Dortmund. Am Tag danach war Roman Weidenfeller, Torwart von Borussia Dortmund, zurück im Alltag eines Fußball-Profis: Am Morgen eine Trainingseinheit, am späten Nachmittag eine Trainingseinheit. Dazwischen Ruhe, Körperpflege. Und Interviews.
Die Interviews drehten sich Mittwoch aber nicht um den misslungenen Saisonstart des BVB, sondern um Weidenfellers Dienstagabend. Der war gar nicht normal, hatte nichts mit Alltag zu tun. „Ich bin schockiert, noch sehr unruhig. Da wird was hängen bleiben”, gesteht der 1,90 Meter große und muskulöse Vorzeige-Athlet.
"Die haben gesagt: Aufstehen"
Weidenfeller besucht Dienstagabend, wie so oft, als normaler Gast ein normales italienisches Restaurant mit freier Tischwahl in der Dortmunder Innenstadt. Kaum haben sein Freund und er Platz genommen, kommen fünf weitere Gäste und beanspruchen den Tisch. „Eine verbale Auseinandersetzung endete mit Schlägen und Tritten”, formuliert die Polizei nüchtern in ihrem Bericht. Roman Weidenfeller war aber mittendrin: „Die haben gesagt Aufstehen. Als wir sitzengelieben sind, haben die auf uns eingeprügelt. Keine Ohrfeigen, das ging volles Rohr drauf.”
Eine Holzbank und ein Kleiderständer fliegen. Der Torwart schützt sich mit seinen Sportler-Reflexen, bekommt wenig ab. Für seinen 34-jährigen Freund verläuft die Schlägerei nicht so glimpflich: „Schürfwunden, Prellungen, ein dickes Horn am Kopf. Er lag am Boden und sie sind noch auf ihn drauf”, sagt Weidenfeller. „Es war eine unglaubliche Brutalität, die haben wie auf Kalteisen geschlagen, man musste mit allem rechnen”, bestätigt ein Augenzeuge. Als die Polizei mit mehreren Streifenwagen anrückt, rücken die Schläger, verfolgt von Weidenfeller, ab, werden aber kurze Zeit später gestellt. Aus der Gruppe erhalten zwei Tatverdächtige aus Unna, 20 und 22 Jahre alt, wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung eine Anzeige. Sie sollen in dem Restaurant zugeschlagen haben.
Anführer-Typ immer noch entsetzt
Weidenfeller, auf dem Platz ein Anführer-Typ, ein Freund deutlicher Worte, ist auch Mittwoch noch entsetzt. Und bestürzt. Dann geht der 29-Jährige in die Offensive. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Diese brutale Gewalt. Das war Wilder Westen in meiner Stadt, mitten in einem normalen Restaurant.” Nach der schockierenden Erfahrung will er persönlich dafür sorgen, dass das Erlebte nicht irgendwann Alltag wird. Der BVB-Torwart, der gestern eine Veranstaltung eines Netzwerks gegen Kinderprostitution besuchte, will sich künftig auch gegen Gewaltbereitschaft und für mehr Zivilcourage engagieren. Denn auch in dem Dortmunder Restaurant gab es viele eingeschüchterte Zuschauer, die nicht eingriffen. „So eine Erfahrung wünsche ich niemandem. Ich hoffe, dass Deutschland jetzt wach wird. Es kann nicht sein, dass man schon Angst haben muss, wenn man aus dem Haus geht.”