Essen/Mainz. . Die Champions League war für das ZDF ein Sechser im Lotto. Wer hätte zu Beginn dieser Saison gedacht, dass sich im Finale zwei deutsche Mannschaften gegenüber stehen? Dennoch weiß ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz um die Risiken, die mit dem Rechte-Erwerb verbunden sind. Ein Interview.

Über 50 Millionen Euro pro Saison muss das ZDF für die Rechte an der Champions League zahlen. Jetzt ist die erste Saison Königsklasse im ZDF fast gelaufen. Sportchef Dieter Gruschwitz kann, wie der Sender, schon vor dem deutschen Finale in London ziemlich zufrieden sein. Thorsten Schabelon sprach mit ihm.

Ihr Intendant Thomas Bellut müsste Ihnen Schulter täglich auf die Schuler klopfen.

Dieter Gruschwitz (schmunzelt): Das muss nicht sein. Aber unsere Geschäftsleistung ist schon sehr zufrieden. Genau wie wir. Wir haben ein tolles Geschenk bekommen und sind ordentlich damit umgegangen.

Ihr Fazit für die erste Saison der Champions League im ZDF dürfte schon vor dem Endspiel ziemlich gut ausfallen.

Gruschwitz: Ja, wir haben unsere drei internen Vorgaben erfüllt.

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„Analysen, die es so noch nicht gegeben hat“

Die wären…

Gruschwitz: Wir wollten dem Zuschauer die Champions League in einer qualitativ besonders hochwertigen Form präsentieren: abwechslungsreich, differenziert und mit Analysen, die es so noch nicht gegeben hat. Das soll kein Fingerzeig auf Sat.1 sein, wo die Champions League bislang lief. Wir haben andere Rahmenbedingungen, keine Werbeverpflichtungen und keine Werbemöglichkeiten. Mit dem „Champions-League-Magazin“ konnten wir die Vorgaben der Uefa einlösen und die Zuschauer einstimmen. Und nach Abpfiff konnten wir direkt im Stadion bleiben, Stimmung, Emotionen und Atmosphäre transportieren. Dazu die zeitnahen Zusammenfassungen. Da war der Zuschauer perfekt bedient.

Die Zahlen sprechen für das Konzept.

Gruschwitz: Ja. Die Quote war die zweite Vorgabe. Schon im Achtelfinale lagen die Zahlen 30 Prozent über den Werten der Vorsaison. Und jetzt dürften sie noch höher sein. Die Halbfinale-Duelle zwischen Bayern und Barcelona und dem BVB und Real lagen bei über 15 und über 13 Millionen Zuschauern und sind die zwei erfolgreichsten Sendungen im laufenden Fernsehjahr. Die dritte Top-Zahl kommt am Samstag.

Champions League-Finale„Sogwirkung für andere Formate“

Refinanzieren lässt sich die Königsklasse aber auch damit nicht.

Gruschwitz: Sie können die Champions League nicht refinanzieren. Aber wir sehen sie auch als strategische Investition ins Programm. Sie ist ein Top-Class-Projekt, führt zu einer anderen Wahrnehmung bei den Zuschauern. Das ZDF zeigt die Champions League, ist erfolgreich damit, dann kann der Sender nicht so schlecht sein.

Bleibt noch die dritte Vorgabe.

Gruschwitz: Die Sogwirkung für andere Formate im ZDF. Ein Spiel soll länger als 90 Minuten wirken. Und die Zahlen zeigen: das „heute-journal“ in der Halbzeitpause und anschließende Sendungen wie Lanz, das „Auslandsjournal“ und „ZDF Zoom“ profitieren von der Champions League in der Gesamtquote und bei jungen Zuschauern. Es ist ein Format mit Strahl- und Bindekraft, das das junge Publikum besonders anspricht.

Abhängig vom Erfolg der deutschen Mannschaften

Es gibt auch Kritik an der Wirkung auf andere Formate. In der „Sportreportage“ am Sonntag laufen plötzlich viele Champions-League-Berichte. Andere Sportarten finden kaum noch statt, so der Vorwurf. Die Rechte beeinflussen die journalistischen Auswahlkriterien.

Gruschwitz: Natürlich hat eine bestimmte Rechtesituation ihren Ausfluss auf die Programmauswahl. Und es ist vollkommen klar, dass wir in eigenen Sendeformaten das Produkt intensiver darstellen und die Möglichkeiten der Champions League nutzen. Hätten wir nicht die Rechte, hätten wir kein Interview mit Ottmar Hitzfeld und keine Berichte über die Gegner der deutschen Mannschaften. Aber: Wir vernachlässigen keine anderen Sportarten, wir berücksichtigen weiterhin die Vielfalt des Sports. Wir haben im Fußball umgewichtet und zeigen weniger Nachberichte aus der Bundesliga.

Haben Sie Angst vor der neuen Saison? Es kann ja kaum noch besser werden, höchstens mit drei deutschen Klubs im Halbfinale.

Gruschwitz: In der Tat, ein Luxusproblem. Angst nein, sondern eher die Ungewissheit, ob wir die Quoten halten können. Sie sind natürlich abhängig vom Erfolg der deutschen Mannschaften. Und die Messlatte liegt verdammt hoch. Aber jetzt genießen wir den Moment und freuen uns auf das Finale.

Mit welcher Zuschauerzahl rechnen Sie am Samstag in London?

Gruschwitz: Das ist wie ein EM- oder WM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Ich denke, wir toppen die Halbfinals und knacken die 20-Millionen-Marke. Und: Umso länger das Spiel läuft, umso besser wäre es, auch das hebt die Quoten an. Ich würde auch gerne ein Elfmeterschießen sehen und so das Duell, wie die Zuschauer, bis zur letzten Sekunde auskosten.