Dortmund. . Für Borussia Dortmund wäre es fatal, sich nur einen Klopp 2.0 zu suchen. Im Kader sind Veränderungen genauso unumgänglich wie auf der Trainerbank.

Wer sich die Sorge gemacht hat, nach diesem 15. April 2015 könne am Fußballstandort Dortmund nichts mehr so sein wie vorher, der sei beruhigt: Der Ballspielverein Borussia 09 nimmt weiter am Spielbetrieb der Bundesliga teil. Darauf deutet jedenfalls alles, zumal Jürgen Klopp am Nachmittag nach der Ankündigung seines baldigen Abschieds und auch am Donnerstag Übungseinheiten mit der Mannschaft leitete. Übrigens nur in verhalten gedrückter Atmosphäre, es habe zwar „niemand applaudiert nach dem Motto: Endlich ist er weg“, berichtete der baldige Ex-Coach, während des Trainings zu lachen habe er aber auch nicht bis zum letzten Spieltag verboten.

Wie Borussia Dortmunds Spieler diese rasante Entwicklung der Trainerpersonalie aufgenommen haben, war am Tag danach die einzige Neuigkeit in dieser Causa. Zwei Tage vor dem Bundesligaspiel gegen den SC Paderborn wollte der Coach einzig Fragen zum nächsten Gegner beantworten. Das ist aus seiner Sicht verständlich, andersherum: Mit welchen Informationswünschen sollte man Jürgen Klopp jetzt auch noch konfrontieren, da seine Entscheidungsgewalt eh Ende Mai ausläuft? In die Verhandlungen mit einem Nachfolger können Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc den 47-Jährigen gar nicht involvieren. Dass die Borussia laut Klopp gerade nur „ein wenig durchgerüttelt“ werde, klingt dabei dezent untertrieben.

Warten auf Gündogan und Hummels

Kaum jemand bezweifelt derzeit, dass Thomas Tuchel den Trainerstuhl künftig besetzen wird. Es wäre der erste Schritt im Umbruchprozess, der nun vielleicht gar nicht so drastisch ausfallen wird. Mit seinem Abgang könnten viele andere Dinge gleich bleiben, hatte Klopp schlussgefolgert. Bezogen auf den Kader hat diese Einschätzung nur bedingt Gültigkeit. Wer Trainer wird, muss eine neue Spielphilosophie mit zumindest einigen frischen Hauptdarstellern begründen, um nicht ständig mit dem Vorgänger verglichen zu werden.

Wie ausgiebig diese Personalumwälzung ausfallen wird, ist nicht absehbar. Für Ciro Immobile und Adrian Ramos wird der BVB nicht überbordend viel verlangen, Henrikh Mkhitaryan könnte eine zweite Chance erhalten. Ungewiss ist, ob Ilkay Gündogan und Mats Hummels bleiben. Hat sich der Kapitän mit den im Kicker lancierten Abwanderungsgedanken ins Ausland einen konkreten Fahrplan der Borussia erhofft, bekommt er gerade vom Verein die Antwort präsentiert. Hummels begleitet den Neuanfang wohl eher als der zögernde Gündogan. Für den Nationalspieler gibt’s nur noch in diesem Sommer Geld, der ablösefreie Sami Khedira oder der von Tuchel in Mainz ausgebildete Johannes Geis wären Alternativen im Mittelfeld.

Der Name Klopp hat mehr Anziehungskraft als der Name Tuchel

Bei allen Gedankenspielen muss berücksichtigt werden: Abgesehen von Transfererlösen kann der BVB statt Königsklassen-Millionen höchstens Europa-League-Milliönchen investieren – und das nicht als Teil der europäischen Elite.

Für ausländische Spieler hätte der Name Klopp unter der Bedingung, mit den ganz großen Vereinen nicht mitbieten zu können, mehr Anziehungskraft als der Name Tuchel, der jedoch im Inland trotz überschaubarer Referenzen (Deutscher A-Jugendmeister und fünf Jahre Bundesligacoach mit dem FSV Mainz 05) einen ausgezeichneten Leumund genießt. Da Bayern München und der VfL Wolfsburg mit diesen Mitteln aus den Augen verloren gehen, muss Borussia wieder auf den Transferinstinkt setzen wie bei Lewandowski, Blaszczykowski und Piszczek.

Kein vollends bestelltes Feld für den Neuen

Die Zäsur muss auch an anderer Stelle ansetzen. Klopp hat seit 2008 enorm dazu beigetragen, dass der BVB zumindest vorübergehend eine europaweit beachtete Marke geworden ist. Die Startvoraussetzungen des neuen Mannes wären nicht mehr so stark von den Auswirkungen des Beinahe-Bankrotts geprägt wie bei Klopp, ein vollends bestelltes Feld fände er aber nicht vor.

Heuert Tuchel im Ruhrgebiet an, ist die Frage: Kann auch er mit Watzke und Zorc noch mal wie vor sieben Jahren Klopp eine derartige Symbiose eingehen? Die Gefahr ist groß, dass bei dem 41-Jährigen im Verein wie auch in der Fankurve Parallelen zum Vorgänger gezogen werden. Weil zwingend eine neue Identität her muss, braucht der BVB keinen Klopp 2.0, sondern einen Tuchel 1.0. Möglichst von Beginn an ohne Fehlerquellen.