Dortmund. Der BVB trifft am Samstag auf RB Leipzig. Wir haben mit Roman Bürki über Gerüchte um neue Torhüter und seine Vertragsverlängerung gesprochen.
Er ist der Mann, der bei Borussia Dortmund in dieser Saison häufig im Mittelpunkt steht: Roman Bürki (26 Jahre). Der Schweizer ist der Torwart, der in der Fußball-Bundesliga mit nur zwei Gegentreffern die Bestmarke hält. In der Champions League aber kassierte er mit der BVB-Abwehr sechs Tore in zwei Spielen, was in der Öffentlichkeit erneut zu grundsätzlichen Zweifeln an ihm und Gerüchten über potenzielle Nachfolger führte. Vor dem Liga-Topspiel gegen RB Leipzig (Samstag, 18.30 Uhr) redet er über all das – und noch viel mehr.
Herr Bürki, wie fühlt man sich als statistisch bester Torwart der Liga?
Roman Bürki: Ich fühle mich gut, auch abgesehen von dieser Statistik. Wir spielen bis jetzt eine starke Bundesliga-Saison.
Wie groß ist Ihr Anteil daran?
Bürki: Wir sind sehr mutig in der Verteidigung und stehen sehr hoch. Viele Gegenangriffe verhindern wir schon, bevor sie richtig entstehen. Und ich versuche auch, so hoch wie möglich zu stehen, falls mal ein Pass in die Tiefe kommt. Und alles, was aufs Tor kommt, versuche ich zu parieren. Im Moment klappt all das zusammen sehr gut.
In der Liga ja, in der Champions League noch nicht. Sehen Sie bisher in dieser Saison Anlass zu Kritik an Ihrer Leistung?
Bürki: Es gibt immer Menschen, die versuchen, etwas Negatives zu finden, die versuchen, mich zu kritisieren. Aber wenn man das große Ganze anschaut, dann überwiegt das Positive. Klar habe ich bei ein paar Toren in der Champions League nicht hundertprozentig gut ausgesehen. Das gestehe ich ein.
Gegen Tottenham gingen zwei Bälle in die kurze Ecke, von der man sagt, der Torwart müsse sie immer abdecken.
Bürki: Jeden, der einen Torwart bewertet ohne selbst je im Tor gestanden zu haben, kann ich ehrlich gesagt nicht richtig ernst nehmen. Zur Frage, wie ich zwei Bälle am kurzen Pfosten reingehen lassen kann, sage ich ganz grundsätzlich: Ich kann mich auch einfach nah zum ersten Pfosten stellen und da keinen Ball reinlassen. Dafür gehen sie dann in die lange Ecke. Das Spiel ist dann trotzdem verloren. Der Torwart muss das ganze Tor verteidigen, so sehe ich das. Wer etwas anderes sagt, der macht es sich zu leicht. Ich denke, dass ich mehr Positives für die Mannschaft geleistet habe als Ihr zu schaden. Es ist das Los des Torhüters, in einer einzigen Sekunde zum Buhmann werden zu können - und damit komme ich klar.
Ihre Leistungen scheinen stets besonders kritisch gesehen zu werden. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre vielen guten Leistungen auch als solche wahrgenommen werden?
Bürki: Ich bin überzeugt, dass das so ist bei den Leuten, die mir wichtig sind. Mit anderen Worten: hier beim BVB, beim Trainer, den Mitspielern, den Verantwortlichen, aber auch in meinem Umfeld, bei meiner Familie. Das ist mir wichtig, dass die die tiefgründige Sicht haben.
Woher - glauben Sie - kommt der Reflex, dass mancher so schnell an Ihnen zweifelt?
Bürki: Sagen Sie es mir. Ich schreibe das ja nicht, aber ich bekomme das manchmal natürlich mit. Ginge es nach manchen Leuten, hätte es beim BVB schon dreimal einen Torwartwechsel geben müssen. Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch und setze mich mit meinen Fehlern intensiv auseinander. Aber was da manchmal steht, ist hanebüchen. Ich nehme es mit Humor. Wichtig ist für mich nur, wie ich intern bewertet werde. Und da spüre ich Vertrauen und Rückendeckung.
Das Geheimnis der Schweizer Torhüter heißt Patrick Foletti
Es ist ein Phänomen: In Deutschland, das sich selbst so gern als Torhüter-Nation sieht, sind drei von 18 Stammplätzen in den Toren der Fußball-Bundesliga von Schweizern besetzt: Neben Roman Bürki in Dortmund sind dies Marvin Hitz in Augsburg und Yann Sommer in Gladbach – und bis vor kurzem gehörte noch Diego Benaglio in Wolfsburg dazu.
Ein Grund dafür, dass die kleine Nation auf dieser Position so stark vertreten ist: Patrick Foletti, Torwarttrainer der Schweizer Nationalmannschaft. „Patrick Foletti ist für uns ein Glücksfall“, sagte Laurent Prince, der Technische Direktor des Schweizer Fußball-Verbands, der Zeitung Blick. „Einerseits trainiert er die Torhüter auf dem Feld mit unglaublicher Leidenschaft und Fachkompetenz. Auf der anderen Seite bildet er die Torwarttrainer aus.“
Der 43-Jährige wird oft für seine innovative Arbeit gelobt. Unter anderem führte er beim Training eine Brille ein, die das Sichtfeld verringert und so die kognitiven Fähigkeiten und die Reaktionsgeschwindigkeit verbessert. (sing)
Lässt sich Kritik so einfach ausblenden? Oder berührt sie Sie doch manchmal?
Bürki: Ich habe mich damit abgefunden, mit Kritik umgehen zu müssen. Und ich kann das! Für mich war und ist wichtig, dass ich in den Spielen danach wirklich wieder zeige, dass es nicht an mich herankommt. Das ist mir in der Vergangenheit - denke ich - auch ganz gut gelungen. Aber Sie haben Recht: Die Art und Weise, mit der Kritik vorgebracht wird, hat auch mit Respekt zu tun, mit dem Menschen.
Kritik ist das eine, das andere sind die ständigen Gerüchte um eine mögliche neue Nummer 1. Mal soll es Timo Horn sein, mal Kevin Trapp.
Bürki: Ich habe immer jemanden beim BVB - Herrn Zorc, den Trainer oder die Torwarttrainer -, der auf mich zukommt und direkt sagt: Das ist völliger Quatsch, du musst das nicht glauben! Am Montag zum Beispiel hat der BVB-Präsident direkt Bezug auf das Mediengerücht rund um Kevin Trapp genommen. Ich bin schon so weit, dass ich es schaffe, diese Gerüchte, die zum Fußball einfach dazugehören, auszublenden und nicht an mich heran zu lassen. Und wie gesagt: Ein wenig Humor hilft.
Roman Weidenfeller, ihr Vorgänger, hatte auch eine schwere Zeit zu Beginn in Dortmund und hat sich den Status der Legende erst über die Jahre erarbeitet. Kann er Ihnen auf diese Weise helfen?
Bürki: Er hat mir erzählt, dass er anfangs schwierige Zeiten hier hatte, dass ich aber zu stark sei, um mich davon beeinflussen zu lassen. Er sagt, ich solle mich auf mich konzentrieren und weitermachen wie bisher, nicht zu viel wollen, um es den Kritikern zu zeigen. Das war wichtig für mich.
Ist es schwierig, nicht zu viel zu wollen?
Bürki: Im ersten Jahr, als ich hier hergekommen bin, wollte ich alles zeigen, was ich kann. Das ist manchmal nach hinten losgegangen. Was sehr gut ist: Wir haben eine sehr gute Mischung bei den Torwarttrainern (Matthias Kleinsteiber gehört seit Saisonbeginn zum Team, d. Red.). Der eine pusht, der andere nimmt ein bisschen Druck raus. Auch dadurch habe ich ein gutes Gleichgewicht gefunden.
Sind Sie ein besserer Torwart geworden seit Ihrem Wechsel?
Bürki: Ich denke, dass ich viele Fortschritte gemacht habe. Auf dem Platz bin ich gewachsen, weil ich mit so guten Mitspielern trainiere, deren Niveau man selbst erreichen möchte. Wenn man sich an denen orientiert, kann man sich sehr gut weiterentwickeln. Das gilt auch für die Dingen außerhalb des Platzes und was sie mit dir machen.
Was ist an Ihrem Spiel noch verbesserungswürdig?
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Bürki: Konstanz ist mir sehr wichtig. Das gilt nicht nur für mich, sondern für die ganze Mannschaft. Ich weiß, was ich kann, ich weiß, was wir leisten können. Im Moment läuft das sehr gut, wie in der Bundesliga zu sehen ist. Wir bringen immer unsere Leistung und gewinnen auch mal ein Spiel über Mentalität. So ein Spiel wie in Augsburg musst du gewinnen, um am Ende ganz oben zu stehen. Dass wir das können, ist ein großer Fortschritt gegenüber dem vergangenen Jahr. Es geht mir immer darum, auf hohem Niveau noch konstanter zu werden!
Kurz- oder mindestens mittelfristig wird der BVB eine andere Nummer 2 brauchen, weil Roman Weidenfeller seine Karriere beenden wird. Welche Konstellation bevorzugen Sie: Wenn einer die klare Nummer 1 ist oder wenn zwei sich auf Augenhöhe begegnen und sich zu besseren Leistungen anstacheln?
Bürki: Ich weiß nicht, ob das eine besser ist oder das andere. Das muss ich auch nicht entscheiden. Ich weiß nur: Überall, wo ich war, hatte ich einen Zweikampf. Ich bin nie zu einem Verein gekommen und war zu Beginn direkt die klare Nummer 1. Nicht in Zürich, nicht in Freiburg, nicht hier. Immer wollte ich mich unbedingt durchsetzen und habe das auch zum Glück geschafft.
Das uneingeschränkte Vertrauen des Trainers zu spüren, muss sich aber doch auch gut anfühlen.
Bürki: Ich habe auch gemerkt, dass ich im ersten Jahr hier meine Probleme hatte, als nicht ganz klar war, wer die Nummer 1 ist. Roman konnte und wollte ins Tor und das hat mich zusätzlich unter Druck gesetzt. Als dann in der zweiten Saison die Entscheidung deutlicher zu meinen Gunsten ausfiel, habe ich mich besser und sicherer gefühlt. Ein Zweikampf auf Augenhöhe kann dich zu Höchstleistungen bringen, kann dich aber auch herunterziehen. Für mich ist es jetzt gerade mit Roman optimal, weil ich von ihm weiß, dass er mich unterstützt, dass er auch für mich da ist, wenn es nötig ist.
Wird Ihre Meinung in den weiteren Planungen gehört?
Bürki: Wir haben darüber noch nicht gesprochen, nein. Das ist aber auch eine Sache meiner Chefs, die immer im Interesse des Klubs handeln. Das ist auch richtig so.
Aber wir dürfen annehmen, dass Sie die Entscheidung mit größerer Aufmerksamkeit verfolgen.
Bürki: Das ist klar, ja. Aber an meiner Einstellung wird die Entscheidung, ob eine klare Nummer 2 geholt wird oder einer, der um den Platz im Tor kämpft, nichts ändern.
Ihr Vertrag läuft bis 2019. Gibt es bereits Gespräche?
Bürki: Es gibt Gespräche, natürlich. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als hier zu spielen. Ich fühle mich sehr wohl in dieser Umgebung und ich glaube, dass es bald eine Entscheidung geben wird.
Was ist Ihnen wichtig in solchen Gesprächen?
Bürki: Ich muss weiterhin das Vertrauen haben, das ist mir wichtig. Ich möchte hier eine längere Zeit bleiben, das habe ich schon gesagt, als ich gekommen bin, weil der Klub auf der ganzen Welt bekannt ist, weil er gegen die Besten in der Champions League antritt. Wir haben eine super Mannschaft und Spieler die alle gut miteinander auskommen. Es gibt keine Grüppchen, das ist mir auch sehr wichtig. Ich fühle mich akzeptiert und unterstützt.