Berlin. Egal ob Ukraine-Krise, Korruptionsvorwürfe oder gar eine mögliche IS-Finanzierung durch Katar: Ungeachtet der sich beträchtlich anhäufenden Negativ-Schlagzeilen lassen die Fußballbosse keine Zweifel an der Gastgeberrolle von Russland und Katar für die WM 2018 und 2022 aufkommen.

Nach FIFA-Chef Sepp Blatter lehnt auch sein sonstiger Gegenspieler, UEFA-Präsident Michel Platini, eine Drohkulisse mit Boykott oder Neuvergabe ab und will an der umstrittenen Vergabe der beiden Turniere nicht rütteln.

"Die Lufthansa fliegt jeden Tag nach Russland, Deutschland hat ein Konsulat in Katar. Aber der Sport soll die Länder boykottieren? Das ist doch albern. Es kann doch nicht sein, dass der Sport oder der Fußball immer Probleme lösen sollen, die die große Politik nicht lösen kann", sagte Platini der "Bild am Sonntag". Ähnlich äußerte sich der Franzose auch in der "Welt am Sonntag": "Ich habe mit Katar und Russland Länder ausgesucht, die noch nie in den Genuss einer WM-Austragung gekommen sind. Im Blick auf die Entwicklung des Fußballs war das die richtige Entscheidung."

Damit herrscht unter den zerstrittenen Fußball-Funktionären Platini und Blatter ausgerechnet bei den hochbrisanten Themen seltsame Einigkeit. FIFA-Chef Blatter hatte unter der Woche bereits eine Neuvergabe der Turniere oder zumindest einen Boykott kategorisch ausgeschlossen, womit er die Überlegungen der Europäischen Union konterkariert. Die EU soll vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise einen Boykott der Fußball-WM 2018 als neue Sanktion gegen Russland in Erwägung ziehen, wenn auch nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Überlegungen, die auf höchster Ebene im Sport nicht gut ankommen. Ein Boykott habe auch 1980 bei den Olympischen Spielen nichts gebracht, lautet die Standard-Antwort - auch von IOC-Präsident Thomas Bach.

Dass politische Konflikte aber sehr wohl Einfluss auf den Sport haben, zeigt das Beispiel Ukraine. So hat die UEFA eine Beschwerde des ukrainischen Fußball-Verbandes auf dem Tisch liegen, dass nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März die dortigen Teams Sewastopol und Simferopol in die dritte russische Liga eingegliedert worden sind. Der Verband hatte den Wechsel der Clubs abgelehnt, da die Ukraine die Krim als eigenes Territorium ansieht.

Auch die Formel-1-Teams beschäftigen sich derzeit nicht mit einem Russland-Boykott. Mit Blick auf den Grand Prix am 12. Oktober in der Olympia-Stadt Sotschi verwiesen führende Teamvertreter in Monza auf die Zuständigkeit des Internationalen Automobil-Verbandes FIA. "Wir haben bislang noch keine offizielle Meinung oder Leitlinie der FIA bekommen, und ich denke, wir sollten darauf warten, was sie sagt. Dies ist die Aufgabe der FIA", erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Im Fall Katar ist die Sachlage nicht weniger brisant. Zuletzt waren gar Vorwürfe aufgekommen, das Emirat leiste finanzielle Unterstützung für die gefürchtete Terrormiliz Islamischer Staat (IS), was von Katars Außenminister zurückgewiesen worden war. Trotz aller Geschehnisse sei er "komplett glücklich" damit, dass er dem Golfstaat seine Stimme gegeben habe, betonte Platini. Niemand habe ihn gebeten, dies zu tun. "Das war meine Entscheidung." Der Chef der Europäischen Fußball-Union war in die Kritik geraten, nachdem bekanntgeworden war, dass er sich vor der Abstimmung im Dezember 2010 zu einem Essen im Élysee-Palast mit dem damaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und dem Emir von Katar getroffen hatte. Zudem hat sein Sohn Laurent einen Management-Job im Emirat angetreten.

Einhergehend hatte es schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegen eine Reihe von FIFA-Exekutivmitgliedern gegeben. Das müsse erst noch bewiesen werden, sagte Platini und ergänzte mit Blick auf die Menschenrechtslage, dass sie ohne WM nicht besser sei. "Katar steht jetzt im Fokus, jeder weiß von den Problemen, die es gibt. Auf die Kataris wird internationaler Druck ausgeübt, und den Menschen wird jetzt geholfen." Er habe das Gefühl, dass sich die Dinge in Katar verbessern. Man müsse berücksichtigen, dass es eine andere Kultur sei.

Ansonsten geht Platini weiter auf Konfrontationskurs zu Blatter. "Die FIFA hat einen furchtbaren Ruf, der von Blatter sogar noch gefördert wird. Der Fußball leidet darunter", sagte Platini. Sein Rückzug als Präsidentschaftskandidat habe aber nichts mit Blatter zu tun gehabt. Er habe sich lediglich für die UEFA entschieden.