wir wissen, dass es schwer wird. Aber man weiß nie“, erklärt Favre. „In diesem Stadion wurden schon einige Spiele absolviert, in denen Geschichte geschrieben wurde. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir dran glauben“, ergänzt Reus. „Wir müssen eine Top-Leistung abliefern. Wir müssen sehr clever spielen“, sagt Favre. Dann nicken beide.

Doch natürlich verbergen sich hinter den Parolen auch Zweifel. Das wird deutlich, als Favre auf die Worte seines Sportdirektors Michael Zorc angesprochen wird. Dieser hatte nach der 1:2-Niederlage in Augsburg im Gespräch mit dieser Redaktion die Einstellung der BVB-Profis kritisiert. Laut Zorc habe der letzte Wille gefehlt. „Wir sprechen darüber“, meint Favre. „Natürlich gibt es immer ein paar Dinge, die man verbessern muss. Das sind wichtige Details.“ Aber: „Das braucht länger als eine Woche.“

BVB-Trainer Favre muss seiner Mannschaft einen Weg aus dem Tief aufzeigen

Dabei wirkt der 61-Jährige nachdenklich. Er gilt als wankelmütig. Weil er in der Vergangenheit häufiger mal in Selbstzweifel verfiel, wenn die Entwicklung seiner Mannschaften stockte, nicht systematisch verlief. Als er 2007 zum ersten Mal in der Bundesliga arbeitete, erlebte er bei Hertha BSC zwei gelungene Jahre. Doch nach einem vermasselten Start in die Saison 2009/10 ärgerte sich Favre öffentlich über die Personalpolitik – und musste gehen. Bei Borussia Mönchengladbach schwebte der Trainer anschließend noch wesentlich länger in ungeahnten Höhen. Das Ende folgte nach viereinhalb Jahren. Freiwillig, weil diesmal der Start in die Saison 2015/16 in die Hose ging.

Nun hakt es in Dortmund. Die Begeisterung ist futsch. Das Selbstverständnis auch. Dazukommen viele Fehler. Aus dem DFB-Pokal musste sich der BVB bereits verabschieden. Heute droht das Aus in der Champions League. Favre muss seiner größtenteils noch jungen Mannschaft einen Weg aus dem Leistungstief aufzeigen.

BVB-Kapitän Reus: "Ich bin auch bereit, über 120 Minuten zu gehen"

Kann er das? Wenn man den Trainer mit einem Erziehungsberechtigten vergleicht, dann ist er ganz sicher keiner, der seine Spieler mit einem Klaps aufwecken will. Favre bietet lieber Hilfestellungen an. Er analysiert Niederlagen, sucht nach Lösungen, einem Plan, kleinen Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. „Als Trainer muss man Fehler akzeptieren. Man muss probieren, sie zu korrigieren“, sagt Favre.

Am Besten schon heute. „Wir müssen an unser Maximum kommen. Um dann in den richtigen Momenten, die Tore zu erzielen“, erklärt Reus. Dabei sei es wichtig, die Balance zwischen der Offensive und der Defensive zu finden. „Wenn sie ein Tor machen, dann wird es sehr schwer. Aber in der ganzen Mannschaft glauben wir dran“, so der Kapitän.

In Augsburg absolvierte er sein erstes Spiel nach knapp einmonatiger Verletzungspause (Muskelfaserriss im Oberschenkel), musste nach gut 60 Minuten ausgewechselt werden. „Aber mir geht es gut. Ich bin auch bereit, über 120 Minuten zu gehen“, meint Reus.

Neben ihm lächelt Favre. Die Hoffnung lebt.