Tel Aviv. . Bei der U-21-EM in Israel geht steht nicht nur der Sport im Mittelpunkt.

Roy Rajber ist der ideale Mann für diesen Spezialauftrag. Der 29-Jährige ist Stellvertreter von Pressechef Max Geis bei der deutschen Junioren-Auswahl während der U-21-Europameisterschaft. Und wie alle anderen im Betreuerteam sehr beschäftigt. Aber der Münchner kennt sich dazu noch ganz besonders gut aus im Heiligen Land. Es ist sein zweites Zuhause, hier leben zwei Schwestern und viele Verwandte, in Israel hat er viele Ferien verbracht und an der Universität Tel Aviv seinen Master abgelegt. Rajber besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft, er ist aufgewachsen mit Deutsch und Hebräisch. Das EM-Turnier ist gewissermaßen das berufliche Highlight von Rajbers bisheriger Tätigkeit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), die vor fünf Jahren als Praktikant in der Kulturstiftung des Verbandes begann.

Vordergründig geht es beim DFB um Erfolg in der ältesten Nachwuchsklasse, in der Manuel Neuer, Mesut Özil und Co. vor vier Jahren den Titel gewannen. Aber die Austragung der EM in Petach Tikva, Netanya, Tel Aviv und Jerusalem besitzt zusätzlich hohe Bedeutung – für die Europas Fußball-Union (Uefa), die erstmals ein wichtiges Turnier außerhalb Europas austrägt, und für den DFB, der auf seine Beziehung zu Israels Fußball-Verband größten Wert legt.

An diesem Sonntag traf die Delegation des DFB in Israel ein. Präsident Wolfgang Niersbach führt die Equipe an, der auch Günter Netzer und Otto Rehhagel angehören. Netzer kennt Israel, denn Borussia Mönchengladbach war der Verein, der als erster deutscher Klub in den 1970er-Jahren zu Freundschaftsspielen dorthin reiste. Aber auch die meisten der aktuellen U-21-Auswahlspieler waren bereits in Israel, zuletzt im März dieses Jahres. Der DFB griff die Gladbacher Kontakte vor Jahren auf, vertiefte sie und entwickelte daraus ein ständiges Austauschprogramm.

„Deutschland und Israel sind aufgrund der NS-Verbrechen eng miteinander verbunden“

„Deutschland und Israel sind aufgrund der NS-Verbrechen eng miteinander verbunden“, sagt Rajber. Der Besuch von Yad Vashem, der Gedenkstätte für die Vernichtung von sechs Millionen Juden durch die Nazis, ist für jeden deutschen Fußballer zur Selbstverständlichkeit geworden. „Wir wissen eine Menge über die Geschichte des Holocaust, aber wenn man es hier vor Ort sieht, dann denkt man viel darüber nach“, sagt Lewis Holtby, der Kapitän der DFB-Junioren. Beim ersten EM-Spiel gegen die Niederlande trug die Mannschaft beim Aufwärmen Shirts mit der Aufschrift „Margishim Babait“, was übersetzt bedeutet: „Wir fühlen uns wie zu Hause“.

Das fassen die Gastgeber in Israel als höchstes Kompliment auf.

Insgesamt hat der Fußball einiges dazu beigetragen, dass sich die Beziehung Israels seit seiner Gründung 1948 zu Deutschland gewandelt hat. „Deutschland ist mittlerweile für viele Israelis mit den USA der engste und verlässlichste Verbündete Israels, und das nicht nur auf politischen, sondern auch auf sportlichen, kulturellen und anderen gesellschaftlichen Ebenen“, erklärt Rajber. Der frühere DFB-Präsident Hermann Neuberger engagierte sich lange dafür, dass das im Nahen Osten isolierte und von den arabischen Nachbarn angefeindete Israel 1994 in die Uefa aufgenommen wurde. Seit März ist der Deutsche Michael Nees beim Israelischen Fußballverband (Ifa) Technischer Direktor. Seit 2004 wird der Julius-Hirsch-Preis im Gedenken an den im Holocaust ermordeten deutschen Nationalspieler jüdischer Herkunft verliehen. 2008 wurde der Austausch zwischen dem DFB und dem Ifa intensiviert. Gladbach und die U-18-Junioren reisten nach Israel. 2009 unterzeichneten DFB und Ifa ein „Memorandum of Understanding“, in dem eine Kooperation in der Trainer- und Schiedsrichterausbildung sowie in der Talentförderung vereinbart wurde, welche DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Ifa-Präsident Avi Luzon in dieser Woche erneuern werden.

Appell von DFB-Präsident Niersbach

Seit 2008 treten jedes Jahr deutsche Junioren-Nationalmannschaften zu Länderspielen in Israel an. Ein Besuch in Yad Vashem ist fester Bestandteil des Programms. Am Korczak-Denkmal kommt es dann zur Begegnung mit den israelischen Junioren. Korczak war ein polnischer, nichtjüdischer Arzt, der die 200 Kinder seines Warschauer Waisenhauses 1942 in die Gaskammer von Treblinka begleitete. „Die Botschaft, die hier vermittelt wird, sollt ihr nach Deutschland mitnehmen, in die Heimat, in das Umfeld, in den Verein. Setzt euch ein, wenn jemand auf Grund seiner Religion, seiner Hautfarbe oder sexuellen Orientierung diskriminiert wird“, appellierte Niersbach im März an die jungen Fußballer. „Es ist schön zu sehen, wie die Jugendlichen ins Gespräch kommen“, sagt Rajber.

Die Beziehung entspricht nicht nur aus DFB-Sicht einer Freundschaft. Deutscher Fußball genießt große Wertschätzung in Israel. Umfragen ergaben, dass ein Drittel der Israelis dem DFB-Team bei der EM 2012 den Titel wünschte. Dafür ist der multikulturelle Hintergrund der Nationalelf ebenso verantwortlich wie die attraktive Spielweise. Den Wandel der Einstellung gegenüber der deutschen Elf in Israel kann Rajber am Beispiel der eigenen Familie wiedergeben. Der Großvater, der den Holocaust überlebte, wünschte dem DFB in jedem Spiel eine Niederlage, der Vater war als Kind hin- und hergerissen, Roy und sein Bruder sind jetzt Fans.