Doha/Katar. Hassan Al-Thawadi ist der Krisenmanager des katarischen WM-Organisationskomitees. Der Generalsekretär räumt Probleme mit Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter ein, auf Beurteilungen aus der Ferne reagiert er abweisend. Deshalb lädt er DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nach Katar ein.

Katar hat teils inakzeptable Zustände für die Gastarbeiter auf seinen WM-Baustellen eingeräumt - aus der Ferne will sich das Emirat aber nicht be- und verurteilen lassen. Hassan Al-Thawadi, Generalsekretär des Organisationskomitees und daher so etwas wie der Krisenmanager der Fußball-WM 2022, kündigt nicht nur zügige Verbesserungen an. Er lädt auch den DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach ein, sich vor Ort selbst ein Bild der Lage zu machen.

"Ich habe sehr großen Respekt vor Herrn Niersbach", sagte Al-Thawadi im SID-Exklusiv-Interview in Doha, "man muss allerdings Fakten von Fiktion trennen. Ich lade ihn ein, nach Katar zu kommen, mit uns zu sprechen und zu verstehen, was hier passiert." Generell hat der 35-Jährige für Einmischung und Ratschläge wenig Verständnis: Es gehe ja um Themen, "die zuerst uns am Herzen liegen sollten - und nicht anderen".

Medienberichten zufolge sterben in Katar jeden Monat Dutzende Gastarbeiter, die das Emirat zu Hunderttausenden vor allem aus Nepal und Indien ins Land holt, an Folgen unmenschlicher Bedingungen - wie brutaler Hitze und mangelndem Zugang zu Gratis-Wasser. Wer durch das Land fährt, sieht, welch' gigantische Bauten auf Geröllwüsten aus dem Boden gestampft werden

Jeder Tote sei "inakzeptabel"

Selbstverständlich, versicherte Al-Thawadi, sei "jeder Tote, jeder einzelne Tote jenseits der Zahl Null inakzeptabel". Doch er wolle Niersbach zeigen, 'welche Maßnahmen wir umgesetzt haben, mit welchem Engagement wir dieses Thema angehen. Ich würde ihm erklären, warum es Zustände gibt, die sicherlich niemand akzeptieren kann. Wir arbeiten sehr hart, und die Regierung will diese Probleme so schnell wie möglich lösen'.

Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine schon im März verabschiedete Arbeiter-Charta, die die 'Sicherheit, Würde und Gesundheit eines jeden, der an der WM mitarbeitet', sichere. Zudem überraschte er mit der Aussage, das Kafala-System, das ausländische Arbeiter teils in sklavenähnliche Verhältnisse treibt, stehe vor der Modifizierung.

"Derzeit wird das System auf den Prüfstand gestellt, es wird von den Ministerien überprüft, um zu schauen, wie man es der Entwicklung des Landes anpassen kann", sagte Al-Thawadi. Er wolle allerdings dem Gesetzgeber nicht vorgreifen. Jede Veränderung müsse nachhaltig sein und das System verbessern.

Gastarbeiter sind ihrem Bürgen, meist dem Arbeitgeber, der bei der Einreise gleich den Pass einzieht, derzeit ausgeliefert.

In der Diskussion über den WM-Termin sieht Katar den Ball beim Weltverband FIFA. "Um diese Frage muss sich hauptsächlich die FIFA kümmern. Präsident Joseph S. Blatter hat seine Vorliebe für diesen Zeitraum (November/Dezember 2022, d.Red.) erklärt. Es gibt eine Diskussion im Exekutivkomitee über den Termin, und wir warten gespannt auf eine Entscheidung", sagte Hassan Al-Thawadi.

Blick nach Deutschland und ganz viel Pathos

Die FIFA habe auch den ersten Schritt getan. "Sie berät. Ende dieses Jahres wird sie ein Ergebnis präsentieren. Wir haben noch Zeit. Lasst uns das Gewehr nicht zu früh abfeuern!", sagte Al-Thawadi, der in Sheffield Rechtswissenschaften studiert hat. Sein Land sei weiter auch für eine Austragung im Sommer gerüstet.

Angesichts der Kritik, die auf Katar einprasselt, erhofft sich Al-Thawadi in neun Jahren einen historischen, einigenden Moment. Er greift sogar auf einen Vergleich mit Deutschland zurück.

"Wenn eine Nation die Kraft des Fußballs versteht, wenn eine Nation gespürt hat, wie eine WM ein Land verändern kann, dann ist es Deutschland. 1954 Weltmeister zu werden, hat Deutschland geholfen, aus einer sehr schwierigen Zeit herauszukommen", sagte er: "Die WM 2006 hat dann West- und Ostdeutschland wirklich zusammengeführt." Durch die WM habe die Welt einen anderen Blick auf Deutschland bekommen, "auf eine sehr warme, freundliche Gesellschaft, sie hat das Land gezeigt, wie es ist: Eine Nation, die Leistung abliefert - mit einem Lächeln".

Ähnliches wolle Katar nun auch erleben, denn, sagte Al-Thawadi pathetisch, "am Ende sind wir eine Familie: Was uns zusammenbringt, ist die Liebe zum Fußball, zum Sport. Wir sind eine Mannschaft, eine Menschheit, eine Welt."

Noch sind es neun Jahre bis zur WM. Die Zeit läuft. (sid)