Dortmund.. Der Offensivkünstler kuriert seine Verletzung in Dortmund weiter aus. Doch auch so bleibt er der Favorit auf das vakante Amt des Mannschaftskapitäns.
Im Grand Hotel Bad Ragaz werden mit letzten Handkantenschlägen die Kissen in Form gebracht. Prominenter Besuch wird erwartet: Ab Mittwoch gastieren die Fußballer des Bundesligisten Borussia Dortmund in dem malerischen Schweizer Örtchen. Erstmals wird Trainer Thomas Tuchel alle seine Spieler um sich haben. Oder besser gesagt: fast alle. Marco Reus, der seit dem DFB-Pokalfinale im Mai verletzt ist, wird nach Informationen dieser Zeitung nicht mitreisen, sondern sein Genesungsprogramm in Dortmund fortführen. Die Rückkehr ins Mannschaftstraining nach seiner Schambeinentzündung ist weiterhin für Mitte August vorgesehen.
Nachfolger von Hummels gesucht
Aber der Name Reus ist irgendwie doch mit dabei in der Schweiz. Denn es wird nun nicht nur sportlich langsam ernst, sondern auch in einer wichtigen Frage: Wer wird Kapitän und damit Nachfolger des zu Bayern München abgewanderten Mats Hummels? „Es ist noch nicht entschieden“, sagte Tuchel vor wenigen Tagen noch und mag das Interesse an der Sache in Zeiten, in denen „die Hierarchien immer flacher werden“, zumindest offiziell gar nicht so recht verstehen. Dabei geht es um den Mann, der den Verein repräsentiert und hilft, ihn zusammenzuhalten. Tuchels Zögern rührt vermutlich auch daher, dass er den einen perfekten Kandidaten (noch) nicht hat. Denn es muss viel zusammenpassen, um ein anerkannter Kapitän zu sein.
Marco Reus (27) verfügt sicher über die sportliche Reputation, er ist gebürtiger Dortmunder und einer, dessen Wort im Verein durchaus gehört wird. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke malte ihm vor dessen Vertragsverlängerung eine hübsche Zukunft aus: Reus könne bei der Borussia „eine Legende werden“. Das Kapitänsamt würde in dieses Bild passen. „Natürlich ist es eine Ehre, als BVB-Kapitän den Platz zu betreten. Wenn die Möglichkeit da ist, werde ich sicher nicht nein sagen“, sagt Reus zu dem Thema. Ihn bei der Neubesetzung zu übergehen, käme einem Politikum gleich. Andererseits ist der Nationalspieler – wie jetzt erneut – häufig verletzt. Immer wieder zwingen ihn Leistenprobleme zum Zuschauen. Zweifel an seiner dauerhaften Fitness dürfen also auch dem Trainer unterstellt werden. Und ein Kapitän, der womöglich nicht da ist, wenn es eng wird, ist kein perfekter Kapitän.
„Die Mannschaft wurde schon in den vergangenen Jahren beileibe nicht nur von Mats Hummels geführt“, sagt Watzke. Die Spieler, die er dann zuerst als erweitertes Führungspersonal bezeichnet, sind Marcel Schmelzer (28) und Sven Bender (27).
Der gebürtige Magdeburger Schmelzer ist seit 2005 ein Borusse. Er ist kein Künstler, sondern ein zuverlässiger Handwerker. Das schätzen die Fans. Doch er wirkt in der Mannschaft eher nach innen. Zumal auch noch nicht geklärt ist, wie sein sportlicher Stellenwert in der kommenden Saison sein wird. Mit dem portugiesischen Europameister Raphael Guerreiro hat er einen ernst zu nehmenden Konkurrenten auf der Linksverteidigerposition. Wer wenig spielt – wie Sven Bender in der vergangenen Saison –, ist kein perfekter Kapitän.
Tuchel zögert
Für einen, an dem sich eine Mannschaft in schlechten Zeiten aufrichten kann, halten die Macher des BVB Julian Weigl. Aber der ist mit seinen 21 Jahren noch etwas jung für das Amt. Findet wohl auch Tuchel. Und zögert.