Dortmund/Lissabon. Der BVB muss ein Heimspiel vor einer leeren Südtribüne austragen. Unter Druck hat der Klub zugestimmt – und setzt jetzt den DFB unter Druck.

Die staatstragenden Worte wollten nicht recht passen. Weder zur schmucklosen Umgebung, direkt an Gepäckband 5 des Flughafens von Lissabon. Noch zu dem, der sie aussprach. Michael Zorc, Sportdirektor von Borussia Dortmund, ist meist ein Freund klarer Worte. Am Montagmittag aber war er als Diplomat gefragt. Da nämlich musste er erklären, warum der BVB einer Strafe zustimmt, die er eigentlich für falsch hält: die Sperrung der Südtribüne im Bundesliga-Heimspiel am Samstag gegen den VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/Sky).

BVB-Sportdirektor Zorc empfindet Strafmaß als hart

„Wir haben dem Antrag zugestimmt, um auch nochmals ein klares Statement zu setzen, dass wir die Vorkommnisse rund um das Spiel und während des Spiels gegen RB Leipzig in jeglicher Form verurteilen“, sagte Zorc – machte aber auch deutlich, dass er das Strafmaß als sehr hart empfindet: „Wir haben eine Kollektivstrafe, bei der auch die große Mehrzahl der Fans auf der Südtribüne, die sich nichts hat zuschulden kommen lassen, benachteiligt und mitbestraft wird“, beklagte der 54-Jährige. „Trotzdem ist es geboten, zuzustimmen und keine zu kleinteilige Diskussion über Verhältnismäßigkeit zu führen.“

Auch interessant

Zorcs diplomatische Äußerungen passen zur Gratwanderung, die der BVB seit Tagen absolvieren muss. Auf gar keinen Fall will man in den Verdacht geraten, dass man die Vorfälle rund um das Bundesligaspiel gegen RB Leipzig vor gut einer Woche verharmlost oder gar gutheißt: die beleidigenden und gewaltverherrlichenden Plakate im Stadion und vor allem die Angriffe auf Leipziger Fans davor, bei denen zehn Menschen verletzt wurden.

Aber man erlaubt sich auch Kritik am Urteil – denn als ein Klub, der nicht für seine Fans kämpft, will man eben auch nicht dastehen. Die Sperrung der gesamten Tribüne berge auch das Risiko, „dass der von allen Seiten gewünschte Solidarisierungseffekt der vielen friedlichen Fußballfans gegen die Täter letztlich nicht eintritt“, hieß es in einer Mitteilung des Klubs.

Die Verantwortlichen hatten daher vorgefühlt beim DFB, ob man die Angelegenheit nicht noch einmal differenziert betrachten könne: ob nicht die Sperrung des Oberrangs zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Doch das Urteil des Sportgerichts machte schon kurz nach 12 Uhr alle Hoffnungen zunichte: Die Südtribüne bleibt komplett gesperrt – 25 000 Fans müssen draußen bleiben. Den betroffenen Dauerkarteninhabern, die „nicht erwiesenermaßen zu den Tätern der Vorkommnisse rund um das Leipzig-Spiel gehören“, erstattet der BVB den anteiligen Preis.

Wer schon eine Tageskarte hat, darf ersatzweise zum letzten Heimspiel der Saison gegen Werder Bremen.

Das soll die Empörung der Fans lindern: Die fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt – auch von DFB-Präsident Reinhard Grindel, der schon kurz nach dem Leipzig-Spiel eine harte Strafe gefordert und so die Verbandsgerichtsbarkeit unter Druck gesetzt hat. Jener Grindel, der bei seiner Wahl zum Präsidenten eine einzige Gegenstimme erhielt – die vom BVB. In Dortmund, das klingt auch in der offiziellen Mitteilung vom Montag an, würde man sich mehr Unterstützung vom DFB und auch der Polizei wünschen, wenn es darum geht, die Problemfans aus dem Stadion zu entfernen.

Auch interessant

Jene 90 Schlägertypen zum Beispiel, die sich am Samstag in zwei Bussen auf den Weg machten in Richtung Darmstadt – und bei denen die Polizei allerlei Dinge fand, die sich nicht zum friedlichen Anschauen eines Fußballspiels eignen: Sturmhauben, Pyrotechnik, Schmerzmittel und Drogen. Immerhin: Die Polizei stoppte die Mitglieder der Hooligan-Gruppen „Northside“ und „0231 Riot“ und nahm die Personalien auf. Nicht immer gelingt es, Übeltäter so klar zu identifizieren.

BVB macht Druck beim DFB

Auf die Frage, wie es weitergeht, reagiert die Polizei aber zögerlich: Erst müssten die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen und ein Strafverfahren eingeleitet werden. Erst dann könnten die Personalien weitergegeben werden an den DFB. Der müsste dann ein bundesweites Stadionverbot erwirken.

Nach Informationen dieser Zeitung ist Borussia Dortmund bereits mit dem klaren Wunsch an den DFB herangetreten, dass dieser alles dafür tut, an sämtliche Personalien zu kommen und ein Stadionverbot gegen alle 90 Schlägertypen auszusprechen.