Köln/München. . Der frühere Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger beendet im Alter von nur 31 Jahren seine Karriere. Der ehemalige England-Legionär hat bewusst einen stillen Abschied aus dem Profizirkus gewählt.
Thomas Hitzlsperger hat die Traumfabrik Profifußball durch die Hintertür verlassen und sich mit kritischen Worten aus diesem bizarren Geschäft verabschiedet. „Wirtschaftlich überdreht ist die Branche schon seit Langem, und diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Welche konkrete Rolle der Fußball im Alltag dieser Republik spielt, ist eigentlich nicht mehr normal“, sagte der 52-malige Nationalspieler im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Er beobachte diese Entwicklungen aufmerksam und stelle sich die Frage, „ob irgendwann mal die Ernüchterung eintritt und ans Tageslicht kommt, was sich hinter diesem Boom alles abgespielt hat“, so Hitzlsperger weiter. Was er damit genau meint, lässt „Hitz the Hammer“, wie er wegen seiner gewaltigen Schusskraft in der englischen Premier League getauft wurde, offen.
„Ich spiele auf nichts Konkretes an, aber natürlich darf man bei all diesen Themen nicht blauäugig sein. Wettbetrug gab“s ja hierzulande auch schon.“ Auch zur aktuellen Dopingdiskussion bezieht Hitzlsperger Stellung: „Ich habe in der Kabine nie etwas erlebt, bei dem ich gedacht hätte: Könnte das jetzt Doping sein? Aber klar ist, dass es eine Grauzone gibt, beim Einsatz von Schmerzmitteln etwa. Aber so etwas Flächendeckendes, wie man das aus dem Radsport hört, habe ich persönlich nie mitbekommen, das kenne ich nicht.“
Dass das Geschäft völlig überhitzt ist, steht für den gebürtigen Münchner aber außer Frage, wie man dieser Tage auch wieder bei der Nationalmannschaft vor ihrem WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich feststellen könne. „Bei der Nationalmannschaft gibt es jeden Tag eine Pressekonferenz, und da stelle ich mir schon die Frage: Was kann man jeden Tag sagen, was von allgemeiner Bedeutung ist?“
Außerdem seien so viele Fallen dabei: „Als Spieler kann man da fast mehr falsch als richtig machen. Ich erinnere mich, dass ich vor ein paar Jahren mal gesagt habe, dass ich in der Nationalelf gerne noch mehr spielen würde. Sofort hieß es: Hitzlsperger greift Ballack an! Hätte ich was anderes gesagt, hätte es geheißen: Der ist zufrieden auf der Bank! Die Folge ist: Viele Äußerungen sind weich gespült - aus reinem Eigenschutz.“
Generell ist Hitzlsperger der Meinung, dass sich viele seiner ehemaligen Berufskollegen viel zu wichtig nehmen. „Ich finde es sympathisch, wenn Spieler einfach so gehen, ohne Abschiedsspiel oder großes Brimborium. Das ist ja auch ein Statement: Hey, wir sind gar nicht so wichtig! Es gibt im Fußball genügend Menschen, die selbst ihr größter Fan sind, und man kann da ruhig mal deutlich machen: Ich bin kein überzeugter Selbstbewunderer“, sagte der ehemalige Mittelfeldspieler, der 2007 mit dem VfB Stuttgart deutscher Meister geworden war und ein Jahr später Vize-Europameister mit dem DFB-Team.
Gelernt, die Dinge in das richtige Licht zu setzen
Während seiner eigenen Karriere, mit der er trotz einiger Rückschläge zufrieden ist, habe er gelernt, die Dinge in das richtige Licht zu setzen, nicht zuletzt nach dem Suizid von Robert Enke 2009.
Auch interessant
„Der Blick auf die Branche ist das eine. Es gibt aber auch den Blick des Fußballers auf seinen Beruf. Er muss immer noch funktionieren und er muss sich fragen lassen, wenn er vielleicht mal nicht so funktioniert wie erwartet. Aber immerhin gibt es jetzt ein offeneres Klima. Uli Borowka hat über sein Schicksal gesprochen und geschrieben, auch Ralf Rangnick konnte sich eine neue Perspektive eröffnen“, sagt er über die positiven Veränderungen nach Enkes Tod. Es sei „andererseits aber auch schwerer geworden, so etwas unter der Decke zu halten. Die Anzahl der Hilfsangebote im Fußball ist zwar gestiegen, aber der mediale Voyeurismus eben auch. Das macht es für Betroffene nicht einfacher“. (sid)