München. Für den FC Bayern geht es heute um 20.45 Uhr erneut um den Einzug in das Endspiel der Champions League. Im Halbfinal-Rückspiel gegen Real Madrid benötigt der Triple-Sieger des Vorjahres nach der 0:1-Niederlage vor einer Woche allerdings eine deutliche Leistungssteigerung.

Ein Unentschieden und selbst ein 2:1-Sieg würden wegen der Auswärtstore-Regelung im Europapokal nicht zum Weiterkommen reichen. Bei wenigen Treffern im gesamten Spiel ist sogar ein Bayern-Sieg mit mindestens zwei Toren Unterschied nötig.

In jedes Land der Welt - bis auf Nordkorea - sollen nach Angaben der Bayern Fernsehbilder flimmern. Setzen sich die Münchner durch, dürfte der sich der deutsche Fußball-Meister und DFB-Pokalfinalist über seine dritte Königsklassen-Finalteilnahme in Serie nach 2012 und 2013 freuen. Das diesjährige Endspiel steht am 24. Mai in Lissabon an.

Karl-Heinz Rummenigge hat Real Madrid die "Hölle" in München versprochen, auch Pep Guardiola und seine Spieler setzen bei der Aufholjagd im eigenen Stadion voll auf den Heimvorteil.

"Wir, der Trainer und die Spieler, können es nicht alleine machen. Die Fans wollen auch das Finale schaffen", warb Guardiola mit Blick auf das schwierigste Spiel seiner Amtszeit beim Champions-League-Sieger um totale Unterstützung. Mit 68 000 frenetischen Zuschauern im Rücken möchte der Titelverteidiger das Traumziel Lissabon trotz der 0:1-Hypothek doch noch buchen. "Real weiß, dass es noch nicht vorbei ist. Wir werden alles reinlegen, um ins Finale zu kommen", verkündete Arjen Robben kämpferisch.

Die bislang erfolgreiche Deutschland-Tour von Weltfußballer Cristiano Ronaldo und Co. über Schalke (Achtelfinale) und Dortmund, wo Real im Viertelfinale bei einer 0:2-Niederlage ganz dicht vor dem K.o. stand, soll in München ein weiteres Mal enden. Es wäre Reals drittes Halbfinal-Aus nacheinander.

Schon das verbale Vorspiel beschrieb die Brisanz einer Partie, über die 880 Medienvertreter berichten werden. Passend zu dem Spektakel dozierte der Kosmopolit Guardiola im Pressesaal gleich in vier Sprachen - deutsch, spanisch, englisch und italienisch - über das bayerisch-königliche Gigantenduell.

Der 43-Jährige verhehlte nicht, dass er trotz der fürchterlichen Deutschland-Bilanz von Real, das in München noch nie gewinnen konnte und gleich neun von zehn Partien verlor, rund um die Uhr nach dem passenden Final-Schlüssel fahndet. "Ich muss noch eine Nacht darüber schlafen, was ich verändern werde", kündigte der Tüftler an. Viele Gespräche wollte er darum noch führen, die Mannschaft ließ er ausnahmsweise in der Nacht vor einem Heimspiel wieder mal in ein Hotel einrücken - zum Sinne schärfen.

Guardiola weiß, dass sich etwas ändern muss im Vergleich zum ertraglosen Münchner Dominanz-Auftritt in Madrid. "Wir müssen effektiver spielen", sagte der Katalane. Vom Ballbesitz-Fußball will er aber auch beim Finale vor dem Finale nicht abrücken. Es gehe um die Balance, die er finden müsse, jene zwischen Mut zum Risiko und der Furcht vor Reals Konterstärke mit den Turbo-Stürmern Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und auch Hinspiel-Torschütze Karim Benzema. "Sie haben viele Spieler, die uns wehtun können. Wir müssen versuchen, sie von unserem Tor fernzuhalten", betonte Guardiola.

Alles schwankt zwischen Mut und Vorsicht. "Mehr Aggressivität im Strafraum", fordert Guardiola. Das könnte für die Hereinnahme des unberechenbaren Thomas Müller in der Offensive sprechen, in der die Flügelzange Ribéry/Robben zünden muss. "Es ist einfach: Wir müssen nach vorne spielen und Tore schießen", verkündete Robben.

Real dürfte wieder auf die defensive Überfall-Taktik der ersten 90 Minuten vertrauen. Ein Sieg muss gar nicht das Ziel der Madrilenen sein. "Ich bin überzeugt, dass sie auf das Auswärtstor spielen werden", sagte Guardiola voraus. Ein Real-Tor - und die seit Wochen hinten instabilen Bayern müssten selbst schon drei erzielen, um ins Endspiel gegen den FC Chelsea oder Atletico Madrid zu stürmen. "Wir wissen, dass wir Geschichte schreiben können", sagte Robben.

Auch Guardiola mochte die Bedeutung der Partie nicht kleinreden. Aber der Katalane warnte auch vor überzogenen Erwartungen, die nach dem Titel-Triple 2013 in München herrschen. "Wir müssen zufrieden sein mit jedem kleinen Erfolg, sonst haben wir ein Problem", sagte er. Eine gute Saison entscheidet sich für ihn nicht in 90 oder 120 Minuten gegen Real Madrid - oder womöglich sogar einem nervenaufreibenden Elfmeterschießen.

Nicht abwarten, Initiative ergreifen, empfiehlt Philipp Lahm: "Wir müssen von Anfang Gas geben, mit Leidenschaft und Herz spielen." Der Kapitän könnte wieder nach rechts rücken, um Ronaldo erfolgreich zu bekämpfen und das Münchner Flügelspiel zu stärken. Mit Mandzukic und Müller könnte Guardiola doppelten Druck auf Reals Innenverteidiger ausüben, dazu mit Javi Martínez mehr Wucht und ein kämpferisches Element ins Mittelfeld hineinbringen. Denn am Ende "hängt alles von den Spielern ab", wie der Coach betonte.

Franck Ribéry zum Beispiel. Europas Fußballer des Jahres 2013 gelang bei der 5:2-Generalprobe gegen Bremen auch als Torschütze ein erster Schritt aus seiner Schaffenskrise. Guardiola gefiel, wie der Franzose "sauer" auf sich und die Welt auftrat. "Ich freue mich, wenn er mit dieser Energie und Aggressivität spielt."

Starke Einzelspieler allein werden nicht genug sein, bemerkte Guardiola jedoch, der erstmals in einem Spiel mit dem FC Bayern mit dem Rücken zur Wand steht. Einem Rückstand liefen die Pep-Bayern noch nie nach. "Wir brauchen die bestmögliche Leistung, um das Finale zu erreichen", sagte der Mann, dem Bayern-Chef Rummenigge am Montag erneut Genialität bescheinigte und volles Vertrauen auf der finalen Final-Etappe aussprach: "Pep wird den Schlüssel finden."