Platz 16 - das Gelsenkirchen der Bundesliga-Tabelle
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Dortmund. Fast hätte Kolumnist Christoff Strukamp vergessen, wie sich Siege anfühlen. Doch so richtig gut fühlt sich der Relegationsrang 16 auch nicht an.
Im Winter-Trainingslager des BVB in La Manga hat ein gewiefter Journalist Jürgen Klopp mit der Frage konfrontiert, ob man das Gefühl gehabt hätte, das “siegen” verlernt zu haben? Was für ein Blödsinn, befand ich damals – und Klopp glaube ich auch – aber wenn ich ehrlich bin, ich habe verlernt, wie wunderbar sich so ein Wochenende mit und nach einem Dortmunder Bundesligasieg anfühlen kann.
Wurde meine Sonntagszeitung in den Vorwochen noch umgehend aus dem Briefkasten hinaus dem natürlichen Recycling-Kreislauf zurückgeführt, so lockte sie nach dem 3:0 Erfolg in Freiburg immerhin mal wieder mit guten Gründen, sich nicht gleich wieder die Bettdecke über den Kopf zu ziehen. Auch wenn mich Platz 16 immer an einen Ort erinnert, an dem man sich nicht gerne aufhält. Das Gelsenkirchen der Tabelle sozusagen. Es ist zumindest nicht mehr der tiefe Abgrund, in den der BVB am Mittwoch Abend nach dem desaströsen 0:1 daheim gegen Augsburg noch blickte.
Abstiegskampf war wirklich greifbar
Überhaupt hatte die Niederlage gegen die bayrischen Schwaben so ihre ganz eigene Wirkung auf Fans und Spieler. Noch immer glaube ich, dass die Stimmung nach dem Spiel deswegen kippte, weil die Bedrohung des Abstiegskampfes am Mittwoch erstmals wirklich greifbar war. In dem Moment, als Ciro Immobile das Leder eben nicht im Tor versenkte, ist vielen wohl erstmals vor Augen geführt worden, dass diese Saison eine der vielleicht schwierigsten in der Geschichte von Borussia Dortmund werden könnte. Im Spätherbst 2014, als man nach dem Spiel in Frankfurt schon einmal auf dem letzten Tabellenplatz übernachtete, ließ sich die Tabellensituation noch charmant weglächeln.
Es war diese sympathische Unvernunft, die Dich als Fußball-Fan manchmal umgibt und den Blick auf die Realität zu versperren weiß. Am Mittwoch aber hätte es nicht viel gebraucht und aus sympathischer Unvernunft wäre hysterische Gewissheit geworden. Nachdem sich die Mannschaft in einem 30-minütigen Überzahlspiel gerade einmal eine echte Großchance erkämpfte, war der BVB endgültig im Abstiegskampf angekommen. Weit weg vom eigenen Anspruch, gefangen in einer Spirale, die sich munter nach unten drehte. Und an deren Ende Auswärtsspiele in Sandhausen und Heidenheim stehen.
Stimmungsumschwung auf den Rängen
Auf den Rängen sorgte dies, verständlicherweise, für einen recht deutlichen Stimmungsumschwung. Noch weit weg von dem, was uns manche Medien als “Fanwut” verkaufen wollten, aber ebenso weit weg vom Kuschelkurs der Hinrunde. Entsetzen und Angst beherrschten die Szenerie und aus ihr resultierten die Pfiffe gegen die eigene Mannschaft.
BVB gewinnt in Freiburg
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“Wenn man nach dem 19. Spieltag dort steht, wäre es eine Frechheit, kein Verständnis für die Reaktion der Fans zu haben”, erklärte Mats Hummels später nachsichtig. Das mag man nun als nette Geste oder aber als Einblick in eine ähnliche Gefühlswelt zu verstehen göauben. Umso bemerkenswerter war am Ende die Reaktion der gesamten Mannschaft am Samstag in Freiburg. Keine drei Tage nach dem “Tiefpunkt von Augsburg” zeigte sich das Klopp-Team sowohl spielerisch, als auch kämpferisch runderneuert und belohnte sich mit dem 3:0-Sieg für eine der besten Saisonleistungen.
Vertragen wir uns wieder?
Im Nachgang bedarf es vielleicht ein wenig Fantasie, um eine direkte Verbindung zwischen den Zuständen von Mittwoch und der deutlichen Leistungssteigerung von Samstag zu sehen. Dass die Pfiffe unter der Woche aber durchaus noch nachwirkten, zeigte sich unmittelbar nach Abpfiff, als Mats Hummels teilweise fernab der Kameras – ähnlich wie schon gegen Augsburg – auf den Zaun zu den Fans sprang. Nicht um zu diskutieren oder sich und die Mannschaft für den Erfolg im Schwarzwald gar feiern zu lassen. Der Abwehrchef wollte es mehr eher als Geste zu verstehen wissen, dass man sich jetzt durchaus wieder vertragen dürfte. Weil Fans und Mannschaft in den zurückliegenden Tagen scheinbar endlich verstanden hatten, wo wir wirklich stehen. Und Einsicht ist meistens der erste Schritt zur Besserung.
Vielleicht blicken wir am Saisonende zurück nach Freiburg und halten fest, dass dort nicht nur die mitgereisten BVB-Fans das Vertrauen in ihre Mannschaft zurückgewannen, sondern auch die Spieler in sich selber. Jetzt, wo wir alle wieder gelernt haben, wie schön sich so ein Wochenende nach einem Sieg von Borussia Dortmund anfühlen kann, darf sich das gerne öfter wiederholen.
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