Dortmund. Über Instagram kritisiert Kevin Großkreutz die Entwicklung bei Borussia Dortmund - und trifft damit ein Gefühl, das immer mehr BVB-Fans umtreibt.

Der Social-Media-Account gehört bei vielen Fußballern inzwischen dazu. Meist betrieben von einer Agentur, dementsprechend geleckt kommen die Einträge daher. Nicht so bei Kevin Großkreutz, der sich jüngst aus Istanbul zur Situation seines Ex-Vereins Borussia Dortmund zu Wort meldete: "Es ist ein geiler Verein, aber macht ihn nicht kaputt und werdet nicht wie andere Vereine!", schrieb er auf Instagram. "So langsam braucht man sich auch nicht mehr über andere Vereine beschweren! Es wird genau dieselbe SCHEISSE gemacht! Preise, Tradition usw...."

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BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke reagierte gereizt: "Das erfüllt fast den Tatbestand des Nachtretens", sagte er vor dem Abflug zum Europa-League-Spiel bei PAOK Saloniki - und schickte noch den Rat hinterher, angesichts der vergangenen Jahre solle sich Großkreutz "lieber um seine Dinge kümmern".

Schon zu BVB-Zeiten war Großkreutz mit seinen Postings nicht immer ganz trittsicher, hatte im Verein immer mal für Stirnrunzeln gesorgt. Doch macht das seine aktuellen Aussagen falsch?

BVB zieht im Netz Unmut auf sich

Der Ex-Borusse, der sich noch immer als BVB-Fan sieht, ist längst nicht der einzige, der im Netz Dampf ablässt. In den letzten Wochen nehmen Kritik und Unmut in den sozialen Medien zu. Mal waren es größere, mal eher kleinere Anlässe, die für Empörung sorgten. Repräsentativ ist das freilich nicht, und erstzunehmen auch nicht immer. So echauffierten sich nicht wenige, dass der BVB für das Pokalspiel gegen den Zweitligisten SC Paderborn dieses Mal den regulären Tagespreis ansetzt - das allerdings wurde auch in den vergangenen Jahren stets so gehandhabt.

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Doch die unzufriedenen Wortmeldungen mehren sich. "Möchte der BVB in erster Linie zweiter Leuchtturm sein oder vor allem für die tiefe Verbindung zwischen Fan und Verein weltweite Bekanntheit erlangen?", fragte jüngst ein Gastautor des Fanzines schwatzgelb.de. "Die Liebe der Fans zum BVB wurde marketingtechnisch bereits passend mit echter Liebe beschrieben. Sofern dies weiterhin im Zentrum der externen Wahrnehmung stehen soll, wäre eine Rückkehr zu alten Werten zumindest in bestimmten Themenfeldern hilfreich."

"Echte Liebe" - natürlich ist dies in erster Linie ein Marketing-Claim. Funktionieren kann der aber nur, wenn die Distanz zu den Fans nicht allzu groß ist - schließlich ist es doch vor allem das enorme Anhängerpotenzial, die vielbeschworene Gelbe Wand auf der Südtribüne, die oft gepriesene Stimmung im Stadion, die einen großen Teil des Vermarktungspotenzials ausmachen. Gerade ein Verein wie der BVB muss also darauf achten, dass die Distanz zu den Fans nicht zu groß wird - doch hier und da tun sich deutliche Risse auf.

Höhere Eintrittspreise

Anfang September etwa war der Unmut groß - zumindest unter den Dauerkarteninhabern: Weil der BVB für die Europa-League-Spiele den regulären Kartenpreis ansetzte, kostete etwa der Platz auf der Südtribüne 13,4 Prozent mehr als in der Vorsaison - für Gegner namens Krasnodar, Qäbälä und PAOK statt Arsenal, Galatasaray und Anderlecht. Die höhere Summe wurde zudem auf einen Schlag von den Konten der Kunden abgebucht. Nach heftiger Kritik ruderte der BVB zurück. "Um es klar zu sagen: Borussia Dortmund ist hier ein Fehler unterlaufen", hieß es auf Facebook. Nun gab es einen 30-prozentigen Rabatt auf die Europa League, außerdem sollten die Abbuchungen für die einzelnen Spiele schrittweise erfolgen.

Ohnehin sind die Eintrittskarten in den vergangenen Jahren immer teurer geworden: Wer etwa ganz oben auf Ost- oder Westtribüne ungefähr auf Höhe der Mittellinie sitzen wollte, zahlte dafür in der Saison 1998/99 knapp über 26 Euro. Heute sind es 48,10 Euro. Der Preis für eine Stehplatzkarte hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt - bei einem reinen Inflationsausgleich hätten sich die Tickets nur etwa um ein Drittel verteuern dürfen.

Im Erfolg nahmen viele Fans das hin. "Aber gerade nach der Hinrunde des letzten Jahres und der ungebrochenen Unterstützung der Fans hatten sich viele gedacht, dass der Verein dieses „Engagement“ belohnen würde", heißt es auf schwatzgelb.de. "Diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht."

Nähe zu den Fans

Misst sich Fannähe an Anlässen, zu denen die Fans den Spielern nahe kommen können, ist der BVB längst ein Verein, der seine Spieler relativ stark abschottet. Während einige Kilometer westlich der FC Schalke 04 regelmäßig zum öffentlichen Training bittet und die Zuschauer - wenn unter der Woche nicht gespielt wird - nur einmal pro Woche ausschließt, sind öffentliche Trainingseinheiten in Dortmund eher die Ausnahme als die Regel. Auch hier hat der Verein die Jahre des Erfolgs genutzt, um durch Umbauten am Trainingsgelände und neue Regeln schrittweise Fakten zu schaffen.

Identifikationsfiguren

Der BVB hat einen mittelgroßen Umbruch hinter sich - und dabei gingen den Fans einige Identifikationsfiguren verloren: Der langjährige Kapitän Sebastian Kehl beendete die Karriere, Roman Weidenfeller, dienstältester Spieler im Kader, sitzt meist nur noch auf der Ersatzbank. Kevin Großkreutz, selbst einst unter den Fans auf der Südtribüne, wurde recht lieblos in Richtung Istanbul verabschiedet, der nimmermüde Mittelfeld-Renner Jakub Blaszczykowski, absoluter Leistungsträger bei den Erfolgen der jüngeren Vergangenheit, in Richtung Florenz.

Viele der derzeitigen Stammspieler müssen sich einen ähnlichen Status erst noch erarbeiten.

Flüchtlinge und Bild-Zeitung

Am 5. Spieltag wollte die Deutsche Fußball-Liga ein Zeichen gegen Fremdenhass und für Flüchtlinge setzen und entschied gemeinsam mit dem Sponsor Hermes, dafür dessen Fläche auf den Trikotärmeln freizuräumen - für ein Projekt der Bild-Zeitung. Als der FC St. Pauli entschied, dabei nicht mitzutun, wurde er vom Bild-Chefredakteur via Twitter rüde abgekanzelt. Immer mehr Zweitliga-Vereine solidarisierten sich mit den Hamburgern - nicht so Borussia Dortmund, obwohl man erst kurz zuvor ein Testspiel beim Kiezclub unter das Motto "Refugees Welcome" gestellt hatte und obwohl die Anhänger auf der Südtribüne und die Fanabteilung die Zusammenarbeit mit dem Boulevardblatt massiv kritisierten. Den Protest aber tat der Verein in einer Erklärung als Internet-Hype ab.

Neuer Anstrich für eine Einfahrt

In einer ohnehin schon angespannten Atmosphäre sind es oft vermeintliche Kleinigkeiten, die ein großes Echo auslösen. So geschehen, als BVB-Fans entdeckten, dass an der Einfahrt zum Parkplatz Luftbad am Stadion ein Zitat der BVB-Legende Adi Preißler nicht nur übermalt, sondern durch ein Sponsoren-Logo ersetzt worden war.

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Auch hier folgte die öffentliche Entschuldigung prompt, ein Fehler sei auch diese Aktion gewesen. "„Wir haben die Sensibilität der Thematik im Vorfeld der Leverkusen-Partie falsch eingeschätzt", sagte Marketing-Direktor Carsten Cramer. "Das war nicht in Ordnung. Natürlich werden die Worte Adi Preißlers auch in Zukunft zu sehen sein." Über Twitter erklärte der Verein: "Es handelt sich hier nicht um die finale Version. Das Zitat wird weiterhin (gelb auf schwarz) dort stehen inklusive eines viel kleineren Auftritts von Opel weiter unten."

Eine Erklärung, die nicht jeden zufrieden stellte. "Wie genau kann ein derartiger Fehler entstehen?", ätzte der Gastautor auf schwatzgelb.de. "Mit welcher Firma arbeiten Sie zusammen, die einen derart einfachen Auftrag (Wand schwarz anmalen, in gelber Schrift das Zitat „Entscheidend ist auf'm Platz“ und am Rand ein kleines Sponsorenlogo) auf diese Weise falsch verstehen kann? Oder sollte dieses Design genauso dort platziert werden, um einem wichtigen Sponsoren eine weitere Werbefläche als Dank für die gute Zusammenarbeit anbieten zu können?"

Es ist eine schwierige Gratwanderung, die der BVB zu bestreiten hat: Auf der einen Seite steht die Notwendigkeit, immer weitere Erlösquellen zu generieren, um im knallharten Fußball-Geschäft weiter mithalten zu können im Rennen um die vorderen Plätze. Auf der anderen Seite aber steht das Bedürfnis der Fans, dabei mitgenommen zu werden - und dass Fans und Tradition im Zweifel wichtiger sind als Kapital. Genau das stellt ein nicht mehr zu unterschätzender Teil des Anhangs inzwischen lautstark in Frage.