Dortmund. . Der BVB-Kapitän will zurück in den Kader beim Bremen-Spiel am Sonntag. Seine Degradierung wird heiß diskutiert. Wir fragten Fans beim Training.
Am Samstag im Stadion herrschte noch Reizklima zwischen Fans und Mannschaft. Auf riesigen Transparenten wurden die Spieler als Versager bezeichnet und ihnen jedes Ehrgefühl abgesprochen: „Niemand verkörpert Borussia Dortmund so wenig wie ihr!“ Auffällig ist: Der BVB geht derzeit auf Tuchfühlung zu den Anhängern. Am Dienstag trainiert der ansonsten auf Abgeschiedenheit bedachte Bundesligist zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen öffentlich vor den Augen der Fans. So oft werden die Zuschauer sonst nur innerhalb von einigen Monaten hereingelassen.
Sie sehen: Den ersten öffentlichen Auftritt von Mannschaftskapitän und BVB-Institution Marcel Schmelzer seit seiner Degradierung am Wochenende. Trainer Peter Stöger hatte den 30-Jährigen „aus sportlichen Gründen“ aus dem Kader gestrichen. Ein Politikum. Die Partie gegen Leverkusen wurde 4:0 gewonnen, und hinter der Rolle von Schmelzer beim BVB für die Zukunft steht seitdem ein großes Fragezeichen. Die Meinungen zu ihm? Gespalten.
Schutz beim BVB-Kapitän suchen
Schmelzer kommt als Erster auf den Rasen, läuft beim Warmmachen vornweg. Ein Scherz mit Mahmoud Dahoud und Sokratis. Aufwärmübung: Wer huckepack getragen wird, darf nicht gefangen werden. Auch eine spaßige Sache. Ömer Toprak springt Schmelzer auf den Rücken. Schutz suchen beim Kapitän, logisch. Aber wer schützt Schmelzer?
„Es steht eine Neuformierung im Sommer an. Es hört sich böse an, aber ich glaube, er hat seinen Zenit überschritten“, sagt Ralf Harnischmacher (50) aus Gladbeck, BVB-Fan, Trainingszuschauer. Er ist selber Trainer, G-Jugend SV Zweckel. Er schwärmt vom Engagement seiner Mini-Kicker – und vermisst so viel Herz und Mut und Freude in Dortmund. „Manchmal sieht das nach Alibi-Fußball aus, auch bei Marcel Schmelzer. Das ist in dieser Saison kein Borussen-Fußball und nicht das, was wir sehen wollen.“
Dietmar Olbrich (55) aus Dortmund trägt den gelben BVB-Dress aus dem Fanshop, dazu die Pöhler-Kappe, der Jürgen Klopp zu Weltruhm verhalf. Das Wort erzählt von aufgeschürften Knien, von Stutzen auf halbmast und verdreckten Trikots. Kurzum: von Arbeit. Olbrich weiß, wovon er spricht: gelernter Maurer, die Knochen schmerzen davon. „Früher war ich ein Fan von Marcel Schmelzer, weil er die Linie rauf und runter lief. Er läuft immer noch, kriegt aber weniger Bälle. Und wenn dir dann noch solche Fehler unterlaufen, bist du der Doofe.“ Fehler wie gegen Schalke. Schmelzer, der Sündenbock? „Das ist ein Mannschaftssport. Es liegt nicht nur an ihm.“ Ist er denn der richtige Typ, um Kapitän zu sein? „Er ist zu lieb für diese Welt, zumindest für die Fußball-Welt.“
Seit 13 Jahren ist der gebürtige Magdeburger Schmelzer beim BVB, er kam als Jugendlicher, arbeitete sich die Mannschaften empor, bis ihn jener Klopp zu den Profis beförderte und ihm zu einer Bilderbuch-Karriere verhalf: zweimal Meister, zweimal DFB-Pokalsieger, Champions-League-Finalist, zwischenzeitlich Nationalspieler. Schmelzer galt bei der Borussia als integrative Kraft, als einer, der stets um das Gemeinwohl bemüht ist. Doch sein sportlicher und sonstiger Stellenwert droht zumindest aus Sicht vieler Fans zu bröckeln.
Was wird aus Schmelzer beim BVB?
„Das ist der Lauf der Zeit. Irgendwann kommt einer, der jünger und besser ist. Schmelzer ist doch das beste Beispiel: Er folgte auf Dede, der auch eine Ikone war“, sagt Georg Rollkowski aus Dortmund. Sein Sohn Luca hat Geburtstag und wird 16. Ein Autogramm will er von Roman Weidenfeller. „Wenn Schmelzer wieder seine Leistung bringt, wird er auch wieder spielen“, sagt er. Mama Steffi, oft mit Dauerkarte auf der Südtribüne, ist auch da: „Er hat solche Verdienste um den Klub. Daher finde ich nicht in Ordnung, wie jetzt mit ihm umgegangen wurde.“
Wie es weitergeht? Kehrt am Sonntag Schmelzer gegen Bremen in den Kader zurück? Wird er über die Saison hinaus Kapitän bleiben, wenn da doch auch noch Marco Reus ist, der alles mitbringt, um Kapitän zu sein? „Schmelzer ist jemand, der wie ein Symbol für den BVB steht, da sollte man ihm auch mal eine schwächere Phase verzeihen“, sagt Florian Amelunxen (29): „Es wäre falsch, ihm die Kapitänsbinde jetzt wegzunehmen.“ Mit Betonung auf: jetzt.