Dortmund. Der Autokonzern VW ist im Fußball omnipräsent. Nicht nur der VfL Wolfsburg profitiert davon. Doch wie viel Volkswagen verträgt der Volkssport Fußball?

Ein Wettbewerb in aller Munde. Nach dem legendären Elfmeterkrimi von München wirft das Pokalfinale von Berlin schon jetzt seinen Schatten voraus. Wenn der BVB Ende Mai im von Volkswagen gesponsorten Vereinspokalfinale auf den VW-Werksverein aus Wolfsburg trifft, wirft das bei Kolumnist Christoff Strukamp erste Fragen auf: Wie viel Volkswagen verträgt eigentlich der Volkssport Fußball? Wenn Wolfsburg zu 100% VW ist und VW sich als Partner des Fußballs sieht, spielen wir dann am Ende ein Finale gegen den Fußball?

Als der FC Bayern München am vergangenen Dienstag denkbar knapp am Einzug in das deutsche Pokalfinale vorbeirutschte, tobte nicht nur der Dortmunder Borsigplatz, sondern sehr wahrscheinlich auch VW-Konzernchef Martin Winterkorn. Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG ist so etwas wie der Pate des deutschen Fußballs. Über 15 Sponsoringdeals unterhält sein Konzern mit deutschen Erst- und Zweitligisten. Seinem Konzern gehört nicht nur der VfL Wolfsburg, er ist am designierten Aufsteiger FC Ingolstadt genau so gesellschaftlich beteiligt, wie eben auch am Branchenprimus Bayern München. Hinzu gönnte man sich beim zweitgrößten Automobilhersteller der Welt vor einigen Jahren einen ganzen Wettbewerb. Jenen DFB-Pokal, in dessen Finale der BVB am 30. Mai auf den VW-Werksverein aus Wolfsburg trifft.

VfL Wolfsburg hat ein Heimspiel in Berlin

Selbst wenn an diesem Abend an die 50.000 schwarzgelben Fans ins Olympiastadion pilgern – ein “Heimspiel” hat an diesem Abend vor allem der Konzern selbst. Für wen das Herz des Investors dann schlagen wird, dürfte selbst im Angesicht des Sponsorings der VW-Tochter MAN in Dortmund nicht schwer zu erraten sein.

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Zwar sieht sich der Automobilhersteller selbst weniger als Geldgeber oder Investor, mehr als “Partner des Fußballs”, wie er uns durch seine unzähligen TV-Spots und Anzeigenkampagnen glaubhaft versichern möchte. In Wirklichkeit dürfte die Partnerschaft, die der deutsche Fußball mit VW eingegangen ist, jedoch in etwa so romantisch sein, wie eine Nacht auf der Dortmunder Linienstrasse in den Neunziger Jahren.

Gerade jetzt. Gerade vor diesem Pokalfinale, auf das wir Fans uns alle so sehr freuen, muss die Frage gestellt werden: Wie viel Volkswagen verträgt eigentlich der Volkssport Fußball? Im Angesicht des immensen und fast unvorstellbaren Aufwands im dreistelligen Millionenbereich, den VW jährlich betreibt, ist es keine wilde Verschwörungstheorie mehr, wenn man festhält, dass unser Sport offensichtlich instrumentalisiert wird.

Fußball ist abhängig von VW

Fußball ist für VW zur zentralen Vermarktungsstrategie geworden, vielleicht gar zur Machtdemonstration. Dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL) erst vor kurzem die gesellschaftliche Beteiligungen eines Konzerns an den Bundesligavereinen auf drei beschränkte, zeigt, in welche Abhängigkeit sich der Fußball manövriert hat.

Auch wenn es niemand auszusprechen vermag: Die DFL hat einem Fußballkartell zugestimmt, von dem niemand auch nur im Entferntesten eine Vorstellung hat oder eben haben möchte, ob und wie es funktioniert. Schon vor zwei Jahren wurde der VW-Konzern, der über mehr als zehn werberelevante Eigenmarken verfügt, öffentlich der Korruption beschuldigt. Damals hatten VW-Manager mehrfach Zulieferer von Volkswagen zu einem Sponsoring beim VfL Wolfsburg genötigt. Am Ende zahlte man ein Bußgeld von kolportierten zwei Millionen Euro.

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Verglichen mit den fast 95 Millionen, die der VfL durch die Nabelschnur direkt vom Lieferband des Golfs und Passats jährlich erhält, ein lächerlicher Kleckerbetrag. Bei der DFL hat dieser Fall niemanden auf den Plan gerufen. Genau so wenig, wie die Tatsache, dass Dr. Martin Winterkorn im Aufsichtsrat des Deutschen Meisters Bayern München sitzt und gleichzeitig als Konzernchef das Tagesgeschäft des Vizemeisters VfL Wolfsburg diktieren könnte. Der Mann führt die - mit Verlaub - offensichtlichste Dreiecksbeziehung Deutschlands. In einem Land, das sich gegenüber der britischen und spanischen Liga aber stets mit seinem ach so unabhängigen, autarken und vorbildhaften 50+1-System rühmt, scheint das niemanden wirklich zu interessieren.

Doch zurück zum Pokalfinale. Was bedeutet das alles für uns und das große Saisonhighlight einer mehr als durchwachsenen Saison? Wahrscheinlich nicht viel. Wahrscheinlich, vielleicht, hoffentlich läuft dieses Finale sportlich genau so ab, wie wir es uns wünschen. Klopp wird mit dem Pokal gen Marathontor laufen und niemand wird in diesem Moment an Herrn Winterkorn oder den Einfluss potenter Geldgeber im Fußball denken. Das ist dem BVB zu wünschen. Unabhängig vom Ergebnis ist aber vor allem unserem Sport zu wünschen, dass er aufhört, mit seiner Integrität, seiner Glaubwürdigkeit und seiner ganzen Authenzität Russisch-Roulette zu spielen.

(03.05.15 – Christoff Strukamp – www.gibmich-diekirsche.de)