München. . An einem großen Abend in München zieht der BVB nicht nur ins Finale des DFB-Pokals ein. Weil er sich gegen alle Widerstände durchsetzt, erobert er auch die Herzen der Menschen.
Bilder halten Momente fest. Dieses, auf Münchener Territorium aufgenommen, verewigt einen besonderen Augenblick. Zu sehen sind die Spieler von Borussia Dortmund in der Kabine. Sie haben sich aufgestellt, lachen, jubeln über diesen erinnerungswürdigen 3:2-Sieg gegen Bayern München. Manche tragen nur noch die kurze Hose und einen Schal, DFB-Pokalfinale 2017 steht darauf. Dort in Berlin am 27. Mai haben die Fußballer des BVB die Gelegenheit, eine Saison mit Gold zu überziehen, die in keine Norm passt. Eine Saison voller Höhen und Tiefen, mit gesperrter Südtribüne und einem schwer kranken Star. Eine dramatische Saison. Auch davon erzählt dieses Bild der Helden in Badelatschen.
Kraft und Mut und Schönheit
Etwas mehr als zwei Wochen ist es her, da fehlte nicht viel und so mancher wäre nie auf diesem oder vielleicht sogar einem anderem Foto aufgetaucht. Noch immer sind die Spieler damit beschäftigt zu verarbeiten, dass sie einem Sprengstoffanschlag ausgesetzt waren, dass ihnen jemand nach dem Leben trachtete. Aber an diesem großen Abend in München erwuchs auch aus der Beinahe-Tragödie Kraft und Mut und Schönheit – und die unbezahlbare Möglichkeit, dieser prägenden Erinnerung eine andere prägende Erinnerung entgegenzuhalten. Eine, die der anderen womöglich ein ganz klein wenig die Wucht der Nachwirkung nehmen kann.
„Natürlich ist es so, dass ein so dramatisches Erlebnis, wenn es so glimpflich ausgeht, für Klebstoff sorgen kann“, sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel nach dem Erfolg, „wir hatten ein dramatisches Erlebnis, aber so haben wir uns kennengelernt auf eine Art und Weise, wie man sich sonst als Fußballmannschaft nicht kennenlernt.“ Diese hätte genug Gründe, ihren Sport als reichlich banal zu betrachten und sich düsteren Gedanken hinzugeben. Aber sie raffte sich auf. Gegen alle Widerstände.
Mit entschlossener Kampfeslust bog sie jüngst die Partie gegen Gladbach in der Liga um. Sie wiederholte nun dieses Kunststück im Pokal beim übermächtig scheinenden FC Bayern. Dieser Mannschaft, die sich nicht hat unterkriegen lassen, fliegen gerade die Herzen aus allen Himmelsrichtungen zu. „Ich kann mich nicht erinnern, dass eine andere deutsche Mannschaft in den letzten Jahrzehnten so etwas mitmachen musste“, verneigte sich der nicht gerade für Übertreibungen bekannte Präsident Reinhard Rauball vor der erneuten Leistung des Teams und hauchte in ungewohntem Pathos: „Diese Mannschaft besteht aus echten Borussen.“
Einer der Anführer an diesem Abend: Sven Bender. Er lieferte ein weiteres Bild, das diese Saison weit überdauern wird. In voller Streckung grätschte er den freien Schuss des Müncheners Arjen Robben mit der Fußspitze an den Pfosten. Glück, Wille, Können – alles in einem Moment. Als „die Aktion des Spiels“ adelte Kapitän Marcel Schmelzer die Einlage, und auch Tuchel lobte: „Wenn da das 3:1 fällt, ist es beinahe unmöglich zurückzukommen. So knapp ist es nun mal, selbst solche Situationen beeinflussen ein Spiel auf solch einem hohen Niveau – und beeindrucken dann einen Gegner.“ Der BVB schien eben noch aussichtslos verloren – und fasste Sekunden später neuen Glauben, den der dann brillante Ousmane Dembélé mit einer Vorlage und einem Tor in einen Sieg umwandelte. „Das ist der schönste Abend meiner Karriere“, sagte er später. Der mutmaßlich schlimmste ist in diesem Augenblick so wunderbar weit weg. „Wir hatten Glück, dass Bayern das dritte Tor nicht macht“, meint Sportdirektor Michael Zorc. Kurze Pause. Dann sagt er: „Aber wenn eine Truppe nach diesen Wochen das Glück verdient hat, dann wir.“
Als Favorit nach Berlin
In der Liga gilt es, Platz drei zu verteidigen. Köln ist am Samstag der nächste Gegner. Und im Pokalfinale wartet Eintracht Frankfurt. Der Titel ist aus BVB-Sicht nahe. Zu nahe? „Natürlich haben wir die beste deutsche Mannschaft ausgeschaltet, aber die Kunst liegt jetzt darin, als Favorit nach Berlin zu fahren, es aber dann auch nach Hause zu bringen“, mahnt Kapitän Marcel Schmelzer. Gelingt es, werden wieder Bilder entstehen, die besondere BVB-Momente festhalten.