Essen. Jeder Klub sucht in der heutigen Zeit möglichst viele Geldgeber - auch der BVB. Von Vereinen wie Leipzig kann noch gelernt werden. Ein Kommentar.
- Jeder Klub sucht in der heutigen Zeit möglichst viele Geldgeber - auch der BVB.
- Die Kommerzialisierung im Fußball schreitet fortwährend voran.
- Von Vereinen wie Leipzig kann noch gelernt werden.
Fangruppen bei Borussia Dortmund haben tagelang zum Boykott ihres Auswärtsspiels bei RB Leipzig aufgerufen. Ihre Begründung: Anders könne man einen Protest gegen die Kommerzialisierung des Fußballs nicht ausdrücken. Das Feindbild: Großkonzerne wie Red Bull, die mit ihrem Geld Klubs aufbauen und wettbewerbsfähig aufrüsten. Ultras sehen in einem Mäzen wie Dietrich Mateschitz und früher Dietmar Hopp in Hoffenheim den Urheber für den Untergang des Abendlands.
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Nun, aus dem Proteststurm wurde ein laues Lüftchen. Gerade auf Twitter gemeldet: Nach 22 Minuten waren alle 4300 BVB-Karten für das Leipzig-Spiel vergriffen. Selten endete ein Fanprotest so kläglich wie im Fall RB Leipzig. Man muss feststellen: Die Protestler stehen, so laut und medienwirksam ihr Getöse auch gewesen sein mag, mit ihrer Meinung ziemlich alleine da. Die Mehrheit der BVB-Fans will offenbar das tun, wofür Fans da sind: Ihre Mannschaft, die den größten Umbruch seit zehn Jahren erlebt, beim zweiten Saisonspiel unterstützen. Das und nur das ist Echte Liebe.
Man möchte Borussia Dortmund etwas mehr Selbstbewusstsein beim Umgang mit Fanprotesten wünschen. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke hat den Protest vorsichtig "legitim" genannt und gesagt: "Ich werde es nie befürworten, wenn unsere Fans einem Spiel fernbleiben, aber es ist ihr gutes Recht, und ich respektiere diese Entscheidung." Mag ja sein. Aber es stimmt halt nicht, wenn die Initiative "Südtribüne Dortmund" meint, der Klub RB Leipzig und dessen Konstruktion widersprächen "allen sportlichen und emotionalen Werten". Eine solche Formulierung ist selbstgerecht und anmaßend.
Kommerzialisierung nicht aufzuhalten
Da hat ein Klub mit einer Menge Sponsorengeld einen Aufstieg nach dem anderen geschafft, ja. Doch: Sucht nicht jeder Klub möglichst viele Geldgeber, um den sportlichen Erfolg auszubauen? Borussia Dortmund mit Evonik. Bayern München mit Telekom und Audi. Schalke 04 mit Gazprom. Die Leipziger Traditionsvereine VfB/Lok und Sachsen sowie der benachbarte Hallesche FC haben es halt seit Jahrzehnten nicht hinbekommen, ins Oberhaus des Fußballs zurückzukehren. Soll RB Leipzig deswegen amateurhaft bleiben? Oder ist der Traditionsklub Hamburger SV besser dran, wenn er jedes Jahr vom Wohlwollen eines Multimilliardärs abhängt?
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Die Rückbesinnung auf ein Vereinsleben wie zu Turnvater Jahns Zeiten hat viel mit Nostalgie und wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Kommerzialisierung wird seit den 70er Jahren beklagt, als Eintracht Braunschweig mit Jägermeister-Werbung auf der Spielerbrust auflief - und sich plötzlich Weltmeister Paul Breitner leisten konnte. Aufzuhalten war die ständige Kommerzialisierung nicht. Alle Klubs, auch Borussia Dortmund, haben heute Marketing-Profis, die Geld ranschaffen müssen, um in den Erfolg investieren zu können. Es bringt folglich nichts, Klubs wie RB Leipzig von Hause aus abzulehnen, weil sie aus der Retorte entstanden sind. Konstruktiver wäre die Frage: Wie machen die das - und was können wir von denen lernen? Und sie dann sportlich schlagen.
Das Stadion in Leipzig ist übrigens permanent voll. So schlecht scheinen die ihren Job nicht zu machen.
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