Norbert Dickel ist Stadionsprecher bei Borussia Dortmund. Wenn die Fans seinen Namen hören, erinnern sie sich in erster Linie an das Pokalfinale von 1989. Der jetzt 46-Jährige lief trotz Knieverletzung auf – und schoss zwei Tore. Im WAZ-Interview spricht

DER Stadionsprecher: Norbert Dickel ließt die Startaufstellung des BVB vor. Foto: WAZ, Felix Hoffmann
DER Stadionsprecher: Norbert Dickel ließt die Startaufstellung des BVB vor. Foto: WAZ, Felix Hoffmann © WAZ

Er ist Stadionsprecher und Leiter der Abteilung Eventmanagement bei Borussia Dortmund. Für die Fans ist Norbert Dickel (46) vor allem der Held von Berlin. Im DFB-Pokalfinale 1989 lief er trotz Knieverletzung auf und schoss beim 4:1 gegen Werder Bremen zwei Tore. Noch heute bringen die BVB-Anhänger ihm bei Heimspielen ein Ständchen (Wir singen Norbert, Norbert, Norbert Diiieckel, jeder kennt ihn, den Held von Berlin...). Carsten Oberste-Kleinbeck sprach mit dem Kult-Borussen über das Pokalfinale '89 und das Endspiel heute gegen Bayern München.

Welche Farben werden heute in Berlin dominieren: schwarz-gelb oder rot-weiß?

Dickel: Ganz klar schwarz-gelb. Zunächst werden viele Borussen dort sein, die auch alle etwas Gelbes mitnehmen. Und ich glaube auch, dass die Neutralen sich dem Underdog anschließen werden.

Apropos Farben: Alle 14 Tage stehen Sie als Stadionsprecher an der Südtribüne des Signal-Iduna-Parks vor einer riesigen gelb-schwarzen Wand von rund 25 000 Fans. Können Sie beschreiben, wie in diesen Augenblicken Ihr Innenleben aussieht?

Dickel: Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut. Das ist einfach etwas Besonderes, wenn man allein diese Lautstärke hört und plötzlich die Tribüne für einen selbst ein Lied singt: Das ist unbeschreiblich schön.

Was ist für Sie ein Held?

Dickel: Ein Held ist für mich ein Mensch, der Leben gerettet oder etwas wirklich Außergewöhnliches geschafft hat.

Sie haben etwas Außergewöhnliches geschafft: 1989 im Pokalfinale . . .

Dickel: Nein, ein richtiger Held ist etwas anderes.

Sie werden aber als Held besungen . . .

Dickel: Ja, darüber freue ich mich auch. Aber ich glaube, dass das speziell für den Fußball gilt, das ist eine eigene Definition von Held.

Ohne den Pokalsieg '89 stünde der BVB nicht dort, wo er heute steht, und auch ihr Leben wäre wahrscheinlich ganz anders verlaufen. . .

Dickel: . . .gaaaanz anders. . .

Wie würden Sie Ihre Beziehung zum BVB beschreiben?

Dickel: Eine große Liebe (lacht). Das ist so. Ich bin durch und durch schwarz-gelb. Schon immer. Das ist mein Verein, das ist meine Heimat, das ist mein Zuhause.

Im Pokalfinale '89 haben Sie nach einer sechswöchigen Verletzungspause Ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt. Angeblich konnten sie damals wegen der Schmerzen noch nicht einmal mit dem Innenspann schießen . . .

Dickel: . . . das stimmt, das ging wirklich nicht . . .

Würden Sie heute noch einmal auflaufen mit dem Wissen, welchen Preis Sie zu zahlen hätten?

Norbert Dickel küsst nach dem 4:1-Erfolg über Werder Bremen im Berliner Finale den Pokal. Foto: Sven Simon
Norbert Dickel küsst nach dem 4:1-Erfolg über Werder Bremen im Berliner Finale den Pokal. Foto: Sven Simon © SvenSimon

Dickel: Da ich der Meinung bin, dass das Endspiel keinen weiteren Einfluss auf die Verletzung hatte, würde ich es genau so wieder machen. Das Knie war kaputt, danach konnte ich im Prinzip nicht mehr spielen. Es liegt natürlich sehr nahe, dass das Spiel dafür entscheidend gewesen sein könnte, aber das war nicht so.

Was war das Besondere an der 89er Mannschaft?

Dickel: Die Kameradschaft. Wir sind abends, wenn wir gewonnen hatten, häufig noch mit zwölf Spielern und unseren Frauen ausgegangen und haben ein bisschen gefeiert.

Zu welchen Spielern haben Sie noch Kontakt?

Dickel: Natürlich Thomas Helmer, wir haben zusammen gewohnt, ich bin der Pate seines Sohnes. Günter Kutowski, Michael Zorc, Teddy de Beer, Michael Lusch – und auch Frankie Mill, der war eben noch hier.

Wo liegen die großen Unterschiede zwischen einem Fußball-Profi '89 und heute?

Dickel: Der Fußball hat sich ein bisschen gewandelt, vor allem solche Individualisten wie einen Andy Möller, die gibt's ja heute kaum noch. Jetzt gibt es inzwischen Rauten, die plötzlich auf dem Feld auftauchen, die waren damals nicht da (lacht) – oder die Doppelsechsen. Das Spiel ist sicherlich dynamischer und schneller geworden, und natürlich haben sich auch die Spielsysteme verändert.

Sie arbeiten im Management-Bereich, aber als Sportmanager, Teammanager oder als Trainer haben Sie es niemals versucht, warum?

Dickel: Trainer wollte ich nie werden. Da kommt wieder meine Herkunft zu Tage: Der Wittgensteiner ist ein sicherheitsdenkender Mensch. Ich habe immer gesagt, dass es 36 Erst- und Zweitliga-Trainer gibt, und die prozentuale Chance, davon einer zu werden, ist relativ gering. Deshalb habe ich mich frühzeitig dazu entschlossen, den kaufmännischen Weg einzuschlagen.

Wie haben Sie am vergangenen Sonntag das 0:5 des BVB in München erlebt?

Dickel: Es hört sich jetzt vielleicht ein bisschen doof an, aber möglicherweise ist ein 0:5 besser als ein 0:1. Ich denke, dass in den Köpfen der Bayern der Gedanke herumschwirrt: Die hauen wir jetzt einfach so weg. Das kann für den BVB eine Chance sein.

Würde der BVB nicht im Pokalfinale stehen, müsste man sagen, dass das eine sehr traurige Saison ist. Dennoch ist das Stadion immer noch voll. Ist der Fan im Pott – besonders der BVB-Fan – leidensfähiger?

Dickel: Er ist vor allem treu. Natürlich musste er vor allem in den letzten Jahren leidensfähig sein. Wir alle gemeinsam glauben aber immer, nächstes Jahr wird es besser – und nächstes Jahr wird es auch besser (lacht).

Der BVB landet in der kommenden Saison unter den ersten fünf, weil . . .

Dickel: . . . wir auch im nächsten Jahr im Schnitt 75 000 Zuschauer haben werden und die Mannschaft so verstärkt wird, dass wir international mithalten können.

Norbert Dickel möchte irgendwann einmal folgenden Satz vor 80 000 im Signal-Iduna-Park ins Mikrofon sprechen . . .

Dickel: In naher Zukunft: DFB-Pokalsieger 2008 ist Borussia Dortmund.

Handicap sechs

Norbert Dickel engagiert sich für sozial Schwache

Wo liegt zurzeit Ihr Handicap?

Dickel: Es liegt bei sechs.

Sie sind Präsident der Gofus (der Verein der Golf spielenden Fußballer), die sich im karitativen Bereich stark engagieren, wie wichtig ist dieses Projekt für Sie?

Dickel: Dort investiere ich meine komplette Freizeit. Wir haben es geschafft, im vergangenen Jahr fast eine Million Euro in Bolz- und Spielplätze zu stecken, und wir starten jetzt eine große Ausbildungsinitiative in Zusammenarbeit mit den Kultusministerien und Schulen. Wir möchten sozial schwächeren Kindern die Möglichkeit geben, eine Ausbildung zu machen. Das ist die nächste große Aufgabe.

Alle Infos zum Pokalfinale zwischen dem BVB und Bayern München finden Sie in unserem Pokalspezial.

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