Madrid/London. . Weil er sich bei Real Madrid plötzlich doch an den Rand gedrängt fühlte, wechselt der deutsche Nationalspieler für 50 Millionen Euro Ablöse zum FC Arsenal. Sein Treueschwur aus der vergangenen Woche ist ein Fall für den Papierkorb.

Glückauf, der Schweiger kommt. Mesut Özil hat nie viel geredet, ausdrucksstark gab er sich schon in der Kindheit nur, wenn er einen Ball am Fuß hatte. An der Olgastraße im Gelsenkirchener Stadtteil Bulmke-Hüllen probierte der Junge die Tricks seines großen Idols Zinedine Zidan aus. Auf einem engen Bolzplatz, in einem so genannten Affenkäfig, in dem man den Gegnern nur dann entkommen kann, wenn man sie ins Leere laufen lässt. Mesut, der Hochbegabte, bescherte ihnen Schwindelanfälle, doch dass er eines Tages wie Zidane bei Real Madrid spielen würde, das hätte damals noch niemand zu prophezeien gewagt.

Seit Sommer 2010 steuerte der gebürtige Gelsenkirchener das Offensivspiel der Königlichen, der privat eher scheue deutsche Nationalspieler war der kongeniale Partner des Exzentrikers Cristiano Ronaldo. Am Montag aber endete Özils realisierter Traum – und zwar ziemlich abrupt: Real schloss den Transfer des Jahres ab und holte den Waliser Gareth Bale von Tottenham Hotspur, und der gebürtige Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln entschloss sich zur Flucht.

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Aus Spanien und England kamen übereinstimmende Nachrichten, dass der 24-Jährige ab sofort für den FC Arsenal spielen wird. Die Klubs sollen sich auf eine Ablöse in Höhe von 50 Millionen Euro geeinigt haben. Das Jahresgehalt soll sich bei sieben Millionen Euro einpendeln, der Vertrag über fünf Jahre laufen. Wertvoller mögen deutsche Fußballer schon gewesen sein, teurer war noch keiner.

Treueschwur für den Papierkorb

Ein Wechsel, der wieder einmal belegt, dass Karriere-Pläne von Fußballprofis oft kaum die Lebenszeit einer Eintagsfliege überdauern. Erst in der vergangenen Woche wurde Mesut Özil gefragt, ob er bei Real Madrid bleibe, und seine Antwort war unmissverständlich: „Auf jeden Fall. Das ist sicher.“ Er betonte, er habe einen Vertrag bis 2016, er werde sich auch in dieser Saison bei Real durchsetzen. Konkurrenz fürchte er nicht, die sei bei einem solchen Klub doch ohnehin immer vorhanden. Er fühle sich sehr wohl, er spüre auch das Vertrauen des neuen Trainers Carlo Ancelotti, blablabla. Ein Treueschwur für den Papierkorb.

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Am Sonntag schmorte Özil beim 3:1 von Real gegen Athletic Bilbao 90 Minuten lang auf der Bank, der für 30 Millionen Euro vom FC Malaga geholte spanische Jungstar Isco bekam den Vorzug und stahl ihm mit zwei Treffern die Schau. Und als dann am Montag Bale in Madrid begeistert empfangen wurde, ließ sich Özil bereits in München von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem Arzt der deutschen Nationalmannschaft und des FC Bayern, ausgiebig untersuchen. Der Medizincheck für den neuen Klub, das vorgeschriebene Vorspiel vor der Vertragsunterzeichnung.

Essen und Schalke kassieren mit

Deshalb fehlte Özil noch, als sich am Mittag die deutschen Nationalspieler in einem Münchener Hotel trafen, um mit der Vorbereitung auf die WM-Qualifikationsspiele am Freitag in München gegen Österreich und am folgenden Dienstag in Torshavn gegen die Färöer zu beginnen. Joachim Löw war informiert, demnächst wird der Bundestrainer bei Arsenal-Partien gleich drei seiner Auswahlprofis begutachten können: Per Mertesacker und der derzeit verletzte Lukas Podolski werden Mesut Özil die Eingewöhnung in London erleichtern.

Profitieren werden von dem Wechsel auch zwei Ruhrgebietsklubs: Viertligist Rot-Weiss Essen und Bundesligist Schalke 04 erhalten als frühere Vereine jeweils eine Ausbildungsentschädigung, die bei 50 Millionen Euro Ablöse rund 800 000 Euro betragen müsste. Nur die Jungs, die sich damals in Bulmke-Hüllen als Slalomstangen im Affenkäfig zur Verfügung stellten, gehen mal wieder leer aus.