Dortmund. . Mit der ersten Saisonhälfte in der Bundesliga waren die Macher bei Borussia Dortmund nicht zufrieden. Zu inkonstant zeigte sich die Mannschaft. Doch mit der Rückkehr lange verletzter Spieler und fortschreitender Integration der Neuzugänge soll der Angriff auf die Champions-League-Plätze gelingen.
- Die direkt Qualifikation für die Champions League ist das Ziel der Borussia
- In der zweiten Saisonhälfte gibt es keine Alibis mehr
- Trainer Thomas Tuchel hofft auf Verstärkung aus den eigenen Reihen
Von Trainern, die Stoppuhr und Trillerpfeife um den Hals tragen, geht eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus. Es sind Utensilien der Macht, denn sie verwandeln den Träger zum Herrn über Zeit und Qual. Als Thomas Tuchel aber am Montagmittag die Einheit seiner Profis von Borussia Dortmund abpfiff, da wirkte er trotz seines Halsschmucks nicht, als ginge irgendeine Gefahr von ihm aus. Im Gegenteil, er wirkte zufrieden, was beachtlich genug ist. „Gute Einheit, Jungs“, sagte er, um sich dann sogar noch nach oben zu korrigieren: „Sehr gute Einheit.“ Der Trainer selbst hat „eine Aufholjagd“ in der Liga ausgerufen. Seine Zuversicht scheint nach der Rückkehr von Marco Reus ins Mannschaftstraining am Montag vorhanden. Ob die Borussia Platz drei noch erreicht? Der BVB im Bundesliga-Check.
Der Trainer
So richtig mag das Tuscheln und Grummeln rund um den Trainer Thomas Tuchel nicht verschwinden im schwarz-gelben Echte-Liebe-Betrieb. Fachlich gibt es an Tuchels Arbeit kaum Zweifel. „Er hat bei uns eine qualitativ hochwertige Art von Fußball implementiert und auch weiterentwickelt“, lobt Sportdirektor Michael Zorc. Tuchel bereitet sich und seine Mannschaft akribisch auf alle Eventualitäten vor, nicht immer ist das in dieser Saison allerdings vollumfänglich zu erkennen, weil sein Team Fehler macht, die längst besprochen sind und bereits abgestellt schienen.
Vor allem aber gereicht dem Trainer zum Nachteil, dass er auf Teile der Fans wie einer wirkt, der auf der Durchreise zu einem größeren Verein ist. Der BVB als Projekt auf Zeit, nicht als Herzensangelegenheit? Darauf steht als Strafe Liebesentzug und Argwohn. Damit wird Tuchel leben müssen – zumindest so lang die Ergebnisse nicht perfekt sind. Über die Verlängerung seines bis 2018 laufenden Vertrages soll im kommenden Sommer gesprochen werden.
Das Personal
Dieses Jahr würde ein Jahr des Umbruchs werden, das hatten die BVB-Macher nach dem Weggang von Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan und dem Zukauf von jungem Talent öffentlich ausgerufen. Was Erfolg bringt, würde zusammenwachsen müssen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, weil das Wachstum immer wieder jäh unterbrochen wurde. Teilweise fehlte dem Trainer mehr als eine ganze Mannschaft aus Verletzungsgründen. Und jene, die dann die Ergebnisse herbeispielen sollten, zeigten sich aus nachvollziehbaren Gründen (Alter, Qualität, Unerfahrenheit) nicht in der Lage, alle drei Tage im Ausmaß der vereinseigenen Ansprüche zu spielen.
Die Probleme
Das Dortmunder Spiel litt in der ersten Saisonhälfte an immer wieder neuen Stellen. Immer wieder fehlte der Offensive jene Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der sie an guten Tagen gegnerische Mannschaften zu überrollen scheint. Doch auch die Defensive wirkte anfällig, weil bislang kein verlässlicher Partner für Abwehrchef Sokratis gefunden werden konnte. Sven Bender war verletzt, Neuzugang Marc Bartra tat sich in der neuen Umgebung noch sehr schwer, Matthias Ginter nutzte seine Chancen ebenfalls nicht entschlossen genug.
Zudem machen die ständigen personellen und taktischen Veränderungen das Dortmunder System instabil. Es sind Veränderungen, die wegen der vielen Verletzungen und Formschwankungen oft unvermeidlich waren, es sind aber auch Veränderungen, die der Trainer mutwillig herbeiführt. Die Botschaft: Noch immer ist er taktisch und personell auf der Suche nach dem vermeintlichen Optimum.
Der Anspruch
Ins Adelshaus Königsklasse will es die Borussia schaffen, direkt, ohne Umwege einer lästigen Qualifikationsrunde. Das bedeutet Tabellenplatz drei in der Abschlusstabelle. So ist es kommuniziert und das ist für einen Klub, der sich in den vergangenen Jahren als zuverlässige Nummer zwei im Land etabliert hat und in Anbetracht der Fluktuation im Sommer weder besonders bescheiden noch extravagant ambitioniert. Mehr darf es immer sein, nur weniger keinesfalls, weil nur die Präsenz in der Champions League die Millionen und die Reputation generiert, die Dortmund für seine Entwicklung benötigt.
Die Prognose
Tuchel erlebt eine Phase, in der er in der Liga erstmals unter Druck steht. Denn in der zweiten Saisonhälfte, wenn ihm wichtige Spieler wieder gesund zur Verfügung stehen und die Eingewöhnung der Neuzugänge fortgeschritten ist, wird es keine Alibis mehr geben, die entschuldigen könnten, warum der hochbezahlte Kader des BVB hinter Mannschaften wie Eintracht Frankfurt und Hertha BSC steht. „In der Bundesliga hinken wir unseren Ansprüchen etwas hinterher“, sagt Sportdirektor Michael Zorc. Aber in der Rückrunde dürfte der BVB den bisherigen Schaden reparieren.